Diskussionen zwischen Athos und Raoul

  • Ich habe endlich diese Stelle gefunden, die ich suchte: Die Stelle, an der Athos und Raoul über die folgenden Jahrhunderte sprechen und in der Raoul die These aufstellt, dass die Könige in der Zukunft kleiner erscheinen würden als die Menschen. Athos gibt ihm Recht! `Die Könige werden ihr Prestige verlieren wie die Sterne, deren Zeit abgelaufen ist, ihr Funkeln.´ Er sagt ihm dann zwar noch, dass sie dann schon tot sein werden und jeder in seiner Zeit leben muss, aber ich finde diese These trotz allen recht revolutionär. Athos erkennt, dass es eine Zeit geben wird, in der Könige nichts mehr gelten, kurz vorher hat er seinem König die Treue aufgekündigt ... man hört regelrecht die Marseillaise!

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • @Kalou


    Danke für diese Info, diese Stelle kannte ich natürlich nicht, weil sie im gekürzten Roman so nicht vorkam. Ich finde es sehr interessant, dass ausgerechnet der zur Königstreue erzogene Raoul prophezeit, dass es eine Zeit geben wird, in der die Könige kleiner erscheinen würden...und dass Athos ihm auch noch Recht gibt, ist ja ein gutes Zeichen für dessen Wandlung. Das macht Athos wieder sympathisch, dass er seinen Sohn über den König stellte, Raoul zuliebe Louis seine Loyalität aufkündigte. Und es erscheint einem fast so, als würden Raoul und Athos schon ahnen, was fast zweihundert Jahre später geschieht. Und in gewisser Weise wurde der Grundstein für die Revolution ja schon zu Zeiten der Herrschaft König Louis XIV gelegt, denn von da an begannen die Menschen das Königtum in Frage zu stellen, das hat Dumas ja dann sehr gut rübergebracht.
    In der deutschen Ausgabe wechseln Raoul und Athos gerade einmal zwei Sätze miteinander, da erfährt man nicht wirklich viel über die Diskussionen der beiden, deswegen halte ich diesen Thread für eine gute Idee.
    Gab es eigentlich im Buch auch Szenen, in denen Raoul und Athos nicht einer Meinung waren und in Streit gerieten?

  • Streit nicht wirklich. Aber genau an dieser Stelle diskutieren sie auch über Louise und Athos nimmt sie sogar Raoul gegenüber in Schutz! Er sagt, sie liebe den König wirklich, als Raoul sie als lasziv und scheinheilig darstellt, deswegen solle Raoul auch nicht zu schlecht über sie urteilen. Es tut ihm zwar in der Seele weh, so etwas sagen zu müssen, aber er sieht halt, dass es stimmt. Raoul stürzt aus dem Raum und kommt erst später zurück, küsst seinem Vater dann demütig die Hand - "Raoul, lui, n’écoutait que sa faiblesse, et il n’avouait que sa douleur" - er hörte nur auf seine Schwäche und gestand sich nur seinen Schmerz.
    Und dabei versucht Athos, ihn zu überzeugen, dass eine erste Untreue oft vorkommt, dass niemand je geliebt hat ohne sie zu kennen - an der Stelle wird auch gesagt, dass er ihm aus seinem Leben erzählt, allerdings nicht, was er sagt.

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  • @Kalou


    Also von dieser Stelle bin ich wirklich überrascht...ich hätte es eher umgekehrt erwartet, dass Raoul Louise trotz allem noch in Schutz nimmt und Athos auf sie schimpft. Schade, dass diese Stellen gekürzt wurden, denn es macht doch Athos Wandlung auch sehr deutlich. In "Die drei Musketiere" wird Athos noch als Puritaner bezeichnet, der es sehr streng mit allem was moralische Maßstäbe betrifft, nimmt, da ist es erstauntlich, dass er für Louise Verständnis zeigt, aber es macht ihn auch wieder sympathisch.
    In "Die drei Musketiere" hätte er bestimmt noch kein Verständnis gezeigt und Louise dafür verachtet, dass sie sich dem König zuwandte. Wenn Louise Raoul trotzdem geheiratet hätte, wäre ja dabei bestimmt auch nichts Gutes herausgekommen, womöglich hätte Raoul dann in dieser Ehe sogar die Kinder des Königs großziehen müssen.
    Es ist ja zu vermuten, dass er Raoul dann von der Geschichte mit Mylady erzählte, denn die Geschichte mit der Chevreuse wird er seinem Sohn gegenüber sicher nicht erwähnt haben.
    Aber Athos Gespräch mit Raoul konnte ja leider nichts mehr bewirken, und er ging trotzdem nach Afrika. Wie war das denn in Toulon, hat Athos da keinen letzten Versuch unternommen, Raoul doch noch zum Bleiben zu bewegen?

  • Nein, er hat eingesehen, dass das nichts mehr bringt. In der letzten Nacht, die die beiden miteinander verbringen, bittet er ihn zwar, an ihn, Athos, zu denken, ihm auch zu schreiben, falls ihm etwas geschähe, ein wenig, als wolle er die Augen vor dem Entschluss seines Sohnes verschließen. Aber er bittet ihn nicht, nicht zu gehen. Und während der Diskussion ist auch klar, dass er sagen kann, was er will, Raoul ist nicht mehr umzustimmen.

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  • @Kalou


    Interessant..ich denke, ich werde über diese letzte Nacht auch mal eine Kurzgeschichte schreiben, und dabei ein wenig von der Vorlage abweichen, der Frage nachgehen, ob Athos Vesuch, Raoul von der Abreise abzuhalten hätte gelingen können.
    Ich wundere mich ja, dass Athos Raoul nicht anbot, ihn nach Afrika zu begleiten, vielleicht hätte er ihn auf dem Weg dorthin noch aufhalten können. Aber er ging wohl wirklich aus Furcht, Raouls Ende mitansehen zu müssen, nicht mit.

  • Eben. das sagt er ja d´Artagnan auf St. Marguerite, dass er ihn nicht sterben sehen will, in dieser wirklich großartigen Szene ...

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  • So, auch diese Disskusion kann ich mir nicht entgehenlassen....
    Am besten ich fange dort an wo aufgehört wurde.
    Du meinst die Szene wo d'Artagnan meint das Athos ja schon alles gesehen hat aber seinen eigenen Sohn nicht sterben sehen kann oder?
    Wenn die gemeint ist kann ich nur zustimmen. Die Szenen ist wirklich....großartig. Ich glaube nicht das großartig das richtige Wort ist die Szenen ist..
    Ok egal. :D
    Lg fleur

  • :thumbsup: Genau die meine ich. Warum sollte man sie nicht als großartig bezeichnen? Großartig geschrieben, nicht unbedingt großartig für die Protagonisten ;) - dass Athos - Athos! - erklärt, er würde seinen Gott verfluchen, wenn er zuließe, dass sein Sohn oder sein Freund in seiner Gegenwart stürbe ... *Gänsehaut*

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  • Fleur


    Woher kennst du denn die Stelle? Hast du den Roman auf Französisch gelesen, oder hast du ihn irgendwo auf Deutsch entdeckt?
    Falls ja, kannst du mir verraten, wo man noch deutschsprachige Ausgaben bekommt? Ich würde die Stelle auch auch soo gerne mal lesen.


    @Kalou


    Das erklärt auch die Stelle im VdB, als Athos sagt "Raoul oder Gott, Gott oder Raoul, bald wird es sich entscheiden...", diese Stelle versteht man dann auch erst, wenn man die Stelle mit Athos kennt. Mir ists unbegreiflich, wie man einen Roman um zwei Drittel gekürzt auf den Markt bringen kann, denn dadurch ist er völlig aus dem Zusammenhang gerissen.

  • @Kalou


    Ich hab den Satz mal rausgesucht...der ist aus der Ausgabe vom AV Verlag:


    Die Stelle stammt aus einem Gespräch, das Athos mit dem Arzt führt, den man zu ihm geschickt hat.


    Arzt:"Herr Graf, Ihr Sohn ist stark und er hat eine schöne Zukunft vor sich, wie Sie Leuten von seinem Verdienst und seinem Blut zukommt. Leben Sie für ihn."


    Athos: "Aber ich lebe doch, Doktor. Natürlich werde ich leben, solange er lebt."


    Arzt: "Was sagen Sie da?"


    Athos: "Etwas sehr Einfaches. In diesem Augenblick, Doktor, ist das Leben gewissermaßen ausgeschaltet. Gleichgültig, vergesslich scheinen, das ginge über meine Kräfte, das will ich nicht versuchen. Sie dürfen von der Lampe nicht verlangen, dass sie brennt, wenn der Funke nicht den Docht berührt hat. Ich vegetiere einstweilen, ich halte mich bereit, ich warte. Erinnern Sie sich, Doktor, wie wir Soldaten leben, wenn wir im Hafen darauf warten, an Bord gebracht zu werden. Wir sind halb an ein, halb an das andere Element gefesselt, gehören weder zum Ort an dem wir uns aufhalten, noch an jenem dem wir zustreben. Wir warten nur. So lebe ich jetzt. Ich bin wachsam, höre auf alles, was mir zukommt, will immer bereit sein, auf den ersten Ruf. Wer wird nach mir verlangen? Das Leben oder der Tod? Raoul oder Gott? Mein Gepäck ist bereit, ich warte nur auf das Signal."


    Kommt die Stelle in der Form bei dir nicht vor? Die Ausgabe hat gut 540 Seiten, da ist es gut möglich, dass sie wohl einiges umgeschrieben oder geändert haben.

  • Ja, stimmt, an das Gespräch mit dem Arzt habe ich nicht gedacht. Da ist ja sein Leben in der Schwebe und er wartet auf ein Zeichen ... doch, das ist in meiner Ausgabe drin ;) .

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