Joseph Balsamo (Joseph Balsamo/Cagliostro) - 1. Teil der Mémoires d'un médecin (Denkwürdigkeiten eines Arztes)

  • Wie an anderer Stelle bereits angekündigt, eröffne ich hier nun ein Thema für den Roman "Joseph Balsamo". Ich lese derzeit die sehr gute zweibändige deutsche Ausgabe aus dem Fischer Taschenbuch Verlag von 1992, Übersetzung von Xénia Gharbi, die unter dem Titel "Cagliostro" erschienen und antiquarisch noch gut erhältlich ist. Den ersten Band (ca. 650 Seiten) habe ich nun durch. Verglichen mit dem Dumas-Roman, den ich zuvor gelesen habe ("La Reine Margot"/"Die Bartholomäusnacht") handelt es sich hier um eine ganz andere Art von Erzählung, die zunächst einem wesentlich langsameren Rhythmus gehorcht (was nicht heißt, dass es nicht spannend zugeht). Dumas entwirft hier ein großes Panorama des vorrevolutionären Frankreichs, insbesondere des vorrevolutionären Paris, mit dem Ziel, in weiteren Fortsetzungen die Handlung bis in die Revolution weiterzutragen. Hierzu benutzt er sowohl historische Figuren als auch erfundene. Von der zeitlichen Abfolge der historischen Ereignisse weicht Dumas gelegentlich ab, wenn es für die Dramaturgie besser passt. So verlegt Dumas die Vorstellung der Madame Dubarry bei Hofe aus dem Jahre 1769 in das Jahr 1770, wenige Tage vor die Ankunft Marie Antoinettes, und schafft damit im Kontext ein Spannungsmoment, da Marie Antoinettes Ankunft eine Gefahr für die Pläne der Dubarry darstellt. Miteinander verbunden sind verschiedene Schicksale: Da ist einmal die Titelfigur, Joseph Balsamo, der bei Dumas zum Haupt einer großangelegten Freimaurerverschwörung wird, die knapp 20 Jahre vor der Revolution damit beginnt, dieses weltgeschichtliche Ereignis vorzubereiten. Cagliostro scheint über übernatürliche Fähigkeiten zu verfügen, wobei verschiedene Dinge damit erklärbar sind, dass er durch seine geheimbündlerischen Aktivitäten über schier unbegrenzte Geldmittel verfügt (so "macht" er z. B. für den Kardinal Rohan Gold), andere seiner Fähigkeiten (etwa mittels geeigneter Medien hellzusehen) werden hingegen nicht auf natürliche Weise erklärt (was vielleicht als Schwachpunkt des Romans anzusehen ist). Dann erleben wir die verarmte Adelsfamilie Taverney, die durch die Hochzeit des Dauphins aus der Provinz ins Zentrum der Macht und des Geldes gerückt wird. Eigentliche Hauptfigur des Romans ist ein junger Mann namens Gilbert, der vom Gedanken der Freiheit und Gleichheit beseelt (er hat die Schriften Rousseaus studiert) seinen Weg als Arzt machen möchte und den Taverneys, in deren Diensten er stand, um der Liebe zu deren schöner, aber im Ancien Régime unerreichbarer Tochter willen, bis nach Paris folgt. Und schließlich handelt der Roman von den "großen" Personen der Zeit: Dumas schildert den ewig gelangweilten Ludwig XV., dessen größte Sorge es ist, für irgendeine Entscheidung verantwortlich zu sein, seine Mätresse Madame Dubarry, die alles tut, um offiziell bei Hofe vorgestellt zu werden (offenbar nicht so einfach in den verknöcherten Riten des Hofes) und schließlich den Dauphin und seine Braut (denen Dumas bis in die Hochzeitsnacht folgt). Die bisher von mir "erlesene" Handlung stellt die Personen vor und bereitet offenbar die Bühne für das große Revolutionsdrama, das sich, will man Dumas glauben, schon durch unheilvolle Vorzeichen im Zusammenhang mit der Hochzeit des Thronfolgers andeutete. Die Liebe des jungen Gilbert zu seiner angebeteten Adligen sorgt für kolportagehafte Verwicklungen und Zufälle und das Auftreten verschiedener Nebenfiguren (Rousseau, der junge Marat) sorgt für zusätzliche Würze. Mir bereitet der Roman bisher großen Spaß, auch wenn man sich bei einigen der Verwicklungen in einen Lieferungsroman von Karl May versetzt fühlt (allerdings hat Dumas den Vorzug, dass er nicht wie Karl May zwischendurch völlig den Faden verliert, was vielleicht daran liegt, dass Dumas sich nicht alleine durchwurschteln musste). Heute habe ich mit dem zweiten Band begonnen und werde demnächst dann weiter berichten.

  • @Charlie


    Danke für diese tolle Zusammenfassung, so kann ich mir schonmal ein Bild von dem Roman machen, ich habe jetzt auch richtig Lust bekommen, diese Romane zu lesen.
    Ich bin mit der Bartholomäusnacht schon fast zu zwei Dritteln durch, und ich werde so bald wie möglich mit Cagliostro anfangen.
    Und danke dass du die Hauptfiguren alle zusammengefast hast..jetzt bin ich richtig im Bilde und kenne sie schon ein wenig wenn ich den Roman dann anfange. :)
    Deiner Beschreibung gemäß, scheint es ja auch wieder ein Roman zu sein, in dem es viele Hofintrigen gibt, das höfische Leben mit all seinen Tücken hat Dumas ja in den Musketieren und der Bartholomäusnacht schon sehr gut beschrieben.
    Ich fände es toll, wenn du auch zum zweiten Band etwas schreibst wenn du damit fertig bist. :)
    Wenn ich die Bände gelesen habe, werde ich dann auch etwas dazu hier reinschreiben.

  • Oh ja, Hofintrigen gibt's reichlich. Im Grunde kreist dieser ganze dekadente Königshof nur noch um sich selbst und seine Eifersüchteleien, Intrigen und Skandale. Die Probleme des Landes hingegen werden bei Hofe nicht wahrgenommen. Während eine Katharina de' Medici in der "Bartholomäusnacht" noch echte Politik betrieb, erscheint Ludwig XV. nur noch als kraftloser Abklatsch, man möchte fast sagen Karikatur, seines Urgroßvaters Ludwig XIV., was sich auch darin ausdrückt, dass sich z. B. Marie Antoinette nach ihrer Ankunft in Versailles entsetzt darüber äußert, wie sehr doch Versailles bereits seit den Zeiten des Sonnenkönigs verfallen sei. Marie Antoinette meint damit den Park, die Statuen, die Gebäude, Dumas aber, so denke ich, meint den ganzen verrotteten Staat, indem er die Frau des Thronfolgers so sprechen lässt.

  • @Charlie


    Das ist mit ein Grund, warum ich Dumas Romane so gerne mag, ich finde diese Hofintrigen sehr spannend, und kaum einer hat sie so gut geschrieben wie Dumas, das fiel mir schon bei den Musketieren auf, und in der Bartholomäusnacht war ich auch begeistert davon, wie er das Hofleben mit allen Intrigen beschriebe hat...da möchte man gar nicht mehr aufhören zu lesen...das ist der beste Roman über Katherina di Medici, Henri IV und die Bartholomäusnacht, den ich je gelesen habe. Ich war etwas überrascht, dass die Bartholomäusnacht auf nur knapp zweihundert Seiten abgehandelt wird am Anfang...in den meisten Romanen kommt sie ja am Ende. ABer ich fand es gut so, und mir gefallen die Dialoge innerhalb der königlichen Familie wie beispielswiese Katherina/Henri oder Marguerite//Henri, da merkt man wieder einmal, dass Dialoge Dumas Stärke gewesen sind :thumbup:
    Louis XV kenne ich aus anderen Romanen als schwachen Herrscher...der später sogar seine Gefangenschaft mit Gleichmut hinnahm und rasch resignierte...und in den meisten Romanen übernahm dann Marie Antoinette das Zepter und Louis, der selbst nicht wusste wie er regieren sollte, verließ sich auf seine Frau. Mir kam er in Romanen immer wie ein hilfloser kleiner Junge vor..war das hier auch so?
    Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass Dumas damit den verrotteten Staat und nicht den Park meinte...ich habe einmal gelesen, dass die Monarchie schon bei Marie Antoinettes Ankunft in VErsailes finanziell längst nicht mehr so gut dastand wie zu Zeiten des Sonnenkönigs.

  • Halt, Ludwig XV. ist nicht derjenige, der später in Gefangenschaft gerät, das ist sein Nachfolger und Enkel Ludwig XVI., der in dem Roman noch als Dauphin Marie Antoinette heiratet. Der Roman "Cagliostro" spielt noch bevor Ludwig XVI. König wird.

  • @Charlie


    Oops..da hab ich wohl was durcheinandergebracht..jetzt fällt es mir wieder ein...war Louis XV nicht der Urenkel von LOuis XIV, der mit fünf Jahren König wurde? Und war seine Mätresse nicht Madame Pompadour?
    Ich sollte wirklich den Roman lesen, denn über diesen König weiss ich wirklich nicht mehr als diese beiden Dinge. :whistling:

  • Genau, Ludwig XV. kam als Kind auf den Thron und regierte dann - ebenso wie sein Urgroßvater - schier ewige Zeiten. "Cagliostro" spielt in seinen letzten Lebensjahren und Madame Pompadour wurde bereits durch die berühmt-berüchtigte Madame Dubarry abgelöst, die auch in dem Roman eine intrigante Rolle spielt.

  • @Charlie


    Ja, Louis XV hat ja immerhin über 55 Jahre regiert, oder waren es sogar sechzig? Den Sonnenkönig hat ja noch niemals ein Monarch übertroffen was die Regierungszeit betrifft...Louis XIV hält bis heute den Rekord des mit 72 Jahren Regentschaft am längsten amtierenden Monarchen. Und heute, im 21. Jahrhundert kann auch niemand mehr diesen Rekord brechen, da die meisten heute erst mit fünfzig, sechzig Jahren König oder Königin werden.
    Mir taten die beiden immer sehr leid, weil sie schon so jung König waren, eine normale Kindheit hatten Königskinder sicherlich nie, aber diese beiden hatten erst recht keine, weil sie schon so jung König wurden. Sie regierten zwar noch nicht selbst in dem Alter, aber es dürfte dennoch eine Kindheit inmitten einer Schlangengrube von Hofintrigen gewesen sein.
    Um nochmal auf Karl IX zurückzukommen...ich finde Dumas hat in seinem Roman sehr deutlich gezeigt, wie unglücklich manche MOnarchen vielleicht mit ihrem Los waren..da gab es doch diese eine Stelle, an der Karl mit Henri den Louvre verlässt, um ihm das Leben zu retten, nachdem er seines gerettet hat, und ihm dann gesteht, dass er sich wie befreit fühlt, wenn er mal den Louvre verlassen kann.
    Was Madame Dubarry betrifft, da habe ich mal den Roman "Die Lilie von Versailles" gelesen, in dem es um Marie Antoinette ging, und in diesem Roman sitzt sie am Totenbett ihres königlichen Geliebten und stiehlt seinen Schmuck von den Fingern, wobei sie von der empörten marie Antoinette gestört wird.

  • Nun, was Madame Dubarry und Marie Antoinette betrifft: Bereits im ersten Band von "Cagliostro" deutet sich an, dass die beiden auch bei Dumas keine Freundinnen werden. Bin schon sehr gespannt, wie es im zweiten Band weitergeht.


    Eine Abweichung zur echten Historie hat sich Dumas im Zusammenhang mit Madame Dubarry erlaubt: Im Buch hat sie einen Bruder Jean Dubarry, der sie unterstützt. Tatsächlich aber war Madame Dubarry gar nicht mit dem Namen Dubarry (bzw. du Barry) geboren, sondern hat ihn erst durch Heirat mit einem Guillaume du Barry erlangt. Diese Heirat kam wiederum auf Vermittlung von dessen Bruder Jean-Baptiste du Barry zustande, der dem König seine Schwägerin als neue Mätresse andiente, um Pluspunkte beim König zu sammeln. Der sogenannte "Bruder" bei Dumas war im echten Leben also tatsächlich der Schwager. Von einem Ehemann ist bei Dumas auch nicht die Rede. Vielleicht wäre das alles für einen Unterhaltungsroman in der damaligen Zeit zu skandalös gewesen...

  • @Charlie


    Danke für die Info, das ist sehr interessant...da hat Dumas wolh die historischen Fakten ein wenig umgemodelt und einen Bruder für Madame Dubarry erfunden. Dass königliche Mätressen einen Ehemann hatten, kam ja damals häufiger vor. Die Ehemänner wurden dann meist vom König mit irgendwelchen Privilegien ruhigegestellt.
    Ja....damals waren die Menschen ja doch noch sehr prüde, da wäre es wahrscheinlich undenkbar gewesen, dass in einem Roman eine verheiratete Frau zur königlichen Mätresse gemacht wurde.
    Wie war das eigentlich bei der historischen Madame Dubarry, wie reagierte ihr Mann darauf, als sie königliche Mätresse wurde`? Oder war sie zu dem Zeitpunkt schon Witwe?

  • Ich muss gestehen, dass ich auch nicht so detailreich die Biographie der Dubarry (oder auch du Barry) kenne. Offenbar hat Jean-Baptiste du Barry die Heirat der Marie-Jeanne Bécu (so hieß die Dame mit Geburtsnamen) mit seinem Bruder von vorneherein mit dem Ziel arrangiert, sie danach dem König als Mätresse zuzuführen. Als Schwager der Mätresse konnte er dann selbst gewisse Vorzüge genießen. Es kann also gut sein, dass es sich nur um eine Art "Scheinehe" handelte, aber da müsste man mal in eine Biographie der Dubarry schauen.


    Noch eine interessante Abweichung ist mir aufgefallen: Im Roman wird berichtet, dass das erste Zimmer, das Marie Antoinette auf ihrer Reise nach Paris auf französischem Boden bewohnte (auf einer Rheininsel bei Straßburg, wo die offizielle "Übergabe" der Dauphine stattfand), mit einer Tapete geschmückt war, die ausgerechnet den Kindermord von Bethlehem thematisierte. Dies wird als unheilvolles Vorzeichen gedeutet. Nun habe ich vor einigen Jahren Goethes autobiographisches Werk "Dichtung und Wahrheit" gelesen. Goethe berichtet darin, dass er sich gegen ein kleines Bestechungsgeld Zutritt zu den Räumlichkeiten Marie Antoinettes auf dieser Rheininsel verschaffen konnte, um sie zu besichtigen. Nach Goethe aber stellten die Wandbehänge die Geschichte von Jason, Medea und Creusa dar, "also ein Beispiel der unglücklichsten Heirat", wie Goethe kommentiert. Goethe beschreibt diese Bidler und fährt fort: "Was!" rief ich aus, ohne mich um die Umstehenden zu bekümmern, "Ist es erlaubt, einer jungen Königin das Beispiel der grässlichsten Hochzeit, die vielleicht jemals vollzogen worden, bei dem ersten Schritt in ihr Land so unbesonnen vors Auge zu bringen!" Auch Goethe also sah in dem Wandschmuck ein unheilvolles Vorzeichen, nur spricht er von einem anderen Motiv. Hier vertraue ich eher auf Goethe, der als Augenzeuge berichtet (auch wenn man nicht alles, was in "Dichtung und Wahrheit" steht für bare Münze nehmen darf) und frage mich, was Dumas zu der Änderung veranlasst haben könnte. Waren da religiöse Motive im Spiel, die ihn dazu brachten, statt einer antiken Sage eine Geschichte aus der Bibel anzuführen? Oder war es vielleicht einfach die Rücksicht auf seine Leser, die mit dem Kindermord in Bethlehem mehrheitlich wohl mehr anfangen konnten als mit Jason, Medea und Creusa?

  • @Charlie


    Ich kann mich nur noch erinnern, das Madame Dubary keine Kinder hatte...somit war die Problematik nicht ganz so schlimm wie bei anderen Ehemännern von Mätressen, die oftmals die Kinder des Königs als ihre eigenen ausgeben und großziehen mussten. Womöglich sah Monsieur Dubary es ja genauso wie sein Bruder und genosss die Privilegien die der König ihm vermutlich verliehen hat.


    Das mit der makaberen Tabete, die den Kindermord in Betlehem zeigt, kam auch im Roman "Die Lilie von Versailles" vor und wurde auch da als ein besonders schlechtes Omen gedeutet.
    Dass die Wandbehänge in Wahrheit laut Goethe Jason, Medea und Creusa darstellten, habe ich noch gar nicht gewusst..war Medea nicht die, die ihre eigenen Kinder getötet hat? So genau kenne ich diese Geschichte jetzt gar nicht, da ich mich mit antiker Mythologie nicht so gut auskenne. Ich frage mich ja, auch wenn man das leider wohl nie erfahren wird, wie Marie Antoinette selbst dieses Wandbild deutete, ob sie es auch als schlechtes Omen betrachtete, oder ob es sie einfach nicht bekümmerte...
    Ich denke auch nicht, dass Goethe in dieser Hinsicht gelogen hat, ich vermute eher, dass man im streng religiösen 19. Jahrhundert aus dem mythologischen Wandbild einfach ein biblisches Wandbild gemacht hat. Damals waren ja fast alle Menschen streng religiös, und deswegen dachte man vielleicht, dass es besser klänge, wenn man behauptete, es wäre ein religiöses Wandbild gewesen.
    Und die einfache Bevölkerung, der diese Legende mit dem Wandteppich sicherlich vielfach erzählt wurde, konnte vermutlich mit den Namen Jason, Medea und Creusa nichts anfangen, da sie keine Ahnung von antiker Mythologie hatten. Viele Menschen kannten damals ja keine anderen Geschichten als die aus der Bibel und vielleicht noch ein paar alte Sagen ihrer Heimat...da lag es wohl nahe, die Erzählung zu verändern, indem man ein biblisches Motiv daraus machte.

  • Lustig, da werfe ich eben einen Blick auf das PDF der alten Fassung von "Das Halsband der Königin", die auf GoogleBooks erhältlich ist (Übersetzung von 1849), und da steht doch tatsächlich in einer Fußnote des Übersetzers: "Es ist hier zur Verdeutlichung zu bemerken, dass man in Frankreich in der freundlichen Umgangssprache Bruder und Schwester für Schwager und Schwägerin sagt." Damit liegt der Fall Jean Dubarry nun klar: Dumas hat hier nichts verschleiert, sondern einfach die damals gängigen Begriffe verwendet. Allerdings hätte die Übersetzerin der Fischer-Taschenbuchausgabe des "Cagliostro" das auch mal anmerken oder gleich "Schwager" schreiben sollen. Wieder was dazu gelernt.

  • @Charlie


    Das ist ja wirklich witzig...das konnten wir ja wirklich nicht wissen. ^^
    Aber jetzt wo du es sagst, glaube ich mich zu erinnern, dass sich auch im VdB König Louis XIV und seine Schwägerin Henriette mit "Bruder" und "Schwester" anredeten...ich werd mal versuchen, im Roman die entsprechende Stelle noch zu finden. Scheinbar wars damals wirklich so üblich in Frankreich, auch wenn ich es etwas verwirrend finde...
    In der Bartholomäusnacht nennt König Karl seinen Schwager Henri auch immer "Bruder", aber ich dachte eher, er würde das zu ihm sagen, weil Henri für ihn wie ein Bruder ist.
    Ich finde auch, dass sie das als Anmerkung hinten zu den Verweisen oder gleich auf die Seite, auf der es zum erstenmal vorkommt, schreiben sollten, sonst sorgt es wirklich für Verwirrung.

  • Ja, es kommt ja auch in der "Bartholomäusnacht" so vor, Karl IX. nennt Henri von Navarra auch oft "Bruder", obwohl er der Schwager ist, aber in dem Fall ist das Verwandtschaftverhältnis vorher bereits klar. Bei den Dubarrys im "Cagliostro" ist dies jedoch nicht der Fall.

  • @Charlie


    Ich vermute mal, dass die Leser zu Dumas Zeiten das wussten, weil es vielleicht damals auch noch so üblich war.
    Womöglich war es ja im 19. Jahrhundert auch noch üblich, dass Schwager und Schwägerin sich mit Bruder und Schwester anredeten.
    Heute, im 21. Jahrhundert kann man ja gar nicht mehr wissen, dass das damals so üblich war..aber vermutlich hat keiner der Übersetzer daran gedacht, das am Rande anzumerken, da vielleicht auch die Übersetzer der Romane das nicht wussten.

  • So, gut die Hälfte des zweiten Bandes von "Cagliostro" habe ich nun durch. Es wird immer noch intrigiert, was das Zeug hält, aber man braucht einen wirklich langen Atem in diesem Roman, da manche Personen, an deren Schicksal man interessiert ist, auch schon mal für satte 100 Seiten aus dem Blickfeld geraten, weil gerade andere Protagonisten "dran" sind. Man merkt hier, dass der Roman nicht als Einzelwerk zu sehen ist, sondern dass tatsächlich die Bühne bereitet wird für ein weitverzweigtes Drama, das den Leser noch mehrere tausend Seiten begleiten soll. Die Einführung von Personen, die in der Revolution noch eine Rolle spielen sollen, geschieht auch hin und wieder, neben dem jungen Arzt Marat, der bereits vorher in Aktion getreten war, konnte man nun zwischenzeitlich einem Arzt namens Guillotin bei einer Beinamputation "über die Schulter gucken". Die titelgebende Figur Cagliostro (hier zumeist Joseph Balsamo, Acharat oder Graf von Phönix genannt) besitzt zwar durchaus positive Eigenschaften und tritt gelegentlich als Helfer in der Not in Erscheinung, andererseits aber er hält eine junge Frau, die er angeblich über alles liebt, wie er nicht müde wird zu betonen, wie eine Gefangene in einem "goldenen Käfig", was ihn in manchen Szenen zu einem extrem abstoßenden Psychopathen macht. Dann gibt es noch einem "heimlichen Helden", den jungen Gilbert, unsterblich und natürlich unglücklich in eine junge Adelige verliebt, wobei ich mich inzwischen frage, weshalb er das verwöhnte und arrogante Gör überhaupt liebt. Nun, ich vermute, er hat im Gegensatz zu mir den guten Kern der Dame erkannt, der irgendwann vielleicht auch noch für den Leser ersichtlich zu Tage tritt. Spannend und unterhaltend ist der Roman auf jeden Fall, und ich denke, ich werde den langen Atem haben, danach auch die Fortsetzungen innerhalb dieses Romanzyklus zu lesen.

  • Was ich bei Dumas sehr schätze, ist diese feine Ironie und dieser feine Spott, der manchmal in geschliffenen Worten rüberkommt. Hier ein Beispiel aus dem 2. Band von "Cagliostro" über einen frühen Morgen in Paris:


    "Schon waren unter den noch brennenden Laternen all die kleinen Pariser Gewerbe erwacht, und allerlei Waren wurden auf der Straße feilgeboten: die kleinen, dampfenden Kuchen, welche der arme Händler vom Land wie Leckerbissen in der frischen Morgenluft verzehrt; die mit Gemüse beladenen Tragkörbe, die Karren voller Fische und Austern, welche zu den Markthallen rollen, doch bei all dem lebhaften Treiben der geschäftigen Menge herrschte doch eine gewisse Zurückhaltung, die den Arbeitern durch die Achtung vor dem Schlaf der Reichen auferlegt wurde."


    Herrlich!

  • @Charlie


    Danke für diese interessante Beschreibung, die wirklich Lust auf den Roman macht. :thumbup:
    Mir gefällt Dumas Beschreibung über einen frühen Morgen in Paris, keiner kann das so gut wie er beschreiben, mit dieser Ironie und so, dass man das alles bildlich vor sich sieht.
    Ich sehe schon, diesen Roman muss ich unbedingt so bald wie möglich lesen. :D

  • Ich bin gerade durch den zweiten Band, werde dann in den nächsten Tagen nochmal etwas ausführlicher zu dem Roman schreiben. Nun wollte ich eigentlich "Johanna d'Arc" lesen, aber momentan habe ich richtig Lust auf die "Drei Musketiere" bekommen, die ich bisher nur vor vielen, vielen Jahren in einer gekürzten Jugendbuchausgabe gelesen habe. Davon habe ich nun ebenfalls die ungekürzte Übersetzung des Fischer Taschenbuch Verlags aus den 1990er Jahren, die auch noch mit den Illustrationen einer alten französischen Ausgabe aufwartet. Ich glaube, ich kann kaum widerstehen... :)

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