Beiträge von Maike

    Die Füße im Feuer


    Er lag auf dem Tisch in d'Artagnans Bleibe in der Rue des Fossoyeurs, beleuchtet von den zuckenden Flammen des Kaminfeuers, das an diesem kühlen Herbstabend sehr unruhig brannte. Sein Gesicht war in einer grausigen, höhnischen Fratze erstarrt, beinahe als lache er über die Worte, die von wütender Hand gleich mehrfach in groben Strichen rings um seinen Kopf geschrieben worden waren - "Ungerechter Pfaffe!" - oder über Aramis' gemurmeltes Gebet, das aus einer Ecke des Raumes herüberdrang.


    Porthos, den Blick auf den Tisch gerichtet, schüttelte bereits zum dritten oder vierten Mal an diesem Abend den Kopf. "Das hätte ich Rochefort nicht zugetraut..." bemerkte er, ebenfalls zum wiederholten Male.
    Athos nickte sinnend und wandte den Kopf zu d'Artagnan, der eben erst von der Seite des Zimmers, auf der Rochefort auf dem Bett des Musketiersleutnants ausgestreckt lag, zurückgekehrt war. "Wie geht es ihm inzwischen?"
    D'Artagnan seufzte. "Was erwartet Ihr? Immer noch sturzbetrunken, das vergeht nicht so rasch... Es muß ihn wahrhaftig hart getroffen haben, daß sein Dienstherr die Abtei von Montier-en-Der nicht seinem Bruder, sondern ausgerechnet einem von Trévilles Schwägern zugesprochen hat... Als ob es nicht weitere freie Abteien gäbe, von denen der Kardinal gewiß Monsieur de Rochefort dem Jüngeren eine geben wird!"
    - "Aber an Montier muß sein Herz gehangen haben... Ansonsten hätte er sich wohl kaum trostsuchend zu Euch begeben und betrunken..." bemerkte Athos. D'Artagnan nickte. "Gewiß nicht... Und er hätte wohl kaum... das hier getan." Er deutete auf den Tisch. Porthos schüttelte abermals den Kopf. "Nein, gewiß nicht... Welch eine... Tat. Was tun wir denn nun mit... ihm?" - "Wir sollten ihn verbrennen", befand Athos, "allein schon zu Monsieur de Rocheforts Schutz... Wenn er wieder bei Sinnen ist, wird er uns nur dankbar sein." - "Oh ja", meinte d'Artagnan mit einem Nicken, "seine Handschrift ist überdeutlich zu erkennen bei diesem... Verbrechen - er wird uns dankbar sein!" - "Verbrennen?" vergewisserte sich Porthos.


    Zitat

    "Ja", bemerkte d'Artagnan,"Athos hat recht, wir müssen ihn verbrennen. Und wer weiß, ob der Herr Kardinal nicht sogar das Geheimnis kennt, wie man in der Asche liest."
    "So ein Geheimnis wird es sicher geben!", meinte Athos.


    "Meint Ihr wirklich?" erkundigte sich Porthos erstaunt und schlug sicherheitshalber ein Kreuz; das verdächtige amüsierte Funkeln in Athos' Augen war ihm vollständig entgangen. D'Artagnan verbiß sich das Lachen. "Gewiß, Porthos..." erwiderte er, um dann den auf dem Tisch Liegenden zu ergreifen und ihn mit den Füßen voran ins Feuer zu befördern.


    Er hatte nicht mit Aramis gerechnet, der in diesem Augenblick sein Gebetbuch fallenließ, mit katzengleicher Gewandtheit an d'Artagnan vorbeistürzte und das Blatt Papier mit der höchst gelungenen Karikatur Seiner Eminenz, die ein bereits halb betrunkener und vollständig erzürnter Rochefort früher am Abend zustandegebracht hatte, gerade noch rechtzeitig wieder dem Feuer entriß. Die Füße des Kardinals waren zwar nicht mehr zu retten, doch erwies sich, sobald die letzten Flämmchen gelöscht waren, daß der Rest des Zettels durchaus halbwegs unbeschädigt geblieben war.


    "Was tut Ihr, Aramis?!" rief d'Artagnan, halbwegs entsetzt. "Wir müssen das Papier verbrennen, was, wenn der Kardinal es in die Hände bekäme?"


    Aramis ging nicht auf diese Frage ein. "Ich muß Euch darauf aufmerksam machen, Messieurs, daß Ihr gerade dabei wart, das Bildnis eines hohen Geistlichen zu verbrennen, ihn gewissermaßen in effigie dem Feuer zu überantworten." bemerkte er mit Würde, indem er das gerettete Papier sicher in seiner Tasche verstaute. "Das konnte ich nicht zulassen." Damit sammelte er sein Gebetbuch auf und wandte sich zum Gehen.


    Es dauerte einen Augenblick, bis die drei übrigen Musketiere sich aus ihrer Erstarrung lösten. Porthos war der erste, der, nach einem weiteren Kopfschütteln, wieder zu sprechen begann. "Was hatte er denn?" fragte er, ehrlich verwundert. "Wäre es so schlimm gewesen, den Zettel zu verbrennen?"


    "Nein." erwiderte Athos trocken. "Aber unser dem Geistlichen Leben zugewandter Freund wird einen eifrigen Fürsprecher in Monsieur de Rochefort haben, wenn die nächste Abtei durch Seine Eminenz vergeben wird... Ihr hättet das Papier gleich verbrennen sollen, d'Artagnan - es uns zu zeigen war kein glücklicher Gedanke!"


    "Im Nachhinein ist man immer klüger", entgegnete d'Artagnan seufzend. "Aber, Messieurs, Ihr müßt mir den Gefallen tun, bis morgen hierzubleiben - allein bringe ich Rochefort nicht bei, welche Wendung diese Sache genommen hat!"



    P.S.: Der Titel ist natürlich dem berühmten Gedicht von C.F. Meyer entnommen - aber ich wollte mich Silke anpassen, die ja auch schön zitiert hat... ;-)

    Hallo Bettina,


    das ist eine ganz phantastische kleine Geschichte geworden - es war genial, wie Du das Zitat eingefügt hast, und die Beschreibung, wie Aramis den Brief öffnet, war auch hervorragend - fast schon zu schade für eine Herausforderung... :-) Schreibst Du mal wieder eine ganze Fanfiction? (Stell Dir jetzt vor, daß ich Dich sehr erwartungsvoll und bittend angucke) ;-)


    Viele liebe Grüße


    Maike

    Hallo Maren,


    ich würde schon mitspielen - aber ich möchte nicht Spieler A sein, weil mein Zeitbudget zur Zeit sehr begrenzt ist.


    Viele Grüße


    Maike

    Mazarin ist die "Verfasserin" des zerrissenen und wieder ganz gewordenen
    Briefes? Ich wußte immer, daß mit diesem Italiener was nicht stimmt...
    Mazarin ist eine Frau! *LACH* Mazarin hat eine Bombe ín den
    Gemächern des Königs gezündet, um Richelieu seiner/ihrer Treue zu versichern?
    Evviva il Mazzarino - ò la Mazzarina! :-D Die Kardinalin!! Was für eine Art von Treue ist das nur zwischen Monsieur & Madame les cardinaux? Ich wußte doch, es ist nicht Anna von Österreich, mit der Mazarin heimlich verheiratet ist...
    Erstaunlich ist ja immerhin, daß die Brief- und Explosionsgeschichte ziemlich gut durchgehalten wurden (bis Mylady sich eingemischt hat :lol:) und daß auch das Personal nicht allzu abstrus wechselte... ;-)

    Hallo Silvia,


    das ist wirklich genial... :lol: :lol: :lol: "Mo cabidaine..." Oh je. *immernochkringel*
    Ich fand ja schon bei englischen Ausgaben der drei Musketiere die Vorstellung immer komisch, daß die stolzen Franzosen plötzlich allesamt Englisch reden - aber SCHWÄBISCH??? Himmel hilf... *garnichtwiedereinkrieg*


    Viele Grüße


    Maike

    Hallo Heike,


    die Vorschläge waren nicht zu eng gemeint (nach dem Motto "anderthalbseitige Beiträge werden nicht angenommen" ;-)) - ich dachte nur daran, daß die Grundidee eher in die Richtung gehen sollte, etwas Kurzes zu schreiben - und das mit den Film- und Buchzitaten war nur so ein Einfall, weil es doch manchmal Sätze gibt, die sich in schön vielen Zusammenhängen verwenden lassen... ;-)


    Viele Grüße


    Maike

    Hallo Maren,


    wir könnten es doch versuchen - mit einer längenmäßigen Einschränkung.
    Mein Vorschlag wäre folgender (er ist aus einer Aufgabe beim Cambridge FCE abgekupfert, aber egal): Wir geben ein oder zwei Sätze vor - und daraus muß keine ganze Geschichte, sondern nur eine kurze Szene (höchstens eine Din-A-4-Seite lang) entwickelt werden, die in sich Sinn macht, aber keine komplette Geschichte sein muß. Ich glaube, daß bei derartigen Kurz-Aufgaben die Resonanz größer wäre, als wenn solch riesige Geschichten wie seinerzeit bei den ersten Herausforderungen das Ziel darstellen sollten...


    Wir könnten als Ausgangssatz sogar ein bekanntes Zitat aus Buch oder Film nehmen, nach dem Motto "In was für einen Zusammenhang hätte das noch gepaßt?".


    Viele Grüße


    Maike

    Hallo Maren,


    hier kommt die verlangte Antwort - Du kannst Dir denken, wo meine Stimme ist - bei "ja, aber..."


    Im Prinzip (oh je, das wird jetzt so ein Radio-Eriwan-Satz) finde ich Deine Idee immer noch gut - ABER im Augenblick komme ich schon kaum zu meiner regulären Fanfiction, aufgrund meiner Magisterarbeit und meiner sonstigen Prüfungen. Deshalb wäre es ein wenig unehrlich, wenn ich nun begeistert "ja" schreien und dann doch nichts einreichen würde... Insgesamt halte ich die Idee aber für gut, und nicht alle stehen gerade im Examen, oder?


    Viele Grüße


    Maike

    Hallo,


    es stimmt, daß es eine gute Idee ist, dieses Thema hier wiederzubeleben...
    Auf Platz 1 steht für mich immer noch Silvias wunderbare "Rue Férou" - Athos und d'Artagnan sind herrlich getroffen, und ich bin immer noch von den feinen Zwischentönen fasziniert. :)
    Danach kann ich eigentlich keine klare Rangfolge mehr angeben - Marens "D'Artagnan, mon amour" ist auch sehr schön, besonders in der Neufassung, und Sarahs "Geheimnis der Katze" hat es mir auch angetan, aufgrund der originellen Handlung und der Schilderung der Pariser Unterwelt... "Fidèle et fort" mag ich allerdings auch sehr gern - es ist schade, daß da seit langer, langer Zeit keine Fortsetzung mehr gekommen ist. ;-)


    Viele Grüße


    Maike

    Ich denke, es wäre logisch, wenn jetzt jeder seinen Striemel weitermachen würde - d.h., Chevreuse & Constance, Buckingham & Königin, d'Artagnan & König, Athos & Mylady & Kardinal - es sei denn, der Kardinal unterbricht jetzt sein Gespräch mit Mylady und möchte anderswo mitmischen.
    Alles schon Geschriebene zu trennen, wäre unmöglich und würde nur neuerliches Chaos produzieren.


    Jussac & Cahusac sind schon erfolgreich rausgezogen - ich würde vorschlagen, daß derjenige, der jeweils "dran" ist (also Athos, der Mylady antworten muß, die Königin, die Buckingham antworten muß, etc.) ein entsprechendes Thema aufmacht und wir dann weiterschreiben.

    Hallo Maren,


    Du hast mir ja schon gemailt, daß ich "B" sein soll - also gut, dann bin ich B, fang an und sag' mir, wer dann dran ist. ;-)


    Viele Grüße


    Maike

    Wenn es sich auf fünf Sätze Nonsens beschränkt und ich nur zwei weiterleiten muß, wäre ich vielleicht auch dabei - je eine Dreiviertelseite wäre mir bei dem Magisterstreß zu viel. ;-) Und solange ich nicht Spieler A sein muß, sondern schamlos alle ausnutzen kann... Was meint Ihr, ginge eine Sechser-Kuh auch? ;-)

    "Morgen wird gespielt" geht zumindest bei mir nicht, ich bin um die Zeit vermutlich gar nicht zu Hause - aber etwas Bewegung sollte schon ins Spiel kommen.


    Ich frage mich, ob die jetzt herrschende Ruhe auch an der Unübersichtlichkeit des Maskenball-Themas liegt - vergißt man vielleicht, zu antworten, weil derjenige, mit dem man gerade interagiert, vier, fünf Beiträge vorher gepostet hat?


    Wir sollten vielleicht klären, ob wir das Thema aufsplitten - z.B. in "Königin & Umgebung", "Kardinal & sonstige Intriganten", "die Damen auf der Tanzfläche", "Dumm herumstehender Tréville", etc.

    Hallo Heike,


    Du hast eine interessante Bemerkung gemacht, zwar bezogen auf Aramis im "Mann in der eisernen Maske", aber sicher auch zu verallgemeinern:


    Zitat

    In dem Film denkt er nur an Gott, dann ist er plötzlich der Retter des Landes, ja, sicher, er kann sich nie entscheiden, ich weiß.


    Im Zusammenhang damit steht ein zweiter Satz, bei Dir auf den 61er-Film bezogen: Es sei so,


    Zitat

    dass die Musketiere die Helden sind, die Bösen sind die Bösen.


    Ist das nicht in gewisser Weise ein Manko, das viele der Verfilmungen haben - daß die Musketiere als "Retter des Landes", wie Du es ausdrückst, und als absolute Helden gesehen werden, während sie im Buch nicht gerade (oder nicht nur) selbstlose Engel sind? Das fällt mir besonders im 93er Film immer wieder auf, wenn die ganze Kiste voll Gold aus der Kutsche geworfen wird. Gut, man mag sagen, daß das nur eine Ablenkungstaktik ist und daß die herbeiströmenden Leute die Straße für die Gardisten blockieren werden, aber würden die Musketiere, die wir aus dem Buch kennen, eine solche Menge Geld für diesen Zweck einfach so wegwerfen? Diese Kerle, die ihren armen Hauptmann andauernd um einen Vorschuß auf ihren Sold belagern?! Ich weiß nicht...
    Ich habe das Gefühl, daß die Rolle der Musketiere insgesamt in den Filmen verflacht und auf das Gute, Heldenhafte, etc. reduziert wird - ebenso, wie umgekehrt Mylady, Rochefort und gelegentlich auch der Kardinal einfach auf ihre "bösen" Züge reduziert werden.


    So, und zu Deiner Frage, weshalb es positiv sein sollte, wenn das Verhältnis zwischen Mylady und Athos inniger dargestellt wird, als es vielleicht im Buch zu sein scheint: Es ist auch im Buch angedeutet (zumindest erscheint es mir so), daß die beiden sich nicht unbedingt gleichgültig gegenüberstehen oder es zumindest nicht immer getan haben. Irgendwo in der Theaterversion, "La Jeunesse des Mousquetaires" (ja, ich beeile mich mit der Übersetzung. :-D), sagt Athos d'Artagnan gegenüber im Zusammenhang mit seiner Ehe etwas wie "coeur tendre, coeur percé". Er ist letztendlich doch vor allem so geworden, wie er ist, weil er irgendwann auch einmal sehr geliebt hat - und dabei verletzlich und zu Überreaktionen neigend war. Das entschuldigt seine Tat Mylady gegenüber in keiner Weise, aber es ist ein Zug, der vorhanden ist. Was nun die Gegenrichtung betrifft, Myladys Einstellung zu Athos - wer sagt, daß sie ihn nicht in irgend einer Form auch geliebt hat? Gut - es wäre ihr zuzutrauen, daß sie ihre Ehe mit 100% Berechnung und 0% gefühlsmäßiger Beteiligung zustandegebracht hat, aber im Buch erfahren wir, daß sie zumindest verliebt sein _kann_ - sie interessiert sich ziemlich für des Wardes, und wer sagt, daß sie niemals irgend etwas wie Zuneigung Athos gegenüber empfunden hat? Immerhin sind nicht nur seine Titel und Ländereien an ihm attraktiv, auch, wenn er in manchen Filmen durchaus so aussieht. :-D
    Aus diesem Grunde denke ich aber, daß es legitim ist, wenn in einem Film eine gewisse emotionale Spannung zwischen Athos und Mylady noch dargestellt wird - was ist so schlimm daran? ;-)


    Viele Grüße


    Maike

    Hallo,


    auf Heikes Anregung eröffne ich nun ein neues Thema zur Darstellung der einzelnen Charaktere in den Filmen (denn die trägt zwar vielleicht beim einen oder anderen dazu bei, einen Film zum Lieblingsfilm zu machen, ist aber ja irgendwo ein eigenes Thema wert).


    Generell bin ich immer noch der Meinung, daß die 61er Verfilmung im Großen und Ganzen die Charaktere am Besten und Differenziertesten zeichnet - sogar den Nebenfiguren (etwa den Dienern, aber auch z.B. Tréville) wird diese Verfilmung relativ gut gerecht. Einziges Manko ist vielleicht wirklich die Darstellung Rocheforts, da sich seine angebliche Verliebtheit in Mylady so aus den Büchern nicht gerade ableiten läßt, doch vielleicht dient diese Nebenhandlung auch nur dazu, ein tatsächliches Charakteristikum Rocheforts besser darzustellen: Er ist doch letztendlich nur der "Zweitschurke" (was ihm zur Ehre gereicht, schließlich ist er kein Bösewicht), der zwar der beste und verläßlichste Mann des Kardinals ist, aber immer ein wenig gegen die brilliante Schuftin Mylady verblaßt und gelegentlich auch Fehler begeht (man denke nur an "Armentières").
    Die einzige Verfilmung, die etwas vergleichbares leistet, ist die alte von Henri Diamant-Berger (ein "Muß" - es gibt sogar eine hervorragend interpretierte, intrigante Mme de Chevreuse!).


    Die Zeichnung der Charaktere in der Lester-Verfilmung gefällt mir dagegen nicht - sofern sie überhaft vorhanden ist. Die Charaktere verkommen zu sehr zu Stereotypen, D'Artagnan = Bauerntölper, Athos = Trinker, König = dekadenter & degenerierter Schwachkopf, etc. Das wird Dumas' differenzierter Charakterzeichnung, die ja letzendlich den Reiz des Buches ausmacht (sonst würden wir uns doch nicht so für seine Helden begeistern und Fanfiction schreiben!), nicht gerecht, so nahe die Verfilmung auch handlungsmäßig dem Buch zu folgen versucht. Eine einzige Ausnahme stellt vielleicht der Kardinal dar, der gar nicht übel getroffen wurde.


    Diese Verfilmungen sind die Einzigen, bei denen ich ein Gesamturteil - "durchgängig gut", bzw. "durchgängig schlecht" - vergeben möchte.


    Bei den meisten übrigen Filmen ist die Charakterzeichnung von Figur zu Figur verschieden gut gelungen.


    Um zuerst auf den unbekanntesten zu kommen, den im Grunde indiskutablen neuen "The Musketeer"-Film: Die meisten Charaktere (allen voran die Helden) sind vollkommen verzerrt dargestellt und passen auf Rollenstereotypen, aber dafür hat dieser Film einen wunderbar differenzierten Rochefort (der in fast jeder Kritik übersehen wird) - obwohl er eine absolute Nebenrolle hat, bringt er es fertig, gleichzeitig schurkisch, fehlbar, humorvoll, elegant, dem Kardinal nah und am Ende - wenn er fast als Einziger versucht, sich dem eigentlichen Schurken dieses Films, einem gewissen Fèbre, in den Weg zu stellen - auch mutig und ehrenhaft zu sein. Wenn alle Charaktere in diesem Film so perfekt gezeichnet und gespielt wären, wäre er ein Meisterwerk geworden.


    "D'Artagnans Tochter" wurde schon angesprochen - ich muß Heike zustimmen, Aramis und d'Artagnan sind besser als gut getroffen... Auch Ludwig XIV. finde ich überzeugend interpretiert, und über den etwas schwer einzuordnenden Athos (ja, er _hat_ ein paar schöne Sätze in diesem Film!) sind wir uns wohl alle einig. Da dieser Film aber auch keine Verfilmung im strengen Sinne ist, darf man aber vielleicht auch nicht allzu strenge Maßstäbe anlegen.


    In der Gene-Kelly-Verfilmung ist Athos (trotz seines nicht gerade ansprechenden Äußeren) ganz gut interpretiert - gerade sein Abschied von Mylady ist eindrucksvoll... Auch d'Artagnan ist nicht schlecht getroffen, aber die anderen beiden Musketiere verblassen etwas, und, nun gut - andere Leute sind so gut wie nicht vorhanden... (z.B. Rochefort) - dafür ist aber Tréville ganz brauchbar und nicht ein bloßer Statist wie etwa bei Lester. Was ich an diesem Film herrlich fand ist die beschränkte, treudoofe, wohlmeinende Constance (wenngleich einen natürlich jedesmal wieder zum Lachen bringt, daß sie d'Artagnan _heiratet_!), der man es wirklich abnimmt, daß sie Mylady auf den Leim geht.


    Die 93er Verfilmung hat einen herrlichen Porthos - großes Kompliment an Oliver Platt! - und einen immerhin brauchbaren Athos. Wenn man die Aussehens-Diskussion einmal außer acht läßt, muß man einräumen, daß der Film wenigstens einige wichtige Züge an Athos' Charakter - seine Opferbereitschaft, sein persönliche Vorlieben übersteigendes Rechtsdenken, etc. - ganz gut zum Ausdruck bringt. Aramis dagegen überzeugt nicht völlig - er wirkt nicht wirklich hin- und hergerissen und auch nicht sonderlich intrigant... Nun ja, und Rochefort? Er hat mit seiner Vorlage im Buch wohl das Allerwenigste zu tun... Wenn im Buch Mylady die gewissenlose Schurkin ist, Rochefort dagegen der noch halbwegs ehrenhafte Gegner, dann sind hier die Rollen eindeutig vertauscht. Nun zum König... Ich weiß, daß niemand ihn in dieser Verfilmung leiden mag, und ich gebe zu, daß er nicht gerade eine Schönheitskonkurrenz gewinnen könnte und mit Dumas' Louis wenig gemein hat - aber vielleicht ist er bis zu einem gewissen Grade von seinem historischen Vorbild inspiriert. Die Handlung des Films ist so, wie sie ist, abstrus - aber hat schon einmal jemand darüber nachgedacht, daß sie in sich durchaus schlüssig wäre, wenn man sie einige Jahre vorverlegte, einiges etwas abmilderte und Richelieu durch Concini ersetzte? Dann wäre die Emanzipation des jungen Königs durchaus glaubwürdig - und auch die Ermordung des machtgierigen Ministers und die diffusen Verweise auf ein Intrigenspiel schon zur Zeit Henri IV. würden etwas Sinn gewinnen... Insofern - Ehrenrettung für Louis! ;-)


    Das ist alles, was mir im Augenblick einfällt - aber ich hoffe auf die Meinungen der Anderen!


    Viele Grüße


    Maike

    Hallo Heike,


    die Dame heißt "Eglantine de Rochefort", und der Vorname ist nicht so schlimm, wie er sich anhört; er wäre etwa mit "Wildrose" zu übersetzen, wenn ich mich nicht gerade völlig irre.
    Ich war ja fast dafür, sie für Rocheforts Tochter zu halten (wäre doch nett, wenn d'Artagnan und Rochefort den einen Zug gemeinsam hätten, ihre Töchter jeweils zwecks Erziehung in ein Kloster in Südfrankreich abzuschieben... ) - aber vielleicht ist sie auch seine Witwe - *duck* - oder Nichte oder überhaupt keine Verwandte... Ich ergehe mich nicht weiter in Spekulationen, denn ich würde gerne Deine geniale Fanfiction "Rocheforts Tochter" (die Gegenperspektive zu "D'Artagnans Tochter") lesen... Bald!! Mach' Dich ans Schreiben!


    Was Kiefer Sutherland betrifft - aussehen, wie ich mir Athos vorstelle, tut er nicht unbedingt, aber das tut Oliver Reed noch weniger... Der Herr aus der 61er Verfilmung ist aussehensmäßig überzeugender, und, wie gesagt, die attraktiven Herren aus den Stummfilmen...


    Das Problem an den meisten (neueren) Musketier-Verfilmungen (übrigens auch der allerneuesten, "The Musketeer", aber ich nehme auch Gene Kelly nicht aus) besteht darin, daß die Personen zu sehr in bestimmte Schablonen gepreßt werden - und Athos wird zumeist als der verbitterte Trinker dargestellt, weshalb er auch in der Regel mit jemandem besetzt wird, der einen verbitterten Trinker darstellen kann. Ich weiß nicht, ob diese Reduzierung speziell ein Produkt von Hollywoodfilmen ist, aber ich finde es auffällig, daß gerade Athos in französischen Musketier-Verfilmungen differenzierter dargestellt wird (in der ganz, ganz alten Stummfilm-Version von Henri Diamant-Berger sieht er aus wie ein Edelmann... Silvia, willst Du einen der Screenshots von ihm mal zum Vergleich in die Galerie stellen? ). Allerdings, nun ja - ganz kann das auch nicht sein, denn Tavernier hat ja eher einen ... nun ja... nicht ganz als Athos erkennbaren Athos in seinem Film (beim ersten Ansehen habe ich zuerst vollkommen im Dunkeln getappt und während der ersten Szene ernsthaft gedacht, es handele sich um Rochefort, weil es doch ein intelligenter Witz wäre, einen mit Mazarin zusammenarbeitenden, in Anlehnung an andere Verfilmungen augenklappentragenden Rochefort darzustellen... ).


    Aber eigentlich ist noch etwas auffällig... Die Darstellung von Athos in den Filmen ist eines unserer beliebtesten Diskussionsthemen im Forum seit Ewigkeiten. Gut, er ist eine relativ zentrale Gestalt... Aber wir könnten uns ja auch einmal den anderen Musketieren widmen, oder auch Rochefort, Mylady, dem König, etc... - sie wurden alle schon einmal in dieser Diskussion gestreift, aber richtig eingeschossen haben wir uns doch alle eher auf Athos.


    Viele Grüße


    Maike

    Hallo Sarah,


    ja, wenn wir mal gar nichts mehr zu tun haben, könnten wir noch ein Thema aufmachen "Wie könnte man die Musketier-Geschichte noch abstruser abwandeln"? Da darfst Du dann d'Artagnans langverlorenen Bruder posten... Ach ja, und vielleicht auch noch, daß Raoul in Wirklichkeit Porthos' Kind war und Athos nur untergeschoben wurde, was Porthos' absonderliche Depression in diesem Film erklären würde... :-D Oder wir loben einen Wettbewerb für die abstruseste Verdrehung der Romane aus... Wer "The Musketeer" von Peter Hyams handlungsmäßig schlägt, bekommt eine Tüte Gummibärchen, oder so... :-D


    Aber was John Malkovich betrifft: Schauspielerische Qualitäten hat er in jedem Fall, das ist unbestritten... Aber was nun sein Aussehen betrifft - Schönheit entsteht im Auge des Betrachters, nicht wahr? Es spricht doch nichts dagegen, daß Du ihn gut findest - aber Geschmäcker sind nun einmal verschieden... Siehe die Diskussion um den idealen Athos - Kiefer Sutherland? Oliver Read? John Malkovich? - Oder doch der Herr aus der Stummfilm-Verfilmung von Henri Diamant-Berger (für den hübschen Burschen wäre ich ja... ;-))?


    Viele Grüße


    Maike

    Hallo,


    das Thema ist ja wieder schön aktiv... Und etwas, was Heike gerade gesagt hat, inspiriert mich, mich auch nochmal einzumischen. ;-)
    Silvia & ich haben neulich den 93er Film auch nochmal angesehen, und gerade die Szene im Gasthaus, die Heike erwähnt, hat es irgendwo in sich, mag man nun zum Darsteller des Athos stehen, wie man will - sie ist auch dann noch ein Hochgenuß, wenn mann, solange das möglich ist, an Kiefer Sutherland vorbeiguckt und diese Tanzszene im Hintergrund beobachtet, bei der man eigentlich gar nicht mehr ernstbleiben kann. Dieser Kontrast - hie die tragische Liebesgeschichte, da ausgelassenster Blödsinn - ist irgendwie gar nicht so übel gemacht... Ausstattung und Kostüme (am Besten ist immer noch Girard angezogen) werden dadurch noch nicht besser... Und über Mylady könnte ich mich jedesmal neu aufregen. Die Frau könnte derart gut aussehen - und wie haben sie ihr die Frisur verhunzt, und in was für Trödelmarkt-Kleider haben sie sie gesteckt!


    Was den "Mann in der eisernen Maske" angeht - was habt ihr eigentlich gegen John Malkovich? Gut, er ist eindeutig keine Schönheit - aber in der englischen Originalversion spricht er mit einer glasklaren Betonung, so, als stünde er wirklich auf der Bühne und nicht vor einer Kamera. Das fand ich ganz eindrucksvoll - und gemeinsam mit Jeremy Irons liefert er doch noch die beste Vorstellung im ganzen Film. Nun gut, nichts gegen Gabriel Byrne - aber mein favorisierter alternder d'Artagnan ist und bleibt Philippe Noiret.


    Womit wir bei dem bisher sträflich von fast allen vernachlässigten Film wären, "La fille de d'Artagnan". Ich habe zwar in der Abstimmung für Gene Kelly gestimmt, weil ich die Frage so (miß)verstanden habe, als ob es um die beste Verfilmung ginge, aber wenn ich meinen Lieblingsfilm von den ursprünglich genannten (die 61er und die Stummfilme mal außen vor) benennen sollte - ich glaube, es wäre doch dieser hier. D'Artagnan ist herrlich getroffen, und Philippe Noiret spielt ihn ausgezeichnet. Ich liebe eigentlich fast jede Szene, in der er auftritt, sei es das "Gespräch" mit dem (vorgeblich) toten Athos, seine erste Reaktion auf Quentin la Misère oder sein Eindringen beim König... Das zweite große Plus dieses Films ist der umwerfende Humor, der zugleich eine breite Kenntnis der Bücher einerseits und der französischen und europäischen Geschichte andererseits verrät. Daß außerdem noch gängige Handlungsmuster (die verschlüsselte Botschaft, die Verschwörung gegen den Thron, etc.) herrlich auf die Schippe genommen werden, trägt zu dem Hochgenuß noch bei. Außerdem sind Ausstattung und Kleidung zeitgemäßer und besser als in fast jeder anderen Musketierverfilmung - ist schon einmal jemandem aufgefallen, daß Eloise, wenn sie zufällig mal ein KLeid trägt, anders als fast jede andere Frauengestalt in einem Musketierfilm ein historisch korrektes Kleid anhat und passend frisiert ist? Wenn das noch nicht ausreichen würde, um mich für den Film einzunehmen, dann täte es spätestens dieser herrlich überzeugende, italienisch schimpfende Mazarin. :-) Die übrigen historischen Figuren (z.B. der jugendliche König und die kurz auftauchende Anna von Österreich) sind auch überzeugender als z.B. im "Mann in der Eisernen Maske". Außerdem sind die Nonnen - "Habt Ihr etwas scharfes oder spitzes dabei?" - einfach nur herrlich, und es gibt so unglaublich viele Anspielungen auf französische Eigenheiten... Eine meiner Lieblingsszenen ist deshalb auch die Stelle mit dem Hirten ("Crassac-le-Petit, Crassac-le-Vieux---"). Deshalb also zumindest hier eine Stimme für "D'Artagnans Tochter" (und ihren schusseligen Verlobten, den ich bisher noch nicht erwähnt habe, und die rote Spitzmaus, und, und, und.... :lol: )!