Das stimmt, es könnte durchaus daran liegen..im 19. Jahrhundert waren ja fast alle Menschen noch extrem gläubig und der Pfarrer kontrollierte in den Dörfern sogar das Leben der Menschen, womöglich waren damals eben tragische Geschichten noch beliebter, weil die Menschen noch glaubten, das Leben sei das Jammertal vor dem versprochenen Himmelreich. Und auch die aus dem Mittelalter stammenden Heiligenlegenden erfreuten sich ja im 19. Jahrhundert noch großer Beliebtheit.
Mich persönlich stört es aber, dass heutzutage auf dem Büchermarkt eine Art Happy End Pflicht zu bestehen scheint...98% aller Romane enden damit, dass die weibliche Protagonistin dem männlichen Protagonisten seufzend in die Arme sinkt, nachdem alle Probleme überwunden sind, besser gesagt, sich praktisch wie von selbst gelöst haben.
Etwas mehr Einfallsreichtum wäre schon gut, und nicht immer diese grässlichen kitschigen Happy Ends. Nicht nur bei Büchern fällt mir das auch, auch in Filmen ist das häufig zu beobachten, was einem ja jegliche Spannung nimmt.
Heutzutage scheinen die meisten Menschen sich nach der Arbeit mit rosaroten schmalzigen Scheinwelten (sowohl bei Büchern als auch bei Filmen) entspannen zu wollen, diese ewig gleichen Enden verleiden mir oft das Fernsehen, weil es einfach nur langweilig ist.
Ich habe ja nichts gegen Happy Ends einzuwenden, aber wenn es fast gar nichts anderes mehr gibt, und diese Happy Ends immer gleich sind, dann wirds langweilig.
Für mich wäre es sowohl bei Filmen als auch bei Büchern eine Freude, bis zum Schluss gespannt sein zu dürfen, wie es ausgeht, und immer wieder überrascht zu werden.
Ich will diese Bücher mit perfekten Helden ohne Fehl und Tadel nicht mehr, das nervt mich! Solche Männer gibts im richtigen Leben nicht, warum meinen die Autorinnen und Autoren also immer wieder, solche in ihren Büchern erschaffen zu müssen?
Mir sind Romane wie die Musketierromane lieber, in denen die Figuren keine perfekten Helden sind, sondern ihre Charaktere viele interessante Facetten aufweisen, und die auch ihre Fehler haben, die sie aber trotzdem liebenswert machen, da hat man beim Lesen richtig seine Freude.
Ich habe diese Romane mit Prince Charming auf dem weißen Pferd und Princess Perfect so satt...diese typischen Mary Sues.
Übrigens um mal zu dem Beispiel mit dem Gang zum Zahnarzt zu kommen..da gabs im 19. Jahrhundert einen Roman, in dem ein Protagonist, eine der Hauptfiguren nach einem Zahnarztbesuch starb...scheint damals wirklich eine Tortur und durchaus nicht ungefährlich gewesen zu sein. Der Roman ist übrigens "Buddenbrooks" von Thomas Mann, kennst du den? Ich fand den Roman sehr gut, weil, genau wie bei den Musketieren, die Protagonisten sehr gut ausgearbeitet sind und man sich gut in sie hineinversetzen kann.
Helden?
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@Alienor
Ich kenne "Buddenbrooks" nur vom Titel her, hab es noch nicht gelesen. Gibt es da nicht auch eine relativ neue Verfilmung?
Ich glaube, dieses Perfektions-Klischee hat nicht nur unsere Romane und Filme, sondern auch unser reales Leben im Griff: Kosmetik, Schönheitsoperationen, Haarverlängerung, künstliche Figur, Verjüngungskuren, Persönlichkeitstraining, Selbstverwirklichungskurse - alles zielt darauf ab, aus einer hominiden Affengestalt ein quasi perfektes Wesen zu machen. Und die gewissen Romane und Filme sollen uns wohl auf diesem Weg bestärken. Aber was geschieht dann, wenn wirs geschafft haben, und dieser Planet von langbeinigen, göttergleichen, sich intellektuell und emotional auf höchstem Niveau befindenden Wesen hoffnungslos überbevölkert ist? Wer wird dann unsere Straßen kehren und unsere Klos putzen?? -
Ja, es gibt eine Verfilmung aus dem Jahr 2008, und noch eine ältere aus den 50 er Jahren, und noch eine Serie aus den 70ern.
Ich habe die von 2008 auf DVD, und auch die aus den 50 ern, kann ich dir beide empfehlen. Die Serie aus den 70ern gibt es nicht auf DVD, zumindest habe ich sie leider noch nirgendwo gefunden. Ich mag die Buddenbrooks, weil die Figuren Tiefe haben, und man sich beim Lesen gut in sie hineinversetzen kann. Am Anfang geht es der Kaufmannsfamilie noch gut, dann kommt allmählich der Abstieg. Das Buch ist sehr traurig, man fühlt beim Lesen richtig mit den Protagonisten mit. Und die Charakteren haben sowohl ihre Stärken als auch ihre Schwächen, was den Roman sehr authentisch macht.
Aber auch die Filme lohnen sich, da in beiden Filmen das meiste aus den Romanen auch umgesetzt wurde, nur wenige Handlungsstränge wurden ausgelassen.
Ja, dieses Perfektionsklischee nervt wirklich sehr
Ich finde, es müsste wirklich mehr Autoren geben, die ihre Romane nicht nach diesem Schema schreiben.
Und im realen Leben find ichs auch nicht gut, dieses Perfektionsklischee, das führt nur dazu, dass sich immer mehr Menschen unvollkommen fühlen -
@Alienor
Oje, dann ist die Verfilmung wohl auch sehr tränendrüsenstrapazierend? Ich bin da total empfindlich, trau mich nicht ins Kino, wenns irgendeine Tragödie spielt, ich musste sogar beim "Phantom der Oper" flennen! Schrecklich, diese Gefühlsduseligkeit! Und das emotionale Gegenmittel, die kühle froidesse Marke Aramis, immunisiert da leider auch nur bis zu einem gewissen Grad. Schluchz! -
Ja, tränendrüsenstrapazierend ist es schon, besonders wenn man es das erste Mal sieht. Wenn du da sehr empfindlich bist, würdest du bei den "Buddenbrooks" Taschentücher brauchen, denn bereits im zweiten Drittel des Filmes setzt der tragische Zerfall der Familie ein, zuerst sterben die Großeltern, Tochter Antonie wird zweimal unglücklich geschieden, Sohn Christian wird geisteskrank, und landet, von seiner geldgierigen Frau völlig ausgenommen, in der Irrenanstalt, dann stirbt Thomas, der älteste Sohn und Bruder von Antonie und Christian nach einer Zahnop auf dem Heimweg, und am Ende des Films trifft es auch noch den Sohn von Thomas, Johann, der am Typhus stirbt.
Das ist schon sehr traurig, da muss man Taschentücher zur Hand haben.
Das Buch ist noch heftiger, sehr emotional und tieftraurig, aber so gut geschrieben und mit einer Tiefe der Charaktere, dass ich es jedem nur empfehlen kann.
Die Handlung geht über fünfunddreißig Jahre, von ca. 1835 bis 1870. -
O weh! Tieftraurig halt ich echt nicht aus! Walt Disneys "Bambi" war mir da schon zu viel! Ich bin echt eine Heulsuse - ich kann eigentlich gar nix dafür, das passiert einfach, da machen sich irgendwelche dunklen Gefühlsebenen in mir selbständig - - peinlich, peinlich!
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Da haben wir wohl was gemeinsam, ich muss bei traurigen Filmen und Büchern auch immer weinen. Als ich "Der Mann in der Eisernen Maske" gelesen habe, und die Szene mit Raoul und Athos im Sarg las, kamen mir auch die Tränen
Daran ist nichts peinlich...ich denke, das ist ganz normal. Mir gehts immer so, wenns in Filmen oder Büchern extrem traurig wird. -
@Alienor
Na, dann bin ich beruhigt, angesichts der Tatsache, dass ich auf diesem Planeten offensichtlich nicht die Einzige mit höchst leicht erschütterbarem emotionalem Seelenzustand bin! Merkst du was? Meine gewisse Ironie ist nichts anderes, als der bemühte Versuch, alle seelischen Anfechtungen auf Distanz zu halten und sie gleichsam "auszusitzen", wie die Galoppsprünge eines ungebärdigen Jungpferds - eine Aramiseigenschaft, wieder mal, ich gebs zu.
Damals in der Volksschule war mein leicht erregbares kindliches Nervenkostüm jedenfalls total peinlich für mich. Unsere Religionslehrerin hat gerne tränendrüsenstrapazierende Geschichten über die Heiligen vorgelesen, und ich hab natürlich, prompt und wie auf Knopfdruck, Rotz und Wasser geheult. Echt bemitleidenswert! Die anderen Kinder in meiner Klasse haben mich bloß zutiefst verwundert angeglotzt, ungerührt und völlig cool -
Apropos, um beim vorgegebenen Thema zu bleiben: Knallharte Helden in Büchern oder Filmen, Marke James Bond etc., die keinerlei Gefühle und schon gar keine Träne in petto haben, mag ich daher überhaupt nicht! -
James Bond mochte ich auch nie, ich fand auch, dass das ein knallharter Held ist, man sah eigentlich nie in einem der Filme, dass er mal Gefühle zeigte(zumindest in keinem der drei, die ich gesehen habe), und auch andere wie den Terminator oder Rocky mochte ich nie, diese Charaktere wirkten auf mich immer etwas steif.
Ironie ist sicherlich nicht der schlechteste Weg, um solche Anfechtungen auf Distanz zu halten, und manche Mitmenschen kann man damit bestimmt auch herrlich irritieren, und sich darüber amüsieren, wenn sie die Ironie nicht begreifen, seltsamerweise gibts ja viele, die ironische Bemerkungen gar nicht als Ironie verstehen.
Kann verstehen, dass das damals peinlich für dich war, mir gings auch so, als ich damals in der Schule als einzige weinen musste, als wir im Kino Titanic angeschaut haben, natürlich haben die anderen das total lächerlich gefunden.
Aber heute denke ich, dass das eigentlich eine gute Eigenschaft ist, dass man sich für solche emotionalen Regungen nicht schämen muss.
Und ich muss dir Recht geben, Ironie ist eine Eigenschaft, die durchaus auch Aramis gehabt haben könnte. Gab es im Roman eigentlich mal Stellen, an denen er ironisch wurde? Seltsam, von Athos kenne ich fast alle Stellen im Roman auswendig, und bei Aramis muss ich immer wieder nachschlagen. -
Ja, mir fällt da eine Stelle gleich am Anfang der 3 Musketiere ein: Porthos sagt im Vorzimmer Trévilles zu Aramis, dieser hätte ja zu Hause geheimerweise eine Soutane unter seiner Musketierkasacke hängen, und er würde sogleich in den Schoß der Kirche zurückkehren, sobald die Königin Frankreich einen Erben geschenkt hätte! Nur müsse er, Aramis, da wohl noch lange warten! Worauf Aramis erwidert, das könne beileibe schneller gehen, als man denkt - der Duke of Buckingham sei in Paris!
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Ja, an die Stelle kann ich mich noch erinnern, die war wirklich genial
Echt herrlich, die Stelle muss ich echt mal wieder lesen.
Ich finde gerade am Anfang des Romans, auf den ersten fünfzig bis siebzig Seiten werden die Charaktere aller Musketiere am besten beschrieben, und man kann sich gleich von jedem der vier ein gutes Bild machen. Und Dumas verstand sich wohl auch darauf, Ironie genau an den richtigen Stellen in den Roman einzubauen. -
Ich mag grundsätzlich "Helden" in Büchern oder Filmen, die ihre Aktionen auch ironisch hinterfragen können. Am schlimmsten finde ich Heldenfiguren, die sich selbst absolut ernst nehmen. Leider sind Filme und Bücher, die diese ironische Ebene beinhalten, dünner gesät, als diejenigen mit Ernstheitsgrad Nr.1. Besonders ernst gehts zu in Biografien bekannter (Helden)Persönlichkeiten. Da sieht man direkt den Weihrauch aufsteigen, aus den üppigen Buchseiten! Ein biografisches Werk, das endlich einmal nicht beweihräuchert, sondern sich seinen beiden zu porträtierenden historischen Persönlichkeiten mit ironischer Distanz widmet, hab ich vor geraumer Zeit entdeckt:
Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt. (Rowohlt 2011, 12.Auflage): "Mit hintergründigem Humor schildert Daniel Kehlmann das Leben zweier Genies: Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß. Er beschreibt ihre Sehnsüchte und Schwächen, ihre Gratwanderung zwischen Lächerlichkeit und Größe, Scheitern und Erfolg. Ein philosophischer Abenteuerroman von seltener Fantasie, Kraft und Brillanz."
Schade, dass es nicht mehr davon gibt - ! -
Das stimmt, Filme und Bücher auf der ironischen Ebene gibt es leider viel zu selten.
Mir ist auch aufgefallen, dass Biografien immer besonders ernst geschrieben sind.
Danke für den Tipp, ich werde mir das Buch mal in der Bücherei ausleihen, klingt ja wirklich sehr interessant. Ich finds auch schade, dass es nicht mehr solch guter Romane gibt.
War der Roman nicht auch ein großer Erfolg? Den Titel habe ich nämlich irgendwo schonmal gehört. Stand der nicht auf den Bestsellerlisten? -
@Alienor
Ja, kann sein, dass der Roman auf der Bestsellerliste stand - er wurde jedenfalls von der Kritik in den höchsten Tönen gelobt, und das verdient er auch.
Hm, eigentlich ist dieses Lob verwunderlich - wer interessiert sich heutzutage schon für Humboldt und Gauß?? -
Ich vermute mal, dass ein Roman heute, wenn er gut geschrieben ist, und sich von anderen Romanen dadurch abhebt, auch, wenn er von Persönlichkeiten handelt, die heute kaum noch jemanden interessieren, ein Erfolg werden kann.
Ich bin mal gespannt, ob der Roman das Lob rechtfertigt. Und anscheinend gibt es ja Autoren, die aus einem eher trockenen, wissenschaftlichen Thema einen spannenden, gut geschriebenen Roman zaubern können. -
So, jetzt wissen wirs, wer der heutige ultimative Held ist : Felix Baumgarten mit seinem Mega-Sprung. Der Begriff "Held" in Zusammenhang mit seiner Person tauchte gestern unzählige Male in den Zeitungskommentaren begeisterter Prominenter und Nichtprominenter auf; ich kann mich nur an eine einzige Aussage erinnern, in welcher die Urheberin meinte, gut und schön, aber Helden wären ihrer Meinung nach andere Leute -
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Also ich sehe das ja so: mutig war er in jedem Fall, dass er das gewagt hat...aber als heldenhaft würde ich das nicht bezeichnen, sondern eher als eine sinnlose Aktion. Das Ganze soll 50Millionen Euro gekostet haben, und die hätte er besser an irgendeine wohltätige Organisation gespendet.
Der Mann scheint auch keinerlei Rücksichten auf seine Familie zu nehmen, im Fernsehen sah man die alle, vor Angst fast verrückt dasitzen.
Dass der Sprung gelungen ist, war reines Glück, und ich bin sicher, dass dieser Baumgartner damit noch nicht genug hat, und sich weitere waghalsige Aktionen ausdenkt...wer weiss, vielleicht ist es ja nächstes Mal ein Sprung aus noch größerer Höhe? Ich denke, dass er ein Mensch ist, der süchtig nach einem gewissen Adrenalinkick ist, und deswegen immer wieder solche verrückten Aktionen startet. Nein, heldenhaft ist das nicht. -
@Alienor
Ich schließe mich deiner Meinung an, Baumgartens Mut ist außergewöhnlich, bewundernswert, aber seine Tat nützt niemandem was, außer seiner Publicity und seinen Hintermännern. Deine Aussage über seine offensichtliche Rücksichtslosigkeit seiner Familie gegenüber find ich auch sehr treffend - muss man seine liebsten Menschen wirklich für nichts anderes als seinen persönlichen Egotrip in Angst und Sorge versetzen? -
Und seine Familie musste das bestimmt schon häufiger erleben, diese Angst um ihn, denn er ist auch schon die Niagarfälle runtergesprungen, und hat noch einige andere waghalsige Aktionen gemacht.
Und irgendwann wird er seine jetztige Aktion bestimmt noch durch eine waghalsigere überbieten wollen. Und das alles nur für einen Eintrag im Guiness Buch der Rekorde...nein, das kann ich nicht nachvollziehen. -
@Alienor
Ja, ich komm da auch nicht mit, mit den Motiven für solch waghalsigen Aktionen - irgendein Beobachter verglich Baumgartens Sprung in seiner Bedeutung für die Menschheit sogar mit der Mondlandung - wobei ich jetzt allerdings nicht weiß, wofür die eigentlich gut gewesen ist. Mich erinnern solche Aktionen immer unwillkürlich an Ikaros und seinen tödlichen Flug in zu großer Höhe - -
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