Strafen in der Armee

  • Was mich mal interessieren würde - wisst ihr etwas über Strafen in der Armee, speziell bei den Musketieren oder zu der Zeit? Ich habe da ziemlich lange rumgesucht, als ich die Confrontation-Geschichte schrieb, aber nicht viel gefunden. Neunschwänzige Katze, Spießrutenlaufen, Karzer, das war so ziemlich alles. Abgesehen natürlich von der Todesstrafe. Aber ich weiß nicht, ob Adlige z.B. ausgepeitscht werden durften, ob diese Strafe Tréville zur Verfügung stand. Bastille, sonst nix?

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Das ist echt ein spannendes Thema, bei dem ich auf die gleichen Probleme gestossen bin, wie du.


    Ich bin hier auf was gestossen, über die preußische Armee.

    Zitat

    In rascher Folge verabschiedet Friedrich Wilhelm I. bis zum Jahr 1726 mehrere Militärreglements, die Leben und Dienst der Soldaten auf das strengste und penibelste regeln. Ausbildung und Drill sind hart und grausam. Geringste Verstöße werden hart geahndet. In den Stock spannen, Reiten auf dem scharfen Esel, Krummschließen und Arrest sind Strafen, die der Soldat schon aus dem Zivilleben kennt. Nicht vorschriftsmäßige Montur oder Frisur haben Prügel zur Folge. Neu ist das Spießrutenlaufen, womit Räsonieren, Trunkenheit, Prügelei und Glücksspiele bestraft werden. Mängel an Montur oder Frisur haben Prügel zur Folge. Räsonieren, Trunkenheit und Glücksspiele werden mit Spießrutenlaufen bestraft, Angriff gegen den Vorgesetzten oder Desertation mit Erschießen oder Hängen. Die Todesstrafen werden nicht immer vollzogen. Zu kostbar ist das Leben des Soldaten. Die Ausbildung der Armee erfolgt nach modernsten Regeln des Kriegshandwerks. Lehr-, Exerzier- und Drillmeister ist General Fürst Leopold von Anhalt-Dessau, genannt der " Alte Dessauer". Er führt den Gleichschritt und den eisernen Ladestock in der preußischen Armee ein. Friedrich II. berichtet aus eigener Anschauung .

    Äh, die ersten drei Strafen sind mir aber nicht wirklich ein Begriff. Und was ist Räsonieren? ?(

    "Es heißt, jedermann soll seinen Preis haben, Gebieter. Manche dieser Preise sind jedoch zu hoch, als daß irgendwer sie zu entrichten vermöchte."
    "Und dein Preis ist so hoch?"
    "Hoch genug, daß niemand außer Euch ihn je zahlen könnte, mein König"

  • @Kalou


    Ein wirklich interessantes Thema. Als ich den Musketierroman gelesen habe, ist mir immer wieder aufgefallen, wie locker Tréville mit seinen Musketieren umging, er gewährte ihnen immer Urlaub wenn sie welchen brauchten, und bestraft wurden sie eigentlich nie. In der Realität war ein Hauptmann jener Zeit, also der echte Tréville bestimmt strenger.
    Vielleicht irre ich mich ja, aber für mich kam er im Roman als Hauptmann doch sehr locker und väterlich vor. Fand ich sympathisch, aber im echten Militärdienst wars bestimmt nicht so.




    @Astrid


    Ich glaube, räsonieren heisst ungefähr soviel wie motzen oder murren, also wenn sich jemand in über die zustände in seinem Regiment beschwerte. Ich hätte nie gedacht, dass früher in den Armeen das Glücksspiel bestraft wurde, denn im Roman machten die Musketiere das ja häufiger.
    Aber die preußische Armee soll ja die strengste von allen gewesen sein, dort herrschte der härteste Drill. Ob das im Frankreich des 17. Jahrhundert genauso war, da bin ich mir nicht ganz sicher, vermute aber, dass es auch dort längst nicht so locker wie im Roman zuging, dass der echte Tréville kein Vorgesetzer war, der seinen Männern fast alles durchgehen ließ und ihnen half wo er nur konnte.

  • @ Astrid: Danke für den Verweis! Ja, Räsonieren kommt vom Französischen ´la raison´, der Verstand. Man wollte wohl nicht, dass die Soldaten ihren Verstand gebrauchten, sprich Einwände erhoben, sprich motzten. Wie war das mit dem Denken und den Pferden ;) ? War das nicht auch ein Preusse, der das gesagt hat? Reiten auf dem scharfen Esel dürfte so was wie auf einem Holzscheit sitzen sein, bei dem die spitze Seite nach oben gedreht war. Stell ich mir ziemlich unangenehm vor 8| . In den Stock spannen? Keine Ahnung, vielleicht sowas wie Ziehbank? Streckbank? Kommt Krummschließen nicht irgendwo in Winnetou vor?... ja, hab´s gelesen ;) ... So die Arme nach hinten ziehen und mit den Beinen verschließen, dass der Mensch gekrümmt ist wie ein Ring? Auch nicht schön. Aber mir geht es wie dir, Alienor, ich finde auch, dass Tréville das Ganze etwas zu locker angeht. Gut, sie waren Adlige, da muss man einen Unterschied zum normalen Soldaten machen, aber dass Richelieu offene Insubordination durchgehen lässt, fand ich schon ein wenig krass. Und genau da habe ich angefangen mich zu fragen, wie sie denn hätten bestraft werden können. Denn immerhin gab es zu d´Artagnans (historisch meine ich jetzt) Zeit Kasernen und Disziplin, da muss es Strafen gegeben haben. Zu Trévilles Zeit war es wohl ein wenig lockerer, aber trotzdem durften sie sicher nicht machen, was sie wollten. Interessant fand ich die Sache mit den Gleichschritt: Tatsächlich gab es ja Uniformen und Gleichschritt erst ziemlich spät, aber in den Filmen dürfen die Musketiere immer im Gleichschritt gehen ...

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  • kaloubet
    auch wenn der Gleichschritt später kam, eine gewisse Schlachtordnung gab's schon. Ich meine die Infanterie hatte ja Vorderlader, mußte da nicht die erste Reihe kniend schiessen und dann die zweite stehend, um nachladen zu können? Und das war ja auch auf Befehl.

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  • Ja, aber das hat auch ein Preusse erfunden, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht. Das galt als die große Neuigkeit auf dem Schlachtfeld - man müsste mal nachforschen, wer das erfunden hat. Die Musketiere unter Louis XIII waren vermutlich noch nicht so gut organisiert. Unter Louis XIV dann schon mehr, da gab´s ja die Kasernen und die Verstärkung der Disziplin.

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  • Mal zurück zum Thema, Strafen in der Armee. Wie haben die eine Arretierung realisiert, z.B. vor La Rochelle? Loch in Erde, Beschuldigter rein?
    Ich mein, ein Zelt ist als Zelle trotz der ähnlichen Schreibweise nicht wiklich geeignet, oder?

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  • :D Loch in die Erde wäre nicht schlecht. Und als Nahrung die Regenwürmer, die ab und zu vorbeikriechen :D . Wie wäre es mit einem requisitionierten Bauernhof und dem dazugehörigen Kartoffelkeller? Gut, ich gebe zu, das habe ich schon mal geschrieben, aber ich könnte mir denken, dass die Führung keine Lust hatte, in Zelten zu wohnen. ODer einfach in Eisen legen, da kommt´s dann nicht auf die Stärke der MAuer an.

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  • Ich hätte auch mal noch ne Frage...und dachte, die passt am besten hier in den Armeethread, will ja nicht schon wieder ein neues Thema aufmachen.
    Am Wochenende habe ich in der Zeitung einen Artikel über den ersten Weltkrieg gelesen, und da kam der Begriff "Musketier" noch vor. Das hat mich doch etwas verwundert, da man ja damals bestimmt keine Musketen mehr verwendete.
    Weiss jemand hier, wie lange es eigentlich Musketiere gab? Und benutzten die womöglich im ersten Weltkrieg wirklich noch die altertümlichen Musketen?

  • Das hier stand dazu in Wikipedia: "Noch während des Ersten Weltkriegs gab es in der deutschen Armee
    als untersten Dienstgrad der Infanterie den „Musketier“. Die
    Dienstgrade allgemein – mit dem Musketier – waren 1808 während der
    napoleonischen Besetzung in der preußischen Armee eingeführt worden." Vermutlich schossen sie aber mit stark verbesserten Musketen - wenn die denn noch so hießen.

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  • @Kalou


    Danke für die Info, jetzt blicke ich da endlich richtig durch.
    Ist schon seltsam, dass unter Louis XIII die Musketiere Elitesoldaten waren, und dann Jahrhunderte später der unterste Dienstgrad waren.
    Mir fiel in dem Artikel den ich gelesen habe auch auf, dass schon 17 bis 18 jährige als Musketiere in der Armee waren. Ich vermute auch mal, dass die Musketen verbesser waren, sonst wären sie damit nicht weit gekommen.

  • Du musst zwischen den gewöhnlichen Musketieren und den Musketieren de la maison du roi unterscheiden. Gewöhnliche Musketiere waren ganz normale Soldaten, es gab sie schon zu Zeiten Louis XIII. Sie wurden mit Musketen ausgestattet, waren deswegen was Besonderes im Heer, hatten aber mit der Leibgarde Louis XIII nichts zu tun. Das waren die ´mousquetaires du roi´, die zur ´maison du roi´ gehörten, sie waren adlig, bezogen immer ihren Sold, nicht nur zu Kriegszeiten, und konnten auch zu Pferd eingesetzt werden. Die anderen gehörten zur Infanterie. Die Leibgarde, diese besonderen Musketiere, wurden immer wieder aufgelöst, die herkömmlichen Musketiere in der Infanterie nicht. Die gab es durchgehend, sie waren ja nix besonderes und kosteten deswegen auch nicht so viel Geld.

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  • @Kalou


    Dashabe ich gar nicht gewusst, im Roman kam das so auch gar nicht vor. Da wurden nur die Musketiere erwähnt, zu denen d´Artagnan unbedingt gehören wollte, und ausserdem noch das Regiment des Monsieur d´Essart, in das er schliesslich aufgenommen wurde, bis er zum Musketier wurde.
    Und so dachte ich beim Lesen immer, dass es nur diese Elitemusketiere und die Gardesoldaten von d´Essart gab.
    Das Regiment von d´Essart, waren das diese gewöhnlichen Musketiere? Oder war das nochmal ein ganz anderes Regiment?

  • Die Garde de M. des Essarts waren keine Musketiere. Es handelte sich um ein ´normales´ Regiment, vermutlich ein Infanterieregiment wie die ´gardes francaises´, in der die Musketiersanwärter normalerweise vor Aufnahme in das Eliteregiment dienten.

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  • Guten Tag zusammen,


    habe gerade die Musketier-Trilogie gelesen, bin dabei über dieses Forum gestolpert und mag hier mal eben meinen militärhistorischen Senf dazugeben:


    Ihr müsst das ganze (Musketiere als Truppe, Dienstgrad, etc.) im zeitlichen Verlauf sehen. Gerade das 17. Jhdt stellte eine Phase des Umbruchs dar. Die Musketen, Arkebusen usw. waren keine sehr zuverlässigen Waffen und zT sehr schwer. Das Nachladen dauerte recht lange und die alten Modelle wurden mit einer brennenden Lunte gezündet, daher auch der Ausdruck "der hat Lunte gerochen" (im Sinne von: er ahnt die Gefahr). Die Schlachten wurden hauptsächlich mit Blankwaffen ausgetragen, die damals quasi als "state of the art" angesehene Doktrin waren die spanischen "Tercios". Das waren ca. 3000 Mann starke "Würfel" aus Pikenieren, ähnlich der alten Phalanx von Alexander d. Gr. An den Ecken der Tercios hielten sich Musketenschützen auf, die quasi als Plänkler den Feind zermürben sollten, bei Gefahr zogen diese sich hinter die Tercio zurück. Die Kavallerie war gepanzert, war aber eigentlich nur eine berittene Pistolenschützentruppe. Im Trab auf den Gegner zu, 2 Pistolen abfeuern und wieder weg, nachladen. Im Verlauf des 17. Jhdts wurden die Musketen allerdings besser und neue Taktiken wurden entwickelt, mit denen die alten Tercios veraltet waren. Man darf nicht vergessen, dass parallel zu den Romanen in "Deutschland" der 30jährige Krieg tobte und meist entwickelt sich die Waffentechnik ja gerade in Kriegszeiten weiter...


    Als einer der deutlichen Wendepunkte ist die Schlacht bei Breitenfeld zu sehen:
    Die Schweden unter Gustav II Adolf hatten ihre Armee komplett umgekrempelt und modernisiert:
    Die Pikeniere wurden quasi abgeschafft, die Infanterie wurde hauptsächlich mit Musketen ausgerüstet und in linear, dh. in langen Schützenlinien aufgestellt. Die Artillerie bekam kleinere und leichtere Geschütze, die zT. unmittelbar bei der Infanterie aufgestellt wurden. Kleiner und leichter bedeutet: beweglicher, höhere Schussfolge (und mehr Kanonen insgesamt). Die Reiterei wurde wieder zur "Schock-Kavallerie", dh. Reiter neben Reiter, so dass sich die Kniee berühren, dann im Schritt auf den Gegner zu, dann Trab und die letzten Meter dann im Galopp, in den Gegner einbrechen und dann von oben mit dem schweren Reitersäbel draufhauen. Dank der Erfolge der neuen Taktik starb die Tercio aus und die Armeen gingen dazu über nur noch Schützen als Infanterie aufzustellen. Die "klassische" Zeit dieser Kriegsführung ist dann das 18. Jhdt (z.B. Friedrich der Große)
    Der "Musketier" war von der Elite zum Otto-Normal-Soldaten geworden und deshalb vermutlich auch der Dienstgrad "Musketier", so wie heute "Schütze", "Funker", etc. Halt einfach ein Kerl mit einem Gewehr in der Hand. Davon abgesehen gibt es ja in Ländern mit ungebrochener Militärtradition heute noch sowas wie "Royal Scottish Dragoon Guards", "Light Horse", etc. Und von denen reitet garantiert keiner mehr mit dem Gaul ins Gefecht. :-)


    Und nein, im 1. Wk gab es keine Musketen mehr, die deutsche Standardwaffe war der Karabiner (Kar)98. Eine Muskete ist ein Vorderlader und verschwand in der 2. Hälfte des 19. Jhdts. Zu diesem Zeitpunkt kamen Hinterladergewehre mit Verschluss auf. Um eine Muskete zu laden, muss man mindestens knieen, wenn nicht sogar stehen, um mit dem Ladestock hantieren zu können. Ein Hinterladergewehr kann im Liegen nachgeladen werden und feuert ausserdem um einiges schneller. Naja, wenn die eine Seite zum Schiessen stehen muss und die andere sich schön in Deckung legt, kann man sich das Ergebniss sicherlich vorstellen. So auch geschehen 1866 bei der Schlacht von Königgrätz (Sadowa)


    So, genug gefachsimpelt.
    Grüße, MC

  • Guten Tag zusammen,


    habe gerade die Musketier-Trilogie gelesen, bin dabei über dieses Forum gestolpert und mag hier mal eben meinen militärhistorischen Senf dazugeben:


    Ihr müsst das ganze (Musketiere als Truppe, Dienstgrad, etc.) im zeitlichen Verlauf sehen. Gerade das 17. Jhdt stellte eine Phase des Umbruchs dar. Die Musketen, Arkebusen usw. waren keine sehr zuverlässigen Waffen und zT sehr schwer. Das Nachladen dauerte recht lange und die alten Modelle wurden mit einer brennenden Lunte gezündet, daher auch der Ausdruck "der hat Lunte gerochen" (im Sinne von: er ahnt die Gefahr). Die Schlachten wurden hauptsächlich mit Blankwaffen ausgetragen. Die damals quasi als "state of the art" angesehene Doktrin waren die spanischen "Tercios ". Das waren ca. 3000 Mann starke "Würfel" aus Pikenieren, ähnlich der alten Phalanx von Alexander d. Gr. An den Ecken der Tercios hielten sich Musketenschützen auf, die quasi als Plänkler den Feind zermürben sollten, bei Gefahr zogen diese sich hinter die Tercio zurück. Die Kavallerie war gepanzert, war aber eigentlich nur eine berittene Pistolenschützentruppe. Im Trab auf den Gegner zu, 2 Pistolen abfeuern und wieder weg, nachladen. Im Verlauf des 17. Jhdts wurden die Musketen allerdings besser und neue Taktiken wurden entwickelt, mit denen die alten Tercios veraltet waren. Man darf nicht vergessen, dass parallel zu den Romanen in "Deutschland" der 30jährige Krieg tobte und meist entwickelt sich die Waffentechnik ja gerade in Kriegszeiten weiter. Einen Eindruck von den Tercios bekommt man, wenn ich mich recht erinnere im Film "Alatriste "



    Als einer der deutlichen Wendepunkte ist die Schlacht bei Breitenfeld zu sehen:
    Die Schweden unter Gustav II Adolf hatten ihre Armee komplett umgekrempelt und modernisiert:
    Die Pikeniere wurden quasi abgeschafft, die Infanterie wurde hauptsächlich mit Musketen ausgerüstet und in linear, dh. in langen Schützenlinien aufgestellt. Die Artillerie bekam kleinere und leichtere Geschütze, die zT. unmittelbar bei der Infanterie aufgestellt wurden. Kleiner und leichter bedeutet: beweglicher, höhere Schussfolge (und mehr Kanonen insgesamt). Die Reiterei wurde wieder zur "Schock-Kavallerie", dh. Reiter neben Reiter, so dass sich die Knie berühren, dann im Schritt auf den Gegner zu, dann Trab und die letzten Meter dann im Galopp, in den Gegner einbrechen und dann von oben mit dem schweren Reitersäbel draufhauen. Dank der Erfolge der neuen Taktik starb die Tercio aus und die Armeen gingen dazu über nur noch Schützen als Infanterie aufzustellen. Die "klassische" Zeit dieser Kriegsführung ist dann das 18. Jhdt (z.B. Friedrich der Große/ 7jähriger Krieg, wie hier bei Barry Lyndon oder dem US-Unabhängigkeitskrieg)
    Der "Musketier" war von der Elite zum Otto-Normal-Soldaten geworden und deshalb vermutlich auch der Dienstgrad "Musketier", so wie heute "Schütze", "Funker", etc. Halt einfach ein Kerl mit einem Gewehr in der Hand. Davon abgesehen gibt es ja in Ländern mit ungebrochener Militärtradition heute noch sowas wie "Royal Scottish Dragoon Guards", "Light Horse", etc. Und von denen reitet garantiert keiner mehr mit dem Gaul ins Gefecht. :-



    Und nein, im 1. Wk gab es keine Musketen mehr, die deutsche Standardwaffe war der Karabiner (Kar)98. Eine Muskete ist ein Vorderlader und verschwand in der 2. Hälfte des 19. Jhdts. Zu diesem Zeitpunkt kamen Hinterladergewehre mit Verschluss auf. Um eine Muskete zu laden, muss man mindestens knieen, wenn nicht sogar stehen, um mit dem Ladestock hantieren zu können. Ein Hinterladergewehr kann im Liegen nachgeladen werden und feuert ausserdem um einiges schneller. Naja, wenn die eine Seite zum Schiessen stehen muss und die andere sich schön in Deckung legt, kann man sich das Ergebniss sicherlich vorstellen. So auch geschehen 1866 bei der Schlacht von Königgrätz (Sadowa)



    Genug der langweiligen Klugschwätzerei :D


    MfG MadCat

    "...denn ich bin Dein Meister -
    ja, ich bin Dein Meister -
    und Du bist nichts als ein Knecht..."

    Einmal editiert, zuletzt von MadCat ()

  • Oh, langweilig ist das sicher nicht, im Gegenteil. Danke für deine beeindruckende Darstellung und herzlich Willkommen hier im Forum :P . Es ist immer klasse, jemanden zu haben, der wirklich was davon versteht - ich persönlich habe mir zwar einiges angelesen, bin aber nun wirklich kein Militärexperte. Das mit den Tercios etc. ist interessant, wusste ich nicht. In Alatriste kommt ja tatsächlich diese Szene vor, gleich am Anfang, wenn ich mich richtig erinnere, als sie die Lunten um die Oberarme geschlungen haben und immer wieder draufblasen, damit sie nicht ausgehen. Wunderbare Szene für FF ;) . Und so ähnlich dürfte das ja auch bei ´unseren´ Musketieren ausgesehen haben, die Zeit ist ja dieselbe. Was es halt ein wenig kompliziert macht, ist die Tatsache, dass die unseren ;) keine ´normalen´ Soldaten waren, sondern beritten und die Schutztruppe für Louis XIII, d.h. alle aus adligem Hause. Ich nehme an, dass die Muskete die Waffe für´s Feld war, für den Hausgebrauch, sprich in Paris, verwendeten sie vermutlich eher Pistolen oder Degen. Eine Frage, kann man eine Muskete vom Pferd abschießen? Eher nicht, oder? zu lang, zu schwer, nachladen geht auch nicht ...

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  • Ich habe die Links zu den Youtube-Videos nachträglich eingefügt. Ich hatte die Alatriste-Szene noch dunkel im Kopf, dass dann der Ausschnitt, den ich verlinkt habe, genau meiner Beschreibung entspricht war eine freudige Überraschung. Man sieht Tercios, Musketiere als Unterstützung und die gepanzerten Reiter mit Pistolen.


    Bezüglich Deiner Frage: Nein, eine Muskete war zu lang. Das ist ja der Knackpunkt von den Dingern. Der Schütze musste schon eine gewisse Größe haben, um aufrecht stehend nachladen zu können. Dementsprechend gab es auch Mindestgrößen für die Rekruten. Als Lösung für die Kavallerie wurden verkürzte Gewehre eingeführt, die Karabiner. Die wurden am "Bandolier" mittels des Karabinerhakens festgemacht, damit der Reiter eine oder beide Hände freihaben konnte. Nachteil war, dass man nur 1 Schuss hatte, ein Pistolenschütze hatte meist 2 Waffen dabei. Ausgeglichen wurde dies durch die erhöhte Reichweite und Treffsicherheit (relative Treffsicherheit...). Wie das mit dem Nachladen war, weiss ich nicht genau. Glaube, man konnte auf dem Pferderücken nachladen, has hat aber Übung erfordert und ging nicht so schnell.
    Achja, eine Truppe, die solche Waffen nutze waren die Carabinieris, aus denen dann die italienische Polizei hervorging...

    "...denn ich bin Dein Meister -
    ja, ich bin Dein Meister -
    und Du bist nichts als ein Knecht..."

  • @Mad Cat


    Willkommen hier im Forum, wünsch dir viel Spass hier.


    Danke für die interessanten Infos, vieles davon hab ich noch gar nicht gewusst. Du kennst dich ja gut aus, hast du vielleicht Militärgeschichte studiert? Oder schon viel darüber gelesen? Ich hätte zum Beispiel echt nicht gewusst, dass Musketen so schwer zu bedienen waren. Ich hätte auch nie gedacht, dass man diese Pistolen schon nach zwei Schüssen nachladen musste..da waren die ja für den Krieg nicht so gut geeignet.

  • Danke Euch für die netten Worte.
    Geschichtsstudium und ein paar Jahre als Offizier beim Bund hinterlassen halt ihre Spuren. :)
    Hinsichtlich der Waffen hast Du mich mißverstanden. Die hatten alle nur 1 Schuss. Deshalb hat man gerne 2 Pistolen mitgenommen. Da konnte man ganze 2 mal schießen...
    Das Nachladen war schon recht aufwendig, es gab sogar bebilderte Exerzierreglements, in denen alle 43 Schritte zum Nachladen aufgezeigt wurden.
    Hier ist mal eines:
    [Blockierte Grafik: http://www.preussenweb.de/armee/drill.jpg]
    Das war ein ganz schönes Gefrickel, zumal nach ein paar Schuss die Rohe schon anfingen mit Pulverrückständen zu verstopfen. Das ganze dann ruhig durchziehen, am besten noch unter Feuer...Deshalb waren die Preussen auch so für ihren Drill berühmt&berüchtigt.
    Hier nochmal eine Interpretation aus Sicht von Hollywood, man beachte, dass die Waffe ca. 200 Jahre moderner ist als wir es zu Zeiten der Musketiere hatten. Klickmich Hier kommen wir der Sache zeitlich schon näher Film!
    Dann dürft ihr eines auch nicht vergessen, das rauchlose Schießpulver wurde erst vor gut 100 Jahren erfunden. Vorher nutzte man Schwarpulver und das "dampft" ganz ordentlich.
    Nach ein paar Salven konnte man seinen Gegner vermutlich nur noch erahnen. Einen Eindruck vermittelt dieses Video hier. Man beachte, dass dort Geschütze quer durch die Jahrhunderte gezeigt werden.
    Es hat wohl schon seinen Grund, dass man mit "Musketieren" zuerst einmal den Degen und nicht die Muskete assoziiert. :D

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