Beitrag Herausforderung März - Maren

  • Erst einmal an alle: Diese Geschichte ist Schwachsinn pur und hat darum genauso einen Titel. Jetzt an alle anderen: Aber so ist das ja häufiger bei mir und ich will auch gar nicht ernstgenommen werden. :lol:
    Dann noch einmal danke an Maike für ihre spontane Hilfe beim französischen Buchtitel (was der nun genau heißt, müsst ihr euch von ihr zurück übersetzen lassen) und eine Entschuldigung an die arme Silke, dass ich aus ihrer tollen Herausforderung so einen Unsinn gemacht habe - aber es hat gut von diversen Stressfaktoren wie Lernen für Klausuren, Facharbeiten, Kriegen, Rentenbesteuerungen, Pisa-Studien, Fahrstunden und vor allem dem grauen Alltag abgelenkt. ;-)


    Die Sinnlose


    Es war eine dieser finsteren und stürmischen Nächte, die als erste Vorboten des nahenden Winters ihre kalten Arme über das Land schicken, um die Fenster der Stuben zum Klirren und die Äste der Bäume zum Knacken zu bringen. Niemand ging jetzt vor die Tür, wenn ihn nicht entweder der Teufel trieb oder eine wirklich bedeutende Angelegenheit erledigt werden musste.
    Im Falle des Mannes, der sich geduckt von Haustür zu Haustür schlich und der mit einer Hand seinen schwarzen Mantel, mit der anderen aber eine lederne Mappe fest umklammert hielt, mochte beides möglich sein. Es war nicht klar auszumachen, ob der Mann sich in den breiten Eingängen nur vor dem Wind und der Dunkelheit schütze oder er noch andere, weitaus heimtückischere Gefahren fürchtete. Er hatte den Hut tief ins Gesicht gezogen und presste die Mappe jedes Mal dann fest an seine Brust, wenn er von einem unsicheren Stück Straße zu einer weiteren rettenden Insel gelaufen war. Er versicherte sich schnell, ob die Mappe noch geschlossen war, spähte einmal um sich und lief hastig zu der nächste Nische, die ihn für kurze Zeit aufnahm und verbarg.
    Dies wiederholte er einige Male, doch schließlich lag vor ihm ein Stück, das viel länger war als jene, die er zuvor schon überwunden hatte. Er hatte das Ende der Häuserzeile erreicht, dahinter lag nur noch der Stadtausgang. Es mochten gut und gerne fünfzig Schritte von dieser Hausecke bis zum Torbogen dort hinten sein und dazwischen lag nichts weiter als eine sehr lange, von einer windgeschüttelten Allee gesäumte Straße. Der Mann atmete auf. Fünfzig Schritte noch und er konnte endlich die Stadt verlassen. Er versicherte sich noch einmal, dass er allein war, dann lief er los.
    Die Hälfte des Weges hatte er schon hinter sich gebracht, als plötzlich eine heftige Böe seinen Mantel aufbauschte und nur für einen unachtsamen Moment hob der Mann beide Hände schützend vor sein Gesicht, um wenigstens seine Augen vor den kleine Staubkörnern zu bewahren, die der Wind in diesen Tagen überaus zahlreich mit sich führte. Die eben noch fest verschlossene Mappe schlug auf und heraus flatterten zahllose beschriebene Papiere, die sofort von der Böe erfasst wurden und wild durcheinander wirbelten. So tanzten sie auf der Straße und verteilten sich in alle Himmelsrichtungen...


    Einige Zeit später stand ein sichtlich bleicher und erregter Aramis vor einem Haus in der Rue Férou und hämmerte mit der linken Faust gegen die Tür. Dies war an sich schon ungewöhnlich genug, denn normalerweise hätte der Musketier, der sehr auf sein äußeres Erscheinungsbild bedacht war, durch anhaltendes Schlagen auf das rohes Holz nicht riskiert, seine makellos weiße und zarte Hand zu verletzen. Doch nun machte er ganz den Eindruck, als hätte er gleich noch seine Rechte mit zur Hilfe genommen, wenn diese nicht ausgerechnet eine lederne Mappe umklammert gehalten hätte, aus der hie und da die Ecken einiger leicht zerknitterte Blätter hervorlugten.
    Endlich wurde die Tür geöffnet und Aramis wartete keine Aufforderung ab, sondern drängte sich an verschlafen wirkenden Grimaud vorbei gleich in die Wohnung, wo er sich einmal kurz umsah und dann zielstrebig auf einen Tisch zuhielt, die Mappe darauf schleuderte und sich schließlich erschöpft auf einen Stuhl fallen ließ, wobei ihm sein schwarzer Mantel ein wenig von der Schulter rutschte. "Ich wusste, es würde nicht funktionieren", lamentierte er noch, während ein sichtlich überraschter Athos aus seinem Schlafzimmer nun ebenfalls in den Raum trat. Der ältere Musketier brauchte nicht nachzufragen, er warf nur einen kurzen Blick auf die Mappe und wusste, dass etwas schiefgegangen war.


    Eine halbe Stunde war vergangen, da saßen um genau denselben Tisch vier Männer und starrten ein wenig ratlos auf die lederne Mappe, die, nun aufgeschlagen, den Blick auf einige fein säuberlich beschriebene Blätter freigab, die ein wenig mitgenommen wirkten, aber immer noch gut lesbar waren. Zu oberst lag ein Papier, auf dem in besonders schön herausgearbeiteten Schriftzügen ein Titel stand, der verheißungsvoll ankündigte, was wohl auf den übrigen Seiten zu lesen sein würde: "Quelques particularités sur les vies et les
    exploits des grands hommes sur le règne de Louis le Juste - Mémoires de M. le cardinal de Richelieu."

    Das Schweigen der vier Männer dauerte nun schon eine ganze Weile an und so war es äußerst verständlich, dass drei von ihnen zusammenzuckten, als unvermittelt eine Faust auf den Tisch schlug, sodass einige der Romansseiten in leichte Bewegung gerieten.
    "Großartig, einfach großartig", zischte eine Stimme, zu der die Faust gehörte. "Warum habe ich eigentlich jede Vorsicht walten lassen, als ich dieses verfluchte Manuskript direkt vom Schreibtisch seiner Eminenz mitgenommen habe, warum habe ich dafür gesorgt, dass der Kardinal währenddessen gut beschäftigt mit einem wirklich aufdringlichen Diplomaten war und warum, Kreuzdonner, riskiere ich Kopf und Kragen nur, um dieses unglücksselige Werk dann in die Hände eines vollkommen unfähigen-"
    "Das genügt, Rochefort." Athos hob beschwichtigend eine Hand, bevor der Stallmeister seiner Eminenz seinem Ärger bis zur letzten Silbe freien Lauf ließ. Rochefort schwieg, aber ließ es sich dennoch nicht nehmen, einen vielsagenden Blick zu Aramis hin zu werfen, der dies lieber nicht bemerkte. D'Artagnan, der vierte in dieser Runde, dachte allerdings in eine ähnliche Richtung wie sein ehemaliger Widersacher. "Wie konnte das nur passieren. Warum seid Ihr nicht sofort hierher gekommen, wie vereinbart, Aramis?"
    Aramis zuckte mit den Schultern und meinte entschuldigend: "Ich dachte, es gäbe einen noch sichereren Ort für das Manuskript."
    "Ihr nennt das Verstreuen dieser höchst zweideutigen Seiten in aller Winde sicherer?!" Rochefort war erbost aufgesprungen. "Gratulation, Monsieur. Das ist Euch gründlich gelungen." - "Die meisten Blätter sind doch hier!" versuchte Aramis sich zu verteidigen, doch damit erreichte er nur, dass Rochefort erneut eine Hand zur Faust ballte. Bevor schlimmeres geschehen konnte, mischte sich d'Artagnan ein: "Wir müssen den Roman loswerden! Überlegt nur, wenn jemand die fehlenden Seiten findet..."
    "-dann wird er sich auch nach dem Rest suchen wollen" fügte Rochefort finster hinzu.
    "Wenn Ihr so denkt, dann überlasst dieses Problem dem Feuer", sagte Athos ruhig.
    "Ja", bemerkte d'Artagnan, "Athos hat recht, wir müssen ihn verbrennen. Und wer weiß, ob der Herr Kardinal nicht sogar das Geheimnis kennt, wie man in der Asche liest."
    "So ein Geheimnis wird es sicher geben!", meinte Athos. "Es sei denn..."
    "Ja?" Drei erwartungsvolle Blicke richteten sich auf den Grafen, der gedankenversunken das unvollständige Manuskript musterte und sich in Schweigen hüllte.
    "Es sei denn, was?" hakte Aramis erneut nach und in seiner Stimme schwang ein Fünkchen Hoffnung, dass sein Fehler wieder gut zu machen war.
    "Es sei denn, Ihr schreibt einen würdigeren Schluss."
    "Was? Das... das kann ich nicht."
    "Ihr müsst", bedrängte nun auch d'Artagnan seinen Freund. "Bevor der Kardinal merkt, dass das Manuskript verschwunden ist und er dafür den Schreiber verantwortlich macht - und bevor jemand zwei und zwei zusammenzählt und die verlorenen Seiten zu einem Ganzen... nunja, beinahe Ganzen, zusammenfügt."
    Hin und hergerissen zwischen der Wahrheit in den Worten seiner Freunde und seinem Selbstzweifel blickte Aramis nun zu Rochefort, der jedoch verächtlich schnaubte und meinte: "Dieser feine Herr Autor, der sich durch eine kleine Kürzung seiner finanziellen Mittel gleich um Kopf und Kragen schreibt, ist Euer Freund. Ihr wolltet ihn retten, indem Ihr sein Manuskript verändert, stattdessen bringt Ihr ihn in noch größere Gefahr. Was kümmert es mich?"
    Zorn stieg in Aramis auf und er wandte sich wieder den beiden anderen Musketieren zu. "Gut, ich werde es tun. Es braucht nur ein neues Ende, nicht wahr?"
    Athos nickte bestätigend. "Ja, am Rest ist nichts auszusetzen - die Wut hat den Verfasser erst im Schlussteil übermannt und - Ihr wisst, dies sollte er besser nicht veröffentlichen lassen."
    "In Ordnung, gebt mir nur Feder und Papier." Grimaud wurde losgeschickt, um die bestellten Sachen zu holen, währenddessen zog d'Artagnan Athos beiseite. "Was machen wir nun mit den verloren gegangenen Seiten? Irgendwer wird sie finden." - "Ich bin sogar sicher, dass sie gefunden werden. Doch wer kann unserem Freund dann etwas nachsagen, wenn doch das echte Manuskript längst dem Kardinal vorliegt? Und wie hätten die Blätter denn aus dem Palais gelangen sollen? Sie waren doch jederzeit sicher verschlossen und gut bewacht." - "Bis auf den Moment, da sie dem Kardinal zum Lesen vorgelegt wurden. Doch zum Glück war Rochefort schneller."
    "Allerdings war ich schneller, Messieurs", erklang von hinten eine Stimme. "Doch das sei gesagt, es war das letzte Mal. Das einzige, was ich in dieser Sache noch bereit bin zu tun, ist diese Mappe wieder zurückzubringen."


    Einige Stunden später betrat Kardinal Richelieu sein Arbeitszimmer. Der Morgen war noch recht jung, die Sonne kaum aufgegangen, doch auf seine Eminenz wartete bereits die anstrengende und vor allem große Menge an Arbeit, die nur ein Politiker seines Ranges Tag für Tag zu bewältigen hatte. Es wären einige Papiere weniger auf seinem Schreibtisch gewesen, wenn nicht gestern ein englischsprachiger Herr namens Bummsfeld noch felsenfest darauf bestanden hätte, seine Eminenz und vor allem Frankreich für einen Krieg gegen alle mögliche und unmöglichen Länder zu gewinnen. Nach zwei Stunden endlich war der Diplomat beleidigt von dannen gezogen, da der Standpunkt des Kardinals unerschütterlich blieb.
    So war er aber auch leider keine Zeit geblieben, das Manuskript jener Memoiren zu lesen, woran seit beinahe einem Jahr unermüdlich einer der besten Autoren seines Faches gearbeitet hatte und das gestern endlich fertiggestellt worden war. Nun lag eben dieser langersehnte Roman zu oberst in einer ledernen Mappe auf dem Schreibtisch. Richelieu setzte sich nieder und schlug die erste Seite auf und ein zufälliger Beobachter hätte schwören können, ein erfreutes und gespanntes Lächeln über das Gesicht des Kardinals huschen zu sehen.


    Einige Stunden später war es genau dieses Lächeln, mit dem seine Eminenz nach dem Autor des Werkes schicken ließ, um ihn zu belobigen, mit einigen Worten, aber auch mit einem großzügigen Geldgeschenk, was nun den Verfasser an sich sehr verwunderte, hätte er doch mit einer völlig anderen Reaktion gerechnet. Mit Gefängnis, mit einem Prozess, mit Verbannung oder sogar dem Tod. Aber nicht mit dieser letzten, freundlichen Bemerkung, bevor er mit einem Kopfnicken entlassen wurde: "Monsieur de Sandras, Ihr müsst Eure Arbeit auf diese Weise fortsetzen, dann wird Euch das Glück immer hold sein."


    Ende


    P.S.: Ähnlichkeiten mit Lebenden oder toten Personen sind überhaupt nicht zufällig!

  • Hallo Maren,


    das war eine geistreiche Idee - "er" ist ein Roman? ;-) Lustig! Und eine sehr aktuelle Geschichte, zudem... Ein "englischsprachiger Herr namens" Rums - , ach so, d.h. - "Bummsfeld", der Frankreich in einen Krieg mit hineinziehen möchte... Interessant! ;-) Es war aber lustig, daß Du mal Courtilz, der schließlich in gewisser Weise an allem Schuld ist, mit in eine Fanfiction aufgenommen hast! :lol:


    Viele Grüße


    Maike

  • Hallo Maren!


    Ja, tolle Herausforderung, und ich fand sehr wohl, dass es einen Sinn machte, das ganze... Hähä, Bummsfeld, das wird morgen in der Schule verbreitet, wenn es dann nicht schon zu spät ist.
    Auf jeden Fall eine schöne Erfüllung der Herausforderung und ich vergebe dir, du hast keinen Schwachsinn geschrieben!


    Tschau
    Silke

  • Hallo Maren!


    "Kreuzdonner"! die Idee ist klasse! :P Nur die Überschrift ist ein wenig...äh...sinnlos bei dieser doch recht sinnvollen Geschichte :wink:


    Sarah


    PS: A propos Bumsfeld und Frankreich...Schon gehört, dass die amerikanischen "French Fries" neuerdings in "Freedom Fries" umbenannt wurden? 8O 8O

    And his eyes have all the seeming of a demon's that is dreaming,
    And the lamplight o'er him streaming throws his shadow on the floor... (E. A. Poe)

  • Hallo zusammen!


    Danke für die Kommentare! :-) Ich dachte, ich hätte wirklich nur Unsinn geschrieben und würde dafür schön geköpft werden. Aber - puh - ist doch noch einmal gut gegangen. :-D


    Viele Grüße,
    Maren