Hallo an alle. Ich stelle hier mal die Filmkritik rein, die ich geschrieben habe. Ich würde mich über Kritik und Ergänzungen freuen, vielleicht hat jemand noch ein Zitat oder eine Stelle, die mit rein sollte. Ich muss wegen der Länge Absätze einfügen, es geht einfach weiter unten weiter
Eine neue Verfilmung der drei Musketiere ruft zunächst
einmal eine gewisse Hoffnung hervor: Die Hoffnung, dass sich endlich einmal ein
Regisseur an diesen Stoff wagen würde, der das Buch tatsächlich gelesen hat und
der vielleicht versuchen würde, diesen großartigen Roman, der eigentlich alles
beinhaltet, was ein guter Film braucht, werkgetreu umzusetzen. Denn die letzte
werkgetreue Fassung datiert immerhin von 1921, es war Henri Diamant-Berger, der
sich als erster und bis jetzt einziger an diese Aufgabe wagte und seine
Umsetzung ist bis heute DER Meilenstein der Filmgeschichte. Inzwischen gibt es
allerdings Farbe und Ton, ja sogar 3D-Technik, es gibt Filme wie der Herr der
Ringe (Peter Jackson), die Bartholomäusnacht (Patrice Chéreau) oder Germinal
(Claude Berri), die Bücher grandios auf die Leinwand bringen, also müsste es
auch für die drei Musketiere Hoffnung geben.
Doch leider lässt schon die Beschreibung der Seite www.filmkritiker.com Böses ahnen: Einer für alle – alle für Einen! Und alles
noch einmal völlig neu! Actionspezialist Paul W.S. Anderson (u.a. RESIDENT
EVIL, DEATH RACE) macht die furchtlosen Helden aus Alexandre Dumas’ gefeierten
Abenteuerroman DIE DREI MUSKETIERE
fit für das neue Jahrtausend: Erstklassige Stunts, geniale Dialoge und
modernste 3D-Kameratechnik werden jedem Zuschauer den Atem rauben. Warum
braucht es Stunts und einen Actionspezialisten um einen Roman zu verfilmen,
dessen Stärke in der Tiefe der Charaktere liegt? Warum reduziert fast jeder
Produzent diesen Roman auf Klamauk und Action? Auf billiges Heldentum, das so
nie von Dumas vorgesehen war? Es ist zum Haareraufen!
Aber nun mal von Anfang an: Der Film ´die drei Musketiere´
von Paul W.S. Anderson beginnt in Venedig. Athos, Porthos und Aramis bilden ein
Team mit Mylady und sollen Pläne für ein Luftschiff von Leonardo da Vinci für
den Kardinal Richelieu entwenden. Schön und gut, aber was soll ein Luftschiff
im 17. Jahrhundert? Auch wenn Da Vinci ein genialer Erfinder war und die
Menschheit den Traum vom Fliegen schon lange träumte, ein solches Luftschiff
gab es im 17. Jh. nicht, es wirkt
einfach nur unglaubwürdig, ja sogar lächerlich – vor allem, weil es so schnell
und präzise fliegt wie ein Flugzeug -
und bringt der Geschichte nichts. Denn die Verfolgungsszenen wären genauso gut
mit Kutschen, echten Schiffen oder noch besser mit Reitszenen möglich gewesen.
Gut, auch Richard Lester in der ´Rückkehr der Musketiere´ griff 1989 auf einen
Heißluftballon zurück, wirklich neu ist die Idee also nicht, aber das macht sie
nicht besser. Schon in Lesters Film wirkte die Szene, wie sich Athos an dem
Ballon herabgleiten lässt, wie ein deplatzierter Versuch, Teile aus ´die tollkühnen
Männer in ihren fliegenden Kisten´ (Ken Annakin) in einem Musketierfilm unterzubringen.
Auch die Schnellfeuerwaffen und die Feuerwerfer dürften
gedankliche Anleihen an da Vinci sein, der ja den ersten Panzer erdachte, aber
auch sie wirken unglaubwürdig – diese Waffen gab es noch nicht und sie sind
unnötig. Auch mit den Waffen der Epoche wäre Action möglich gewesen. Aber das
ist nicht einmal der Hauptkritikpunkt, denn das ist nur Staffage und kann, bei
einer gut gemachten Handlung, durchaus vernachlässigt werden. Das Problem ist nur, dass die Handlung so sehr
geglättet wurde, dass von den Ideen Dumas´, ja von der gesamten Handlung nicht
mehr viel übrig ist.
Und dabei ist erstaunlich, dass sich die Geschichte trotz
der Behauptung ´alles noch einmal völlig neu´ machen zu wollen ziemlich dicht
an die Diamantspangenaffäre hält, die inzwischen jeder mit den Musketieren
verbindet. Nichts Neues also und relativ romangetreu, wo ist das Problem? Das
liegt im Detail, wie immer. Denn nur das grobe Handlungsgerüst ist
übriggeblieben, kurz gesagt: Der Kardinal Richelieu (Christoph Waltz) will Anna
von Österreich (Juno Temple) bei ihrem Gatten, dem König von Frankreich,
schlecht machen um diesen zu schwächen und selbst die Macht zu übernehmen.
Deswegen schustert er ihr gefälschte Briefe zu und lässt Buckingham (Orlando Bloom)
durch Mylady (Milla Jovovich) ebenjenes Diamantcollier überbringen, das die
Musketiere wieder holen müssen. Buckingham ist sauer und will sich rächen, er fährt
mit einer Armada nach Frankreich. Mehr nicht. Die Königin ist unschuldig,
Buckingham hatte nie ein Stelldichein mit ihr, die Intrige mit Mme de
Chevreuse, der Geliebten Aramis´, findet nicht statt, Constance Bonacieux ist
nicht verheiratet und wird nicht entführt, all die Details, all die
Handlungsfäden, die erstens zum Teil historisch sind und zweitens den Roman
spannend und die Charaktere tiefschichtig machen, wurden weggelassen. Warum
nur? Befürchtet der Regisseur, dass die Zuschauer eine komplexere Handlung
nicht verstanden hätten? Doch genau durch diese Reduktion wird die Handlung
unverständlich, denn ganz ehrlich, die Idee, die Königin in den Augen ihres
Gemahl durch ein paar Briefe und ein Collier herabzusetzen um selbst die Macht
zu übernehmen ist ein wenig … naiv. Und Richelieu konnte man viel vorwerfen,
aber Naivität gehörte sicher nicht dazu. Er wollte nie die Macht für sich
allein, er wollte einen starken Staat und eine Königin, die mit Spanien
kommunizierte, weil sie Spanierin war, und mit Buckingham, weil sie ihn … seien
wir vorsichtig, es ist nichts bewiesen … mochte, war eine Bedrohung. Dumas
unterstellt Richelieu auch eine Schwäche für die schöne Frau und demnach ein
wenig Eifersucht, wer weiß, aber er hätte ihm nie eine derart laue Intrige
unterstellt, wie dieser Film uns weismachen will.