Es war ein ungemütlicher, stürmischer Novemberabend und die Bewohner der Häuser in der Rue de Vaugirard schienen früh zu Bett gegangen zu sein. Kaum ein Licht fiel durch die Fenster auf die Straßen, ungewöhnlich dunkel lag die Straße am Jardin du Luxembourg da.
Der Wind drückte sich gegen die dünnen Scheiben des Fensters in Nummer ? und drang durch die kleinen Ritzen im Fensterrahmen, sodass die samtenen Vorhänge, die das Licht nach außen abschirmen sollten, zum Schwingen gebracht wurden. Bei schwachem Kerzenlicht stand Aramis an einem Bettpfosten gelehnt und war dabei eine Handlung durchzuführen, die er schon routinemäßig tat, und die ihn dennoch jedes Mal Überwindung und Nerven kostete. Die Spitze seines Dolches schob sich vorsichtig unter das Wachssiegel des Briefes in seiner linken Hand und löste es von dem Papier.
Mme de Chevreuse hatte ihm die Erlaubnis erteilt sämtliche Briefe, die er von der Königin an sie übermitteln sollte, vorher zu prüfen, und dann anhand des Inhaltes selbst zu bestimmen, wie er sie erreichen sollte. Er machte es nicht gerne. Es barg natürlich ein Risiko und es ging hier nicht um einen eifersüchtigen Ehemann sondern manches Mal um eine politisch heikle Sache. Wobei genauer betrachtet das Liebesleben der Königin auch eine politisch heikle Sache darstellte. Stirnrunzelnd überflog er die Zeilen. Das übliche ...anfangs. Doch dann, kamen tatsächlich die von ihm stets befürchteten Details und dieses Mal waren sie besonders kritisch. Richelieu, Spanien... Leise verfluchte er die Königin und dachte dieses Mal nicht daran ein Kreuz in der Luft zu schlagen.
Wütend über sich, dass er das ganze mitmachte und wütend auch über die Königin, daß sie solche Sachen zu einer Verbannten über einen mehr als fragwürdigen Weg unbekannter Boten schickte, schritt er zum Tisch um den Brief mit seinem eigenen Siegelwachs wieder zu schließen, als er plötzlich innehielt. Gepolter drang von der Treppe zu ihm hinauf.
Geistesgegenwärtig ließ er den Brief in sein Wams gleiten. Gerade noch konnte er seinen Degen aus der Scheide ziehen, als 2 Männer in dunklen Mäntel durch die Geheimtür seines Zimmers eintraten.
"Athos.. D'Artagnan...was um Gottes Willen...?"Er ließ den Degen sinken.
"Dafür ist jetzt keine Zeit!", entgegnete Athos und trat vorsichtig ans Fenster. "Du wirst beobachtet, mein Freund. Dein Haus überwacht."Athos sah hinunter. "Gardisten! Mindestens 10 Mann." Stellte er ruhig fest.
Aramis bemerkte wie er zitterte und schnell steckte er den Degen zurück in die Scheide.
D'Artagnans Hand legte sich auf seinen Arm. "Hast du eine Ahnung, was sie von dir wollen? Ich habe zufällig im Louvre einen Gardisten belauschen können, der seinen Kumpanen zu deiner Wohnung geschickt hat, deswegen sind wir hier" Erklärte der Gascogner.
Athos trat zu ihm. "Ich denke nicht, dass wir noch viel Zeit haben, sie sammeln sich." Er hielt einen Moment inne. "Du hast wieder eine Nachricht?" fragte er plötzlich und sah den Jüngeren mit einem durchdringenden Blick an. Aramis erwiderte den Blick und zog schließlich den Brief heraus. "Er ist sehr gefährlich!", sagte er knapp.
Athos' Stimme wurde eindringlicher. "Wir müssen ihn vernichten." Seine Hand wies zum offenen Kamin.
"Ja", bemerkte d'Artagnan, "Athos hat recht, wir müssen ihn verbrennen. Und wer weiß, ob der Herr Kardinal nicht sogar das Geheimnis kennt, wie man in der Asche liest."
"So ein Geheimnis wird es sicher geben!", meinte Athos.
Beide Männer klangen nun doch leicht gehetzt. Aramis nickte, doch erst als vom Treppenhaus her Geräusche zu ihnen hinaufdrangen, schritt er zum Kamin und warf das Papier ins Feuer. Wenige Augenblicke später, wurden sie von mehr als 10 Gardisten bedroht. Da kein Beweis zu finden war, nahmen diese kurzerhand die vorgefundenen Musketiere mit zu Richelieu. Dieser hielt sich nicht lange mit den wohlbekannten Männern auf und gestand sich ein weiteres Mal ein, zu spät gekommen zu sein.
Aramis hingegen beschloß Bazin auf eine kleine Reise nach Tour zu schicken.