Frauen bei Dumas und in den Musketier-Romanen

  • Tja, Bemerkung auf deinen Beitrag, Maren. Ich sollte vielleicht vorausschicken, dass ich nicht die Sattelfesteste bin in Bezug auf diverse fanfiction stories (jaja, ich schäme mich eh....;)), und auch mit dem Frauenbild des 19. Jahrhunderts habe ich eher wenig am Hut.
    Ich bin also fast rein auf meinen gesunden (?) Menschenverstand angewiesen, der hier angewendet Folgendes zu Wege bringt:


    Silvia hat schon festgehalten, dass zumindest Mylady eine wirklich ernstzunehmende und ernstgenommene Frau ist. Warum ist sie das? Sie hat sich ihre Stellung beim Kardinal erarbeitet, nachdem sie ziemlich unten angekommen war (Stichwort Lilie) und sich von allem und allen verlassen fühlte. Sie hat ihr Schicksal also selbst in die Hand genommen und was aus ihrem Leben gemacht. Wie würde man sie heute darstellen?
    Vielleicht wäre Mylady de Winter in einem gegenwärtigen Hollywood movie eine Auftragskillerin, die Möglichkeiten und erforderlichen Eigenschaften hätte sie ja. Nicht unbedingt eine, die die arge Drecksarbeit selber macht, aber die die Fäden in der Hand hält.


    Was wäre aus einer Person mit Myladys Eigenschaften und Ambitionen geworden, wenn SIE ein ER gewesen wäre? Gewiss, die ganzen Intrigen hätten so nie stattfinden können, aber abgesehen davon, hätte ER es noch viel weiter bringen können?
    Es ist ja auch ziemlich eindeutig, dass es sogar dem Kardinal vor so viel Kaltblütigkeit schaudert wie sie die Winter an den Tag legt. So gesehen entwickelt sie sich mit dem Alter hin zu einer immer dominanter werdenden Person, DER Schurkin im Roman.


    Worauf ich aber eigentlich hinauswollte, und mich irgendwie verplappert habe - die wichtigste Frage für mich:
    Wie hat es Mylady geschafft, sich diesen Rang zu erarbeiten? Eindeutig mit großer Hilfe und Einsatz ihrer weiblichen Reize. Die Männer ihrer Zeit waren eben nicht gefasst darauf, dass eine Frau einen derartigen Überblick und Gefühl für heikle Situationen besitzt.


    Hab ich schon erwähnt, dass Mylady eine Figur im Roman ist, die ich überhaupt nicht ausstehen kann? Nein? Jetzt hab ich's getan - ich weiß nur nicht wirklich, warum.

  • Zitat

    Die Männer ihrer Zeit waren eben nicht gefasst darauf, dass eine Frau einen derartigen Überblick und Gefühl für heikle Situationen besitzt.


    Hmm.... Das wage ich mal zu bezweifeln. Wie gesagt, zumindest das 17. Jh. kennt das Idealbild der femme forte (und ich gebe zu, Mme Coquenard in "Alès" bewußt als eine gewisse Karikatur dieses Ideals geschrieben zu haben), insofern glaube ich nicht, daß die Männer mit jemandem wie Mylady speziell in dieser Epoche nicht rechnen konnten - und das Bild der Frau, die ihre weiblichen Reize gerissen einsetzt, ist nun wirklich so alt wie die Menschheit (nicht umsonst erwähnt Monsieur de Tréville irgendwo d'Artagnan gegenüber die biblische Dalilah, die Samson, den Prototyp des "starken Mannes", zu Fall bringt). Was wir hier haben, ist also eher ein femme-fatale-Motiv, das ja auch im 19. Jh. nicht unbeliebt war - Mylady greift einfach an der Stelle an, an der Männer ihr nicht viel entgegenzusetzen haben. Interessant finde ich dabei, daß sie auch Frauen gut manipulieren kann (siehe Mme Bonacieux - aber gut, die war kein würdiger Gegner ;-)).

  • Hallo,


    ich möchte nur kurz was zu Lauras Beitrag sagen:
    Also, mir geht es so wie ihr, ich kann Mylady nicht im geringsten ausstehen, weil sie halt zu böse ist und keine schwache Seite hat außer de Wardes, ich finde sie irgendwie zu überzogen, zu clever, was sie aber auch sein sollte. Außerdem kümmert sie sich nicht um ihren wohlgeratenen Sohn *grummel*. Allerdings gibt es dort eine Gemeinsamkeit:
    Schaudert nicht auch Cromwell vor Mordaunt zurück und sagt sowas in der Art wie: "Er erschlug seinen Onkel"? *wuhaha*, natürlich kann ich Mordaunt bestens verstehen, aber es ist doch seltsam, dass beide so sind wie sie sind. Trotzdem kann ich Mordaunt sehr viel mehr leiden. Es gibt sogar sehr wenige Frauen, die böse sind und die ich gutfinde, während ich aber aus dem Stehgreif drei Dutzend Männer aufzählen kann in Büchern und Filmen, die ich toll finde. (Allen voran MW in diversen Filmrollen :wink: ).
    Liegt das wirklich daran, dass die Frauen immer noch in ihrer Rolle als nette Frau stecken und wir sie so sehen? Gibt es hier irgendeine Fanfiction mit einer wirklich bösen Frau? Vielleicht "Das Geheimnis der Katze"? Oder gibt es noch eine andere?


    Silke

  • Ich denke, die Sache mit dem "richtig böse" ist immer eine frage der Perspektive. Alle Charaktere, egal ob Männer oder Frauen, haben ja Motive nach denen sie handeln und sind in den Augen von anderen Charakteren vielleicht die "Bösen". So wie der Herzog von Silvia in ihrer "Belle" - naja, der Kerl hat auch wirklich einen fiesen Charakter, mit so einem Bösewicht kann man nicht mal Mitleid haben. Aber man kann ihn unglaublich genial finden, weil er so gerissen ist. :-D
    Die Mylady aus dem Buch... Ihr Charakter wird ja immer nur aus der Perspektive ihrer Feinde betrachtet, sehr oberflächlich und einseitig also. Darum scheint es, als hätte sie keine Schwächen und wäre einfach nur skrupelos. Vielleicht ist sie das ja auch tatsächlich, aber das kann man nicht objektiv bewerten, weil man immer nur diese eine Perspektive auf sie hat. Da gibt es nicht viel Charaktertiefe bei Dumas.
    Ich glaube, in unseren FF's gibt es keine "böse" Frau. "Böse" höchstens in dem Sinne, dass sie anderen Charakteren schadet, aber das ja nicht aus purer Boshaftigkeit, sondern weil es da auch Motive gibt. "Die Katze" von Sarah geht zwar ziemlich kaltblütig vor - aber wir erfahren auch viel von ihrer Vergangenheit, warum sie so ist, wie sie ist und wir können sogar Verständnis beim Lesen aufbringen.
    Bei Dumas' Mylady bekomme ich das Verständnis nicht beim Lesen, sondern wenn man hinterher drüber nachdenkt. Das finde ich schon ein großes Manko.


    Viele Grüße,
    Maren

  • hallo an alle - nachdem mich mein PC nun schon zum drittenmal beim Schreiben dieser Antwort aus dem Programm geworfen hat *zusammenknüllundausdemFensterschmeiss*, mache ich mich ein viertes Mal daran :evil: Soweit zur Technik, danke Silvia übrigens für deine Hilfe!!
    Zu dir Silke wollte ich sagen, dass ich die Schwester von Athos im Geheimnis der Katze nicht für eine böse Frau halte. Es ist ihr einfach übelst mitgespielt worden, aber letzten Endes lässt sie ja die Königin laufen, um den König der Bettler, mir fällt gerade sein Name nicht ein, zu retten. Mylady ist im Roman tatsächlich eine böse Frau, ich gestehe, dass ich ihr Verhalten gegenüber ihrem Sohn schrecklich finde. Aber -vielleicht hatte sie ja keine andere Wahl? Was macht denn Mme de Chevreuse? Besinnt sich gerade mal 15 Jahre später auf ihren Sohn und dann auch nur im zweiten Band. Um in der Intrigenwelt, in der die Damen nun mal lebten, überleben zu können, konnten sie sich wohl nicht den Luxus eines Kindes leisten. Athos hat die Möglichkeit, Raoul aufzuziehen, aber hätte Mylady diese Möglichkeit auch gehabt? Immerhin steht sie ja in Diensten Richelieus - "oh, entschuldigt, Herr Kardinal, kann ich Herrn Buckingham auch nächste Woche ermorden, mein Sohn ist nämlich gerade krank..."
    Interessant fand ich auch die Bemerkung von dir, Maike, dass in der Fanfiktion oft die "private" Seite der Herren ausgebaut wird. Übrigens ertappe ich mich gerade selbst dabei, ich schreibe nämlich gerade eine Geschichte und was kommt drin vor? - eben! :wink: Aber ich habe beim Lesen der Originalromane schon immer die spärliche Beschreibung von privatem als Mangel empfunden. Deshalb gefällt mir vielleicht auch "vingt ans après" am besten, weil da immerhin einiges über die Vaterschaft von Athos zu lesen ist und natürlich über seine Liaison mit der Chevreuse :) - die aber ausbaufähig wäre. Für mich werden die Herren einfach menschlicher und ihre Handlungen nachvollziehbarer. So war mit z.B. die Reaktion Athos auf das Brandmal immer ein bisschen ein Rätsel - wie kann man nur so überreagieren? Aber durch die Fanfiktion, ich glaube vor allem durch "belle aventure", ist mir ein bisschen klarer geworden, dass die Reaktion vielleicht doch nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen ist - wobei sie natürlich verdammenswert bleibt. Übrigens Maike, ich hab mich weggeworfen vor Lachen - ein windelwaschender d'Artagnan (würde hier gerne zitieren, aber dann schmeisst mich mein PC wieder raus) - einfach prima! Schreibst du da eine Geschichte drüber? Bitte :wink:
    Ich glaube, Dumas hätte schon das Potential gehabt, seine Helden mit mehr privatem - und wohl auch recht deftigem, denn er war ja selbst recht lebenslustig - auszustatten, aber dann hätte der Zensor ihn wohl mit seinem roten Stift aufgespiesst. Immerhin hat das "Siècle" ja schon die Schlafzimmerszene Mme de Chevreuse - Athos zensiert und unter anderem das Wort "Bett" gestrichen!!! Ich weiss allerdings jetzt nicht, ob man das in den Übersetzungen merkt.
    Eine Frage geht mir aber trotzdem noch im Kopf herum: gut, ich kenne Athos' Vorgeschichte, aber die ständige Beteuerung "von den Frauen kommt alles Übel" im ersten Band (ist jetzt kein Zitat, nur eine Zusammenfassung) und die implizite Zustimmung von Aramis und d'Artagnan, zumindest ab und an, wenn es gerade nicht so läuft, finde ich schon recht heftig. Athos ändert sich ja dann im zweiten Band, aber d'Artagnan behandelt Madeleine nun wirklich wie seine Haushälterin. Und fragt sie noch nicht mal, ob sie einverstanden ist, bevor er ihren Schweizer hinauskomplimentiert - nach mehrmonatiger Abwesenheit. Den hätte ich doch hochkant rausgeschmissen! Und was soll das - ein kleines Zimmer unterm Dach: also entweder lebe ich mit jemandem zusammen oder ich lasse es. Für Bett und Tisch ist gesorgt, den Rest brauche ich nicht? Na prima! So, jetzt habe ich mal zur Abwechslung unseren Gascogner demontiert ...
    Grüsse an alle, ich gehe wieder in Klausur und schreibe weiter - Kaloubet

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Zitat

    aber d'Artagnan behandelt Madeleine nun wirklich wie seine Haushälterin. Und fragt sie noch nicht mal, ob sie einverstanden ist, bevor er ihren Schweizer hinauskomplimentiert - nach mehrmonatiger Abwesenheit. Den hätte ich doch hochkant rausgeschmissen! Und was soll das - ein kleines Zimmer unterm Dach: also entweder lebe ich mit jemandem zusammen oder ich lasse es. Für Bett und Tisch ist gesorgt, den Rest brauche ich nicht? Na prima! So, jetzt habe ich mal zur Abwechslung unseren Gascogner demontiert ...


    Ich habe das entsprechende Kapitel gerade noch mal gelesen und mich wirklich köstlich amüsiert (auch mit der deutschen Ausgabe :-D). Ganz zu Beginn des Kapitels wird übrigens erklärt, warum sich d'Artagnan so derb benimmt.
    Natürlich fragt er nicht, ob Madeleine damit einverstanden ist, dass er den Schweizer aus seinem alten Zimmer vertreibt. Tja, so ist das, wenn man für tot gehalten wurde und dann doch plötzlich wieder auftaucht. Besser ist da doch der Anfang, wo er Madeleins Ehemann erst einmal vertreibt. Die arme Haushälterin - oder war ih das gar nicht so unrecht? Am Ende vertragen sie sich ja doch wieder und ich denke "den Rest brauche ich nicht" ist nicht ganz richtig.
    Ich hätte den Herren allerdings auch hochkant rausgeworfen. So ein Schuft! :motz:
    Hm, einfach zum Gern haben. :mrgreen:
    Demontiere bitte noch ein bißchen weite, ich kann Dir nur Recht geben. Im ersten Buch ist d'Artagnan nicht sonderlich nett mit seinen Frauen. Im Zweiten geht das doch noch, ich kann mich jetzt zumindest nicht daran erinnern, dass er seine Haushälterin betrogen hätte - er will sie nur nicht gleich heiraten. :-D


    Viele Grüße,
    Maren

  • Kleine Anmerkung zu den Fragen der Mutter-Sohn-Beziehung... Sehr sympathisch finde ich die Nachlässigkeit beider Damen auch nicht, aber das könnte bis zu einem gewissen Grade auch zeitbedingt sein, bzw. eher an der Meinung liegen, die vielleicht das 19. Jh. mit seiner Aufwertung bürgerlicher Familienwerte vom 17. Jh. in dieser Beziehung hatte. Zumindest in der Schicht, der Mme de Chevreuse und Mylady (wenn auch gewissermaßen an verschiedenen Punkten der Bandbreite von "Adel") angehören, war das "Abladen" der Beschäftigung mit den eigenen Kindern auf Ammen, Kinderfrauen, etc. ja nicht unüblich - deshalb ist es von der zumindest möglichen emotionalen und räumlichen Distanz in einer "normalen" Familie der Zeit und sozialen Situation bis hin zu dem wirklichen Im-Stich-Lassen, um das es hier geht, vielleicht ein geringerer Schritt, als es das wäre, wenn man von einer wirklich engen Mutter-Kind-Beziehung, in der die Mutter Hauptbezugsperson für das Kind ist,ausgeht.
    Das soll jetzt nicht heißen, daß es im Adel des 17. Jhs. keine engen Eltern-Kind-Beziehungen gegeben hätte - bei Mme de Sévigné hat man ja z.B. den Eindruck, daß sie zu ihren Kindern ein sehr enges, gutes, vertrauensvolles Verhältnis hatte. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß die "akzeptierte" Variationsbreite damals zumindest in bestimmten Schichten vielleicht größer war als heute.
    Zumindest was Mylady angeht (immerhin kann sie ja davon ausgehen, daß ihr Sohn als ehelich gilt, solange ihre erste Ehe nicht aufgedeckt und die Bigamie ruchbar wird), ist ihr Verhalten also zwar nicht unbedingt sympathisch, aber vielleicht aus einem bestimmten "mindset" heraus erklärlich - während Raouls ganze "Entstehungsgeschichte" und das, was weiter bei ihm passiert, eigentlich bei keinem der Beteiligten auf irgend etwas, das zu irgend einer Zeit die Krönung von Moral und Anstand gewesen wäre, schließen läßt... ;-)


    P.S.: kaloubet, wenn ich mal ganz viel Zeit habe, kann ich mir den windelwaschenden d'Artagnan ja mal vornehmen! ;-)

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