So traurig schwimmen die Toten

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    So, ich habe mir gedacht, ich kann Maren nicht im Stich lassen. Bei den Herausforderungen ging es ja um Zitate. Nun, Heike hat irgendeine Seite im ersten Roman aufgeschlagen und das Zitat genannt:


    --"Ja", bemerkte d'Artagnan,"Athos hat recht, wir müssen ihn verbrennen. Und wer weiß, ob der Herr Kardinal nicht sogar das Geheimnis kennt, wie man in der Asche liest."
    "So ein Geheimnis wird es sicher geben!", meinte Athos.--


    Ich fand das Zitat recht eindrucksvoll, zumal ich überhaupt nicht wusste, welche Stelle das im Buch ist. Und dann habe ich ein paar Stunden am Computer gesessen und das hier ist rausgekommen. Bei Ungereimtheiten fragt bitte nach, ich habe mir die Geschichte in etwa fünf Minuten ausgedacht ;-).
    Tut mir leid, dass es ein bisschen mehr als anderthalb Seiten geworden sind.



    So traurig schwimmen die Toten



    "Ja", bemerkte d'Artagnan, "Athos hat recht, wir müssen ihn verbrennen. Und wer weiß, ob der Herr Kardinal nicht sogar das Geheimnis kennt, wie man in der Asche liest."
    "So ein Geheimnis wird es sicher geben!", meinte Athos.
    "Wenn der Kardinal herausfindet, was in diesem Brief steht, was wird dann mit uns geschehen?", erkundigte sich Athos' Sohn Raoul.
    "Was dann mit uns geschieht?", entgenete Athos. "Wir werden in die Bastille gsteckt, weil der Brief von Königin Anna an Mazzarin ist und die beiden schreiben über die Ermordung Richelieus. Wenn Richelieu das herausfindet... Natürlich würde er uns nie glauben, dass wir mit der Intrige nichts zu tun haben, er weiß nur, dass wir ihn nicht so sehr mögen, seit der Diamantspangenaffäre."
    "Das stimmt sogar."
    Sansois tauchte hinter der Tür auf, in seinem Schlepptau seinen ewigen Helfershelfer Rouisson. Die drei sprangen auf. Als d'Artagnan seinen ewigen Feind Rouissons sah, kochte er über. Ohne sich zu bedenken, wollte er sich auf ihn stürzen. Athos packte ihn gerade noch rechtzeitig.
    "Wie seid Ihr in dieses Haus gelangt, Messieurs?", fragte er mit bemüht ruhiger Stimme. Sansois lächelte breit. "So wie Ihr auch, Monsier, durch die Haustür. Kann ich mal?" Er drängelte Athos beiseite, packte den Brief, der zwischen den dreien auf den Tisch lag, steckte ihn ein, und setzte Raoul dann ein Messer an die Kehle.
    "Das Bürschchen kommt jetzt mal mit!", sagte er und nahm Raoul mit festen Griff beim Arm. Raoul erstarrte vor Angst und mit stummen Flehen sah er seinen Vater an. Athos wollte nach seinem Degen greifen, kam aber nicht soweit, Rouisson hielt auch ihm einen Dolch an den Hals. D'Artagnan konnte nichts tun, ohne seine Freunde der Lebensgefahr auszusetzen.
    Mit einem kräftigen Hieb an die Schläfe betäubte Sansois Raoul, damit dieser keine Mätzchen machen konnte und schleifte den Bewusstlosen aus dem Zimmer. Rouisson ließ von Athos ab, wich rückwärts mit kleinen Schritten zurück und holte nun eine Pistole vor. "Wenn Ihr uns nicht verfolgt, bleibt Raoul vielleicht leben. Also, überlegt Euch gut, was Ihr tut." Er feuerte gegen die Wand hinter ihnen und folgte seinem Freund durch die Zimmertür.
    "Sie werden ihn töten!" Mit diesem Schreckensschrei stürzte Athos den beiden Verrätern hinterher.
    "Nicht Athos!", brüllte d'Artagnan und lief seinem Freund nach. "Denkt daran, was er gesagt hat! Nehmt Euch in Acht!" Aber Athos schien ihn gar nicht zu hören. Vor Sorge um seinen Sohn ganz kopflos geworden, rannte er auf die Straße. Er hielt an und lauschte voll Angst, ob er nicht einen Ruf seines Sohnes hörte oder Hufgetrappel der Pferde von Sansois und Rouisson.
    Doch er hörte nichts, nur hinter sich die hastigen Schritte d'Artagnans, der ihm gefolgt war und nun neben ihm auf der Straße stand.
    Sie strengten beide ihr Gehör an, aber es war fruchtlos. In dieser Nacht drückte nur die Stille auf sie, es gab kein Geräusch, überhaupt nichts.
    Sie wussten nicht, dass nur wenige Meter von ihnen entfernt Rouisson und Sansois sich mit dem bewusstlosen Raoul in eine Nische drückten und hofften, Athos und d'Artagnan würden sich nicht sofort auf die Suche nach ihnen begeben.
    Dann sprach d'Artagnan und sie vernahmen jedes Wort.
    "Kommt Athos. Wir gehen lieber wieder rein, wir bieten den beiden nur ein gutes Ziel."
    Vorsichtig streckte Rouisson den Kopf vor, um die beiden zu sehen. Sansois packte ihn und zog ihn wieder zurück.
    "Es nützt uns nichts, die beiden jetzt zu suchen, es ist zu dunkel, als dass wir irgendetwas finden würden. Morgen, Athos. Morgen ist in ein paar Stunden."
    "Was, wenn sie ihn töten?"
    "Warum sollten sie? Noch haben sie keine Veranlassung." D'Artagnan legte seinen Freund den Arm um die Schulter und führte ihn wieder ins Haus.
    Sansois und Rouissons warteten noch einige Sekunden, dann kamen sie hervor und rannten zu ihren Pferden, die sie an einer Straßenecke stehengelassen hatten. Sansois, der der Größere und Kräftigere von beiden war, hatte sich Raoul über die Schulter geworfen und schien durch dessen Gewicht kaum behindert zu sein.
    Sie kamen bei ihren Pferden an und Sansois hievte Raoul in den Sattel, was sich durch dessen Schlaffheit als schwieriger erwies, als er zuerst angenommen hatte. Rouisson musste ihm helfen. Dann schwangen sie sich auf ihre Pferde und ritten zum Palais le Cardinale.


    Athos und d'Artagnan saßen sich in der Wohnung wieder gegenüber, es war fast die gleiche Situation wie vorher, als Rouisson und Sansois noch nicht dagewesen waren, nur dass jetzt Raoul fehlte und dass Athos den Kopf in den Händen vergraben hatte.
    D'Artagnan spielte mit seinem rechten Handschuh, bei ihm das Zeichen höchster Nervösität.
    Als sie unweit von ihrem Haus Hofgetrappel hörten, sah Athos auf und sein bis dahin erloschener Blick belebte sich.
    "Lasst!", meinte d'Artagnan, "es wird nur eine Streife von Gardisten sein. Sansois und Rouisson sind doch schon längst nicht mehr hier."
    Athos legte den Kopf auf den Tisch.


    Rouisson und Sansois kamen am Palais le Cardinale an und übergaben die Pferde einem aufgeschreckten Stallknecht, der sie ihnen abnahm und in den Stall führte. Die beiden Männer drangen durch eine geheime Tür in das Palais ein, Raoul, der immer noch ohnmächtig war, über Sansois Schulter gelegt und sie kamen fast unbemerkt bis zum Kardinal. Der Sektretär Richelieus ließ sie ein.
    "Seine Eminenz schläft noch nicht", teilte er ihnen mit. Dann meldete er sie an. Sie wurden sofort vorgelassen.


    Sansois und Rouisson waren Arbeiter seiner Eminenz, wenn auch erst seit kurzem. Sie waren beide verarmte Edelleute, die sich schon lange kannten und die für ein bisschen Geld alles taten. Seine Eminenz hatten von den beiden über die verstorbene Mylady de Winter erfahren, welche die beiden oft für ihre dunklen Machenschaften gebraucht hatte. Richelieu war der Ansicht, dass man die beiden lieber für sich als gegen sich arbeiten lassen sollte und hatte sie zu sich geholt, wo er sie regelmäßig für recht finstere Aufträge brauchte. Sie waren es zufrieden.
    Rouisson und Sansois waren Verachtete des Schicksals, bildeten sie sich zumindest ein. Sie hatten nichts, konnten nichts und waren erfolglos geblieben. Sie waren vor kurzem nach Paris gekommen, wo sie einen Neuanfang hatten machen wollen. Bei den Musketieren waren sie nicht aufgenommen worden. Rouisson hatte d'Artagnan kennengelernt, und dann herausgefunden, dass dieser Musketier war. Er hatte ihn um Fürsprache beim Kapitän der Musketiere gebeten, doch d'Artagnan hatte leider nichts machen können.
    "Verräter!" hatte Rouisson geschrien und ihn beschimpft, dass d'Artagnan es ja auch gar nicht versucht hätte.


    Kurz danach hatte Richelieu sie in seine Dienste genommen. Der Kapitän der Musketiere starb und d'Artagnan bewarb sich für dessen Stelle. Seine Eminenz, der das Hauptmannspatent hätte unterschreiben können, tat dies nicht, weil Rouisson ihm sagte, auf d'Artagnan wäre kein Verlass, der Musketier spinne eine Intrige gegen ihn. Eine Intrige die von Mazzarin und Königin Anna ausgehe und die d'Artagnan unterstütze.
    "Was?", hatte Richelieu ausgerufen, "d'Artagnan ist mir zu Dank verpflichet. Er ist nur wegen mir kein einfacher Musketier mehr."
    "Ja, Eminenz, aber wir, Sansois und ich, wir haben in Erfahrung gebracht, dass es eine Verschwörung gegen Euch gibt, und diese geht von d'Artagnan und dessen Kumpan aus", antwortete Rouisson aalglatt.
    "Welcher Kumpan? Sprecht Ihr etwa von Monsier Athos?"
    "Ja, genau!", beeilte sich Sansois zu versichern, "Ja, Monsieur Athos macht da auch mit."
    "Nun, meine Herren, dann verhindert diese Verschwörung und Ihr werdet es nicht bereuen."
    Sansois und Rouisson verneigten sich und versicherten Seiner Eminenz ihre Ergebenheit. Sie waren beide höchst zufrieden mit sich, hatten sie doch nun jemanden gefunden, an dem sie ihren Frust auslassen konnten, dass sie es zu nichts gebracht hatten und zudem hatten sie einen mächtigen Gönner gewonnen, der sie immer schützen würde.
    Nun hatten sie Raoul, Athos Sohn in ihrer Gewalt, wussten aber noch nichts Rechtes mit ihnen anzufangen. Aber das war erstmal unwichtig, wichtiger war es, dass Richelieu ihnen glaubte und ihnen die Sache mit der Intrige abnahm.


    Als sie eingetreten waren, verneigten sie sich tief und Sansois legte Raoul auf den Boden.
    "Nun, meine Herren?" Richelieu, der an seinem Schreibtisch saß und schrieb, sah auf. Er schien übermüdet, aber er war wie immer voll Tatendrang und es war bekannt, dass er nachts am besten arbeiten konnte.
    "Eminenz", Sansois trat vor, "Wir haben hier den eindeutigen Beweis für den schändlichen Verrat d'Artagnans und Athos'. Dieser Brief ist von Mazzarin an Königin Anna und es ist eindeutig, dass d'Artagnan ihn übermitteln sollte."
    "Was ist das hinter euch?", fragte Richelieu, der die dunkle Gestalt am Boden hinter seinen beiden Männer erblickte.
    "Ach, das ist nur, ähm, ein Gegenstand, um d'Artagnan und Athos zum Sprechen zu bringen, falls sie nicht reden wollen."
    Richelieu stand auf und trat hinter die beiden. Er bückte sich zu Raoul hinab.
    "Großer Gott!", rief er aus. "Messieurs, wo habt Ihr denn das Kind her?"
    "Hab ich doch gesagt, er wird es nicht billigen!", zischte Rouisson Sansois so leise zu, dass der Kardinal es nicht hören konnte. Sansois zuckte nur mit den Schultern und antwortete auf die Frage des Kardinals:
    "Eminenz, der Junge stand da so günstig, deswegen dachte ich, wir könnten ihn mitnehmen. Es ist Athos' Sohn. Wir können ihn natürlich auch zurückbringen." Richelieu runzelte die Stirn, sagte aber nichts weiter. Stattdessen ließ er sich berichten, wie die beiden an den Brief gekommen waren und entließ sie dann mit einem Lob.


    Sansois und Rouisson waren höchst zufrieden mit sich, dass alles so gut klappte. Wenn alles weiterhin so gut ging, würden Ahos und d'Artagnan morgen am Galgen baumeln und Rouisson würde die Stelle als Hauptmannsposten in der Garde des Kardinals bekommen, als Dank für seine Ergebenheit, während Sansois die Stelle eines Spiones beim Kardinal bekommen wollte.
    Die beiden begaben sich zu ihrer Wohnung, die sie sich in der Rue Saint-Claude teilten, bis sie genug Geld hatten, um sich getrennte Wohnungen leisten zu können und feierten dort ein bisschen. Rouisson öffnete eine Flasche guten Weines und goss die Gläser voll.
    "Auf uns, mein Freund!", Sansois hob sein Glas.
    "ja, und auf Richelieu, der uns die Intrige von Mazzarin und Anna so treudoof abnimmt, dass man sich wundern muss, wie er Kardinal hat werden können." Sie prosteten sich zu.


    Raoul hatten sie in ein kleines Kämmerchen neben dem Salon gebracht. Dieser erwachte nach einiger Zeit, er hatte schreckliche Kopfschmerzen und fühlte sich elend. Er erhob sich von einer schmutzigen Pferdedecke, auf welcher Sansois ihn abgelegt hatte und kroch zur Tür. Er hörte die lauten Stimmen von Sansois und Rouisson, die immer noch feierten und sich über den Kardinal lustig machten. Raoul wollte schreien, aber dann wurde ihm klar, dass ihm das nichts nützen würde, hier würde ihn keiner hören außer Sansois und Rouisson und diese würden ihm ganz sicher nicht helfen. Er zitterte vor Angst bei dem Gedanken, was die beiden Verbrecher ihm antun würden. Dann fiel seines Vaters Name und er hörte genauer hin:
    "Und wenn Athos und d'Atagnan erstmal baumeln, haben wir freie Bahn. Der Kardinal ist noch nicht mal auf die Idee gekommen, dass das alles gar nicht stimmen kann, dass wir d'Artagnan den Brief zugespielt haben."
    "Es ist doch geradezu unglaublich, dass der Kardinal alles glaubt, was wir sagen. Wir könnten sogar behaupten, dass Mazzarin den Staatsschatz geklaut hat und der Kardinal glaubt uns."
    "Ja, er ist wirklich nicht so gescheit, wie er es allen glauben machen will. Mazzarin ihn ermorden, ha! Wo Mazzarin ihm doch soviel verdankt! Mazzarin wird doch noch eingesetzt, irgendwann, ganz sicher, warum sollte er ihn also ermorden? Wie naiv Richelieu doch ist!"
    Raoul war entsetzt. Nachdem, was die beiden, ihren Stimmen nach zu urteilen, Volltrunkenen sagten, gab es gar keine Intrige! Die hatten sich das alles nur ausgedacht, weil... Ja, warum eigentlich? Raoul wusste es nicht. Er musste hier rauskommen und seinen Vater warnen. Was hatten die beiden gesagt? Baumeln? Sein Vater und d'Artagnan? Raoul unterdrückte mühsam ein Schluchzen. Man musste die beiden Wahnsinnigen aufhalten, sonst richteten sie noch mehr Unheil an. Wie konnten sie seinen ehrenhaften Vater verleumden?
    Raoul hatte genug gehört, er setzte sich wieder auf seine Pferdedecke. Vielleicht konte er hier irgendwie rauskommen, nachdem die beiden im Vollrausch eingeschlafen waren. Raoul wusste, dass betrunkene Männer immer sehr lange schliefen und in dieser Zeit nichts hörten.
    Es dauerte lange, unglaublich lange, bis Rouissons und Sansois' Stimmen lallender und undeutlicher wurden. Anscheinend konnten die beiden eine Menge vertragen. Schließlich hörte Raoul ein Krachen, es hörte sich an, als sei einer der Männer vom Stuhl gefallen und der Stuhl war auch gleich mit umgestürzt.
    "Schnauze!", knurrte einer der beiden, dann herrschte Ruhe.
    Raoul wartete noch eine Weile, dann untersuchte er seine Kammer. Sie war vollständig leer, bis auf die Pferdedecke am Boden, es gab kein Fenster und er fand keine geheime Tür. Es gab nur den Ausgang aus der Zimmertür. Raoul spähte durch das Schlüsselloch. Der Schlüssel steckte nicht, so konnte er ihn auch nicht aus dem Schlüsselloch herunterfallen lassen und unter der Türritze hervorholen. Er kramte in seinen Taschen, er fand dort aber nur einen kleinen Schlüssel, welcher Zugang zu einer kleinen Schatulle verschaffte, die zu Hause bei seinem Vater stand. Probehalber steckte Raoul das Schlüsselchen in das Schloss, aber das war so groß, dass der Schlüssel prompt auf der anderen Seite hianusfiel. Raoul stand stocksteif. Hatten die beiden Männer es gehört? Es kam nichts. Raoul ließ sich zu Boden sinken, enttäsucht, traurig und voller Angst. Der Boden war ganz kalt. Er fasste die Türklinke, um sich hochzuziehen und die Tür öffnete sich. Sie war gar nicht verschlossen gewesen. Raoul war zuerst entsetzt, dann musste er lächeln und nahm den kleinen Schlüssel, der ihm vorher heruntergfallen war, wieder an sich. Er verließ rasch die Wohnung, vorher warf er noch einen kurzen Blick auf Sansois und Rouisson, die beide schnarchend in einem kärglich eingerichteten Zimmer schliefen. Sansois war es, der vom Stuhl gefallen war. Der Stuhl von ihm lag direkt neben ihm, das eine Bein war knapp über seinem Kopf. Raoul wünschte sich, dass Sansois' Kopf an das Stuhlbein ranknallte, wenn er aufstehen wollte.
    Raoul kam schnell aus der Wohnung heraus, auch die Haustür war nicht abgeschlossen gewesen. Es dauerte seine Zeit, bis er den Weg zur Wohnung seines Vaters fand, so gut kannte er Paris noch nicht, war er doch erst seit etwa zwei Wochen hier, sein Vater hatte d'Artagnan besuchen wollen und ihn mitgenommen.


    Athos und d'Artagnan waren vor Erschöpfung eingeschlafen und erwachten, als es heftig gegen die Tür unten klopfte. Eine Kinderstimme schrie undeutlich was.
    "Das ist Raoul!" Athos sprang auf. Er als Vater erkannte natürlich die Stimme seines Sohnes.
    "Raoul?", fragte d'Artagnan ungläubig und rieb sich die Augen.
    "Wie kann das sein?"
    Athos stürzte zur Tür und entriegelte sie. Sein Sohn fiel ihm in die Arme. Es gab ein glückliches Wiedersehen, d'Artagnan, der als Zuschauer danebenstand, fühlte sich ein bisschen unbehaglich.
    Nach dem die erste Wiedersehensfreude etwas abgeklungen war, zog Raoul seinen Vater in den Salon, wo er zuerst eine heiße Schokolade bekam. Raoul verbrannte sich die Zunge und erzählte deswegen lieber von den unerhörten Neuigkeiten, welche er von den beiden Betrunkenen erlauscht hatte. Athos und d'Artagnan reagierten entsprechend empört als sie von den Gemeinheiten Sansois' und Rouissons hörten. Dafür lobten sie aber Raoul für dessen Tapferkeit, dem das bald zu Kopf stieg und der sehr stolz auf seine Heldentat war.
    Danach schickte Athos seinen Sohn, ohne Widerspruch zuzlassen, ins Bett und besprach mit d'Artagnan, was sie nun tun wollten. Sie hatten eine weiße Weste, und wenn es ihnen gelang, Richelieu deutlich zu machen, dass sie von der Intrige nichts gewusst hatten...
    "Nun ja, aber wir haben heute von der Intrige erfahren, die es angeblich gab und hätten Richlieu eigentlich warnen müssen, wenn wir nichts damit zu tu hatten", meinte d'Artagnan.
    "Warum, in dem Brief stand, dass Richelieu noch nicht bedroht ist. Deswegen hätten wir noch warten können", gab Athos zurück. D'Artagnan beschloss, diese Erklärung zu akzeptieren, immerhin hatte es ja keine Intrige gegeben, so war Richelieu nicht in Gefahr gewesen. Er beschloss mit Athos, am nächsten Morgen ganz früh zu Richelieu zu gehen und ihm alles zu erzählen, was passiert war. Es hing einiges von ihrer Überzeugungskunst ab.
    Sie schliefen nicht mehr. In ein paar Stunden würde es hell werden, da lohnte es sich nicht mehr, ins Bett zu gehen.


    Früh um fünf Uhr begaben sich Athos und d'Artagnan auf dem Weg zu Richelieu. Sie weckten Raoul nicht.
    Kurz nachdem sie das Haus verlassen hatten, wachte Raoul allerdings von allein auf, zog sich schnell an und folgte ihnen.


    Rouisson schlief trotz des reichhaltigen Alkoholgenusses nicht lange. Er stand schon vor Sonnenaufgang auf und dachte, ein Spaziergang durch die Stadt würde ihm guttun.
    Er weckte Sansois nicht, warum sollte der auch nicht ausschlafen? Rouisson ging über eine große Brücke und genoss das Bewusstsein, dass Athos und d'Artagnan wahrscheinlich schon verhaftet worden waren und bereits in der Bastille saßen. Er lehnte sich an das Geländer und starrte auf das strömende Wasser. Er verfolgte die Schaumwirbel der Seine und beugte sich immer tiefer herunter. Das Wasser war magisch, es zog ihn an.


    Athos und d'Artagnan, auf dem Weg zu Seiner Eminenz, gingen über dieselbe Brücke wie Rouisson.
    D'Artagnan stieß Athos an, er sah seinen Feind Rouisson an das Brückengeländer gelehnt und träumerisch auf das Wasser starrend.
    Die beiden Männer traten von hinten an Rouison heran und Athos sagte:
    "Nun, Monsieur Rouisson, leben ist wohl immer noch schön?"
    Rouisson fuhr herum. Als er die beiden sah, setzte sein Herzschlag aus.
    "Ihr!", brachte er mühsam hervor.
    D'Artagnan nickte grimmig. "Ja, wir. Passt nicht in Eure Vorstellung, dass wir noch leben und nicht in der Bastille sitzen, hm?" Er zog seinen Degen und richtete ihn auf Rouisson. Der drückte sich ans Brückengeländer.
    "Na los, klettert doch rüber!" D'Artagnan näherte sich ihm mit dem Degen. "Glaubt Ihr, das Wasser kann Euch retten? Es wird Euch sicherlich gerne aufnehmen."
    "D'Artagnan", mahnte Athos. "Überlegt doch, was Ihr tut. Wir sollten ihn dem Gericht übergeben."
    "Ach, das kann ihm nur guttun." D'Artagnan bedrohte Rouisson weiterhin mit dem Degen, der nun tatsächlich auf das Geländer stieg und dann sich hinter dem Geländer festhielt. D'Artagnan ließ den Degen sinken. Rouisson wurde mutig, er wollte wieder zurückklettern. D'Artagnan hob noch einmal drohend den Degen, Rouisson erschrak und rutschte ab. D'Artagnan und Athos schrien vor Verblüffung auf, aber Rouisson schaffte es gerade noch, sich an einer Querverstrebung zu halten. D'Artagnan und Athos rührten sich nicht, dann wurden sie plötzlich beiseite geworfen und Sansois ergriff seines Freundes Hand.
    "Du", würgte Rouisson hervor.
    "Hier, meine Hand. Ich helf' Euch." Sansois bekam Rouissons rechte Hand zu fassen und musste sich tief runterbeugen, um auch die andre zu ergreifen. Rouisson allerdings wagte nicht, mit der Linken die Querstange loszulassen. Athos und d'Artagnan rührten sich nicht, sie wollten nicht helfen, aus einem ungeklärten Gefühl heraus, aber sie konnten auch nicht glauben, dass Sansois es alleine schaffe würde. Sansois kämpfte mühsam mit der Balance, er keuchte, während Rouissons Gewicht ihn langsam aber sicher über das Geländer nach unten in die Tiefe zog. Ein winzger Stoß würde genügen und die beiden würden nach unten stürzen. Das erkannte auch Raoul, der Athos und d'Artagnan gefolgt war. Er schlich sich von hinten an und packte Sansois an den Füßen. Mit einer Kraft, die man dem zierlichen Jungen nicht zugetraut hätte, hob er Sansois an. Der schrie auf, genauso wie Athos und d'Artagnan. Sansois versuchte noch, sich am Geländer zu halten, aber er griff daneben. Rouisson zog ihn nach unten und die beiden sürzten in das wirbelnde braune Wasser der Seine, wo sie sofort verschwanden.
    Raoul wurde schlecht. Er erbrach sich neben seinem Vater, der mit d'Artagnan in die Seine starrte, als hoffe er, Sansois und Rouisson würden doch noch auftauchen.


    Athos, d'Artagnan und Raoul lagen vor Richelieu auf den Knien und Athos erzählte mit belegter Stimme den ganzen Vorgang. Kurz nachdem Rouisson und Sansois ertrunken waren, hatte eine Patrouille sie festgenommen.
    Die beiden Erwachsenen kamen in die Bastille, wurden aber nach drei Tagen wieder freigelassen, in welchen Richelieu geprüft hatte, ob Athos und d'Artagnan die Wahrheit gesprochen hatten. Richelieu entschuldigte sich bei den beiden für die Verdächtigungen, die er gegen sie gehegt hatte und ließ sie wieder nach Hause gehen. Athos reiste kurz darauf mit Raoul wieder in seine Grafschaft zurück.
    Er sprach nie mehr mit d'Artagnan über das Ereignis und d'Artagnan ging Zeit seines Lebens nie wieder über die Brücke, unter der Sansois und Rouisson ihren Tod gefunden hatten.

  • Hallo Silke,


    endlich die erwartete Kritik! Nein, jetzt komm schon wieder aus Deinem Versteck heraus, so schlimm wird es nicht werden. :-)
    Ich muss zugeben, der Einstieg in die Geschichte viel mir etwas schwer, weil ich keine Ahnung hatte, was ich mit Sansois und Rouisson anfangen sollte oder allgemein mit der Situation. Nachdem ich das dann aber erst einmal verstanden hatte, ging das Lesen gleich viel besser. :lol: Und im Laufe der Geschichte wurde ja auch erklärt, wie es zu was gekommen ist.
    Etwas hat mich gewundert, und zwar, dass Raoul erst recht sympathisch von Dir geschrieben wird und am Ende zum Mörder "mutiert" - andersherum dass die zwei Bösewichter am Anfang die absolut gemeinsten Kerle sind und mir am Ende richtig leid taten. Ich fand die Stelle schön, als Sansois angelaufen kam, um Rouisson zu retten. Schade, dass es so ein Ende nehmen musste. Ich glaube aber, dass in dieser Kurzgeschichte das Potential steckt, eine "richtige", lange Fanfiction zu werden, wenn hie und da noch ein bißchen herausgearbeitet wird. ;-)
    Mach weiter so!


    Viele Grüße,
    Maren

  • Hallo Silke,


    mir taten die beiden Schurken, ehrlich gesagt, am Ende auch Leid... Aber das ist ja bei mir immer so! ;-) Jedenfalls fand ich es recht interessant, wie Du das kleine Zitat zu einer ganzen Geschichte ausgebaut hast...


    Eines war mir etwas unklar - wann genau spielt die Geschichte? Ermordung Richelieus, Mazarin... Aber Raoul scheint schon relativ groß zu sein... Na ja, das ist eine eher unwichtige Frage! ;-)
    Jedenfalls ist es schön, daß Du überhaupt auf diese Herausforderung gekommen bist und daß es so viel Resonanz gab!


    Viele Grüße


    Maike

  • Hallo ihr!


    Ja, Maike, ich wusste, dass die Frage kommt :wink:.
    Ähm, so irgendwann, wenn Mazzarin schon da ist, aber noch nicht als Kardinal und Richelieu lebt auch noch, oder sowas :P . Raoul ist noch ziemlich klein, vielleicht so (öhm) zwölf? Oder sieben? Er kann schon vernünftig denken. Ich denke, mal so über zehn, ich weiß ja nicht, wie alt er in "Zwanzig Jahre danach" ist, denkt euch was aus :roll: (Fantasie des Lesers ist gefragt).
    Die Schurken taten mir auch sehr leid. Ja, Raoul, naja, irgendwie brauchte ich einen Sündenbock und da ich mich bisher gehütet habe, eine Stelle mit ihm zu lesen, also, erst einmal oder so, wurde der eben zu so einem Fiesling. Meine armen beiden Schnuckis :cry: .
    Auf jeden Fall freu ich mich, weil ihr was zu geschrieben habt *freufreu* und das die Kritik so positiv ausgefallen ist.


    Tschau
    Silke