Hallo,
auf Heikes Anregung eröffne ich nun ein neues Thema zur Darstellung der einzelnen Charaktere in den Filmen (denn die trägt zwar vielleicht beim einen oder anderen dazu bei, einen Film zum Lieblingsfilm zu machen, ist aber ja irgendwo ein eigenes Thema wert).
Generell bin ich immer noch der Meinung, daß die 61er Verfilmung im Großen und Ganzen die Charaktere am Besten und Differenziertesten zeichnet - sogar den Nebenfiguren (etwa den Dienern, aber auch z.B. Tréville) wird diese Verfilmung relativ gut gerecht. Einziges Manko ist vielleicht wirklich die Darstellung Rocheforts, da sich seine angebliche Verliebtheit in Mylady so aus den Büchern nicht gerade ableiten läßt, doch vielleicht dient diese Nebenhandlung auch nur dazu, ein tatsächliches Charakteristikum Rocheforts besser darzustellen: Er ist doch letztendlich nur der "Zweitschurke" (was ihm zur Ehre gereicht, schließlich ist er kein Bösewicht), der zwar der beste und verläßlichste Mann des Kardinals ist, aber immer ein wenig gegen die brilliante Schuftin Mylady verblaßt und gelegentlich auch Fehler begeht (man denke nur an "Armentières").
Die einzige Verfilmung, die etwas vergleichbares leistet, ist die alte von Henri Diamant-Berger (ein "Muß" - es gibt sogar eine hervorragend interpretierte, intrigante Mme de Chevreuse!).
Die Zeichnung der Charaktere in der Lester-Verfilmung gefällt mir dagegen nicht - sofern sie überhaft vorhanden ist. Die Charaktere verkommen zu sehr zu Stereotypen, D'Artagnan = Bauerntölper, Athos = Trinker, König = dekadenter & degenerierter Schwachkopf, etc. Das wird Dumas' differenzierter Charakterzeichnung, die ja letzendlich den Reiz des Buches ausmacht (sonst würden wir uns doch nicht so für seine Helden begeistern und Fanfiction schreiben!), nicht gerecht, so nahe die Verfilmung auch handlungsmäßig dem Buch zu folgen versucht. Eine einzige Ausnahme stellt vielleicht der Kardinal dar, der gar nicht übel getroffen wurde.
Diese Verfilmungen sind die Einzigen, bei denen ich ein Gesamturteil - "durchgängig gut", bzw. "durchgängig schlecht" - vergeben möchte.
Bei den meisten übrigen Filmen ist die Charakterzeichnung von Figur zu Figur verschieden gut gelungen.
Um zuerst auf den unbekanntesten zu kommen, den im Grunde indiskutablen neuen "The Musketeer"-Film: Die meisten Charaktere (allen voran die Helden) sind vollkommen verzerrt dargestellt und passen auf Rollenstereotypen, aber dafür hat dieser Film einen wunderbar differenzierten Rochefort (der in fast jeder Kritik übersehen wird) - obwohl er eine absolute Nebenrolle hat, bringt er es fertig, gleichzeitig schurkisch, fehlbar, humorvoll, elegant, dem Kardinal nah und am Ende - wenn er fast als Einziger versucht, sich dem eigentlichen Schurken dieses Films, einem gewissen Fèbre, in den Weg zu stellen - auch mutig und ehrenhaft zu sein. Wenn alle Charaktere in diesem Film so perfekt gezeichnet und gespielt wären, wäre er ein Meisterwerk geworden.
"D'Artagnans Tochter" wurde schon angesprochen - ich muß Heike zustimmen, Aramis und d'Artagnan sind besser als gut getroffen... Auch Ludwig XIV. finde ich überzeugend interpretiert, und über den etwas schwer einzuordnenden Athos (ja, er _hat_ ein paar schöne Sätze in diesem Film!) sind wir uns wohl alle einig. Da dieser Film aber auch keine Verfilmung im strengen Sinne ist, darf man aber vielleicht auch nicht allzu strenge Maßstäbe anlegen.
In der Gene-Kelly-Verfilmung ist Athos (trotz seines nicht gerade ansprechenden Äußeren) ganz gut interpretiert - gerade sein Abschied von Mylady ist eindrucksvoll... Auch d'Artagnan ist nicht schlecht getroffen, aber die anderen beiden Musketiere verblassen etwas, und, nun gut - andere Leute sind so gut wie nicht vorhanden... (z.B. Rochefort) - dafür ist aber Tréville ganz brauchbar und nicht ein bloßer Statist wie etwa bei Lester. Was ich an diesem Film herrlich fand ist die beschränkte, treudoofe, wohlmeinende Constance (wenngleich einen natürlich jedesmal wieder zum Lachen bringt, daß sie d'Artagnan _heiratet_!), der man es wirklich abnimmt, daß sie Mylady auf den Leim geht.
Die 93er Verfilmung hat einen herrlichen Porthos - großes Kompliment an Oliver Platt! - und einen immerhin brauchbaren Athos. Wenn man die Aussehens-Diskussion einmal außer acht läßt, muß man einräumen, daß der Film wenigstens einige wichtige Züge an Athos' Charakter - seine Opferbereitschaft, sein persönliche Vorlieben übersteigendes Rechtsdenken, etc. - ganz gut zum Ausdruck bringt. Aramis dagegen überzeugt nicht völlig - er wirkt nicht wirklich hin- und hergerissen und auch nicht sonderlich intrigant... Nun ja, und Rochefort? Er hat mit seiner Vorlage im Buch wohl das Allerwenigste zu tun... Wenn im Buch Mylady die gewissenlose Schurkin ist, Rochefort dagegen der noch halbwegs ehrenhafte Gegner, dann sind hier die Rollen eindeutig vertauscht. Nun zum König... Ich weiß, daß niemand ihn in dieser Verfilmung leiden mag, und ich gebe zu, daß er nicht gerade eine Schönheitskonkurrenz gewinnen könnte und mit Dumas' Louis wenig gemein hat - aber vielleicht ist er bis zu einem gewissen Grade von seinem historischen Vorbild inspiriert. Die Handlung des Films ist so, wie sie ist, abstrus - aber hat schon einmal jemand darüber nachgedacht, daß sie in sich durchaus schlüssig wäre, wenn man sie einige Jahre vorverlegte, einiges etwas abmilderte und Richelieu durch Concini ersetzte? Dann wäre die Emanzipation des jungen Königs durchaus glaubwürdig - und auch die Ermordung des machtgierigen Ministers und die diffusen Verweise auf ein Intrigenspiel schon zur Zeit Henri IV. würden etwas Sinn gewinnen... Insofern - Ehrenrettung für Louis!
Das ist alles, was mir im Augenblick einfällt - aber ich hoffe auf die Meinungen der Anderen!
Viele Grüße
Maike