Wenn ich die drei Musketierromane lese, und ich habe sie schon häufig gelesen, denke ich oft darüber nach, welch bittere Ironie des Schicksals doch den vier Freunden widerfährt.
Im ersten Roman bewahren sie die Königin vor einem handfesten Skandal und Verbannung, indem sie alles daran setzen, die Diamanten der Königin, die diese Buckingham mit nach England gab, zurückzuholen, was dem Gascogner schließlich auch gelingt.
Wenn es ihm nicht gelungen wäre, hätte der König die Königin womöglich verstoßen, und Louis XIV wäre niemals gezeugt worden.
Genau hier sehe ich die bittere Ironie des Schicksals, denn eben jener König ist es, der später in gewisser Weise, wenn auch indirekt, für den Tod von Athos und Porthos verantwortlich ist. Somit hatten sie im ersten Roman, indem sie der Königin aus ihrer Misere halfen, ohne es zu ahnen, den Grundstein zu ihrem eigenen Untergang gelegt, denn mit eben jenem König, den Anna später zur Welt brachte, brach eine neue Epoche an, die sie nach und nach ins Unglück stürzte.
Natürlich hatte Dumas keine andere Möglichkeit, er musste es so schreiben, da es geschichtliche Fakten sind, aber ich frage mich, ob er die bittere Ironie des Schicksals für die Freunde beabsichtigt hatte, oder ob es ihm womöglich gar nicht so bewusst war.
Wenn sie im ersten Roman die Möglichkeit gehabt hätten, fünfunddreißig Jahre in die Zukunft zu blicken, hätten sie der Königin womöglich nicht geholfen, da sie dann erkannt hätten, dass die Rettung der Königin ihnen Jahrzehnte später nichts Gutes bringen wird. Ich meine, wenn der König nie geboren worden wäre, hätte Louise de La Valiére vielleicht Raoul geheiratet, und Porthos wäre nicht auf so tragische Weise ums Leben gekommen, und womöglich hätte es die Schlacht, in der später der Gascogner starb, gar nicht gegeben.
Das sind natürlich nur Gedankenspiele von mir, denn die historische Wirklichkeit ließ ja solche Möglichkeiten gar nicht zu. Aber ich frage mich schon, ob Dumas das so beabsichtigt hatte, dass die Freunde, ohne es zu ahnen, mit der Rettung der Königin, ihr eigenes späteres Unglück herbeiführen, oder ob ihm das beim Schreiben vielleicht gar nicht so bewusst war.
Als ich "Die drei Musketiere" zum ersten Mal las, hatte ich den VdB schon gelesen, und dachte beim Lesen deswegen gleich "die Rettung der Köngin wird ihnen nichts Gutes bringen."
Die bittere Ironie des Schicksals in den Romanen
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Eine interessante Fragestellung. Ich finde ja eh, dass die Romane, allen Filmen und Interpretationen zum Trotz, keine Heldenromane sind. Die vier scheitern, ihre Freundschaft löst sich auf, Aramis scheitert mit seinem großen Komplott, Athos und Raoul sowieso und Porthos lebt mehr oder weniger nur mit. Er profitiert vom Leben der anderen, hat aber eigentlich kein eigenes. Der einzige, dem das Schicksal ein wenig gnädiger ist, ist d´Artagnan und selbst da kann man sich streiten. Er bekommt den Marschallstab, aber stirbt, als er ihn endlich in Händen hält. Sein Leben ist eine ständige Suche nach der Karriere oder dem Geld, Liebe kommt nicht vor, seitdem Constance ermordet wurde - Glück sieht anders aus. Letzten Endes werden alle vier vom Schicksal überrollt ...
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@Kalou
Ja, stimmt...darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht...dass der Gascogner ausgerechnet im Moment seines größten Triumphes, der Erfüllung seines langehegten Traumes sterben musste.
Und es wurden tragischweise wirklich alle vier vom Schicksal überrollt, selbst Aramis, der als Einziger überlebt hat. Er hat hoch gepokert und nicht nur seine Freunde, sondern auch seinen Einfluss auf die politishcen Ereignisse verloren.
Die meisten Musketierfilme(bis auf Diamant Berger) kann man echt vergessen, weil die vier Freunde da als Helden dargestellt werden, und überhaupt nichts mit den Musketieren im Roman gemeinsam haben. Und mir ist aufgefallen, dass die meisten der Verfilmungen immer ein Happy End haben, das mit dem Ende in den Romanen rein gar nichts gemeinsam hat. In fast allen Verfilmungen überlebt Constance und wird mit dem Gascogner glücklich
Ich bin froh, dass die Musketiere in den Romanen keine Helden sind, denn sonst wäre es langweilig, sie sind Dumas so authentisch gelungen, ich denke jeder der Millionen von Lesern, die die Romane im Laufe der Jahrzehnte verschlungen haben, wird sich mit den vier Freunden identifizieren können, weil sie eben in den Romanen wie reale Menschen ihre guten Eigenschaften aber auch ihre Ecken und Kanten haben.
Und es gab ja eine weitere bittere Ironie des Schicksals..nach dem ersten Roman waren die vier Männer nicht nur durch ihre Freundschaft ein Leben lang verbunden, sondern auch durch ein gemeinsames dunkles Geheimnis, den Tod von Mylady.
Am Ende konnten sie ihre schlimmste Feindin außer Gefecht setzen, doch sie zahlten dafür einen hohen Preis, wie sich später im VAA herausstellte.
Und bei Porthos ist es eine bittere Ironie, dass er sich im ersten Roman nach Reichtum sehnte, aber dann doch nicht glücklich und zufrieden war, als er Reichtum und Titel besaß, fühlte er sich im VAA gelangweilt und einsam und war nur zu gerne bereit, d´Artagnan auf seiner Mission zu begleiten.
Schon im VAA wird ja deutlich, dass die vier von der Königin als lästiges Überbleibsel eines alten Regimes betrachtet wurden.
Und mit dem VdB wollte Dumas vielleicht auch deutlich machen, dass nach der Regentschaft von Louis XIII mit Louis XIV ein ganz neues Zeitalter begann. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass es damals, zur Zeit des Sonnenkönigs wirklich so war, dass die alternden Chevaliere aus der Zeit Louis XIII in dieser neuen Ära untergingen. -
Irgendwie kommt`s mir so vor, als wären die Frauen in Dumas`Trilogie die Verkörperung des Schicksals, das die Männer in den Abgrund zieht - Constances Tod stürzt den jungen d`Artagnan in Verzweiflung, Mylady ist Athos` infernalische Schicksalsmacht, Louise treibt Raoul in den Tod, und die Chevreuse sorgt bei Aramis (zumindest für kurzfristige) Verzweiflung. Auch Porthos ist nicht vor weiblicher Schicksalsmacht gefeit, trotz des eher komödiantischen Elements in seiner Beziehung zur Frau Finanzprokurator.
Ach ja, und natürlich Königin Anne, nicht zu vergessen - eine wahre Troublemakerin, wie sich herausstellt.Tja, vielleicht seh ich das jetzt zu überspitzt, aber ich möchte mich persönlich als Frau schon dagegen wehren, von den Männern mit einer solch undankbaren Rolle belastet zu werden: Frauen = die (je nach Autor himmlische oder teuflische) Macht, welche die Männer entweder zu Heldentaten animiert oder aber in den Wahnsinn treibt - das gefällt mir gar nicht, muss ich sagen, so die Verantwortung für die diversen Taten der Kerls in die Schuhe geschoben zu bekommen
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Ja, da hast du schon Recht, im Roman haben die Frauen keinem der vier Freunde wirklich Glück gebracht, sondern sie eher ins Unglück gestürzt. Athos kann nach der Sache mit Mylady nie wieder eine Frau lieben und ihr vertrauen, der Gascogner kommt nie über Constances Tod hinweg, und Raoul wird von seiner unglücklichen Liebe zu Louise in den Tod getrieben. Und für Aramis muss die Chevreuse eine große Enttäuschung gewesen sein. Was Porthos betrifft, auch ihm bringt seine Ehe mit der Coquenard kein Glück, da sie ihn beim Adel der Umgebung ins soziale Aus katapultiert. Und Königin Anne hat es den vier Freunden nicht gedankt, dass sie sie damals aus der Misere mit den Diamanten gerettet haben, sie lässt die Freunde im VAA einsperren, bezeichnet sie als lästiges Überbleibsel des alten Regimes.
Dumas hat den Frauen da in den Romanen keine positive Rolle zugedacht...einzig und alleine die Tatsache, dass auch die Männer im Roman ihre Fehler haben und auch ihre dunklen Geheimnisse stimmt einen beim Lesen wieder versöhnlich...Dumas hatte es wohl nicht darauf abgesehen, die Frauen bewusst in einem schlechten Licht darzustellen.
Was mir aber im VdB auffällt ist die Tatsache, dass d´Artagnan zu Louise bei der Beerdigung von Athos und Raoul sagt, sie hätte die beiden auf dem Gewissen. Das fand ich schon sehr hart von dem Gascogner...Louise hat Raoul gegenüber sicherlich nicht sehr fair gehandelt, indem sie ihm nicht offen sagte, dass sie nichts für ihn empfindet. Sie konnte ja nichts dafür, dass sie sich in den König verliebte, niemand kann ja entscheiden in wen er sich verliebt. Und letztendlich war es Raouls eigene Entscheidung aus dem Leben zu treten, er hätte auch einen anderen Weg wählen können.
Aber im Roman machen auch die Männer ihre Fehler, deswegen nehme ich Dumas die negative Darstellung der weiblichen Protagonistinnen auch nicht so übel. Wären die vier Freunde im Roman Heldenfiguren ohen Fehler, hätte ich ihm die Darstellung der Frauen dagegen sehr übel genommen. Und man muss ja auch bedenken, dass zu der Zeit als Dumas die Romane schrieb, ein ganz anderes Frauenbild herrschte als heute, was sich sicherlich auch auf die Charaktere der Frauen im Roman ausgewirkt hat.
Und immerhin sind die weiblichen Bösewichter bei Dumas intelligenter....Mylady ist um einiges raffinierter als ihr Sohn, der einfach nur impulsiv und rachsüchtig handelt ohne zu überlegen und zu planen.
Mir ist beim Lesen auch schon aufgefallen, dass keiner der vier Freunde mit einer Frau dauerhaft glücklich werden konnte....ob das wohl daran liegt, dass das auch Dumas selbst nicht gelungen ist?
Ich frage mich ja beim Lesen oft, wie viel von ihm selbst in den vier Musketieren steckt, ob er auch eigene Charakterzüge mit eingebaut hat.
Mich regen eher die Romane heutiger Autoren auf, mir fällt vor allem bei Romanen von männlichen Autoren der heutigen Zeit auf, dass deren weibliche Protagonistinnen in Romanen oft nur darüber nachdenken, wie sie dem Mann ihrer Träume näherkommen können
Und zwar sogar bei historischen Romanen und nicht bei Liebesromanen.
Dann frage ich mich doch, was diese männlichen Autoren für ein Frauenbild haben -
@Alienor
Das macht mich eben so unruhig, dass den Frauen hier so viel Macht über die Männer eingeräumt wird - als ob diese nicht selbst für ihre Taten verantwortlich wären. Theoretisch hätte kein Mensch d`Artagnan zwingen können, die ferrets aus England zurückzuholen, wenn er nicht gewollt hätte. Da kommen immer so seltsame, selbstauferlegte Zwänge zum Tragen, und die Auslöser solcher Zwänge sind hier eindeutig die Frauen. Z.B. Myladys Hinrichtung- eine einzige Zwangshandlung. Und so zieht sich das durch, bis zum VdB, siehe dein Zitat.
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Da hast du schon Recht...d´Artagnan und die anderen hätten sich auch dagegen entscheiden können, für die Königin nach England zu reisen. Ich habe das im Roman auch so gedeutet, dass der Gascogner es nicht für die Königin machte, sondern irgendwo im Roman sagt er doch zu Constance, dass er es ihr zuliebe macht. Er glaubte wohl, sie damit endgültig für sich gewinnen zu können. Sicherlich eine fragwürdige Entscheidung. Und was mir im Roman auch auffiel...der Gascogner kennt Constance erst einen halben Tag und reagiert schon wie ein eifersüchtiger Kater, als er sie mit Buckingham sieht, und diesen zunächst mit Aramis verwechselt. Dabei war er da ja noch für sie ein Fremder und sie hatte ihm nichs versprochen. Irgendwie erschien mir das Verhältnis von d´Artagnan und Constance nie wie eine richtige Liebe, er hat sich ja auch mit Mylady und Ketty eingelassen...später trauert er um Constance, obwohl ihm, als sie noch lebte, vermutlich gar nicht so bewusst war, was er an ihr hatte. Und Athos, Porthos und Aramis mussten ja mit ihm mitgehen, da Trévilles Urlaubsbriefe schon bei ihnen eingetroffen waren...d´Artagnan hat den Freunden also gar keine Möglichkeit gelassen, selbst zu entscheiden ob sie ihn begleiten, es war ja sozusagen ein Befehl des Vorgesetzten mit ihm mitzugehen. Vor allem bei Athos wundert es mich aber, dass er mitkam, denn letztendlich hatte er ja dem König Treue geschworen und hielt das Königtum für etwas Hochheiliges, und indem er sich an dieser Englandreise beteiligte, handelte er ja gegen den dem König geleisteten Treueschwur. Myladys Hinrichtung ist wirklich eine aus Panik und Angst geborene Zwangshandlung...ich glaube, dass die vier Freunde sich vor ihr fürchteten und nicht glaubten, dass ein Gericht sie wirklich verurteilen würde. Und ich hatte beim Lesen des Kapitels "Szenen einer Ehe" im Gasthaus zum Roten Taubenschlag den Eindruck, dass vor allem Athos sich wirklich fragte, ob Mylady ein Geschöpf der Hölle, eine Dämonin sein konnte. Die Hinrichtung war eine sehr impulsive Handlung, ein besonders tragischer Fall von Selbstjustiz, und ich vermute, dass alle vier für den Rest ihres Lebens mit Gewissensbissen zu kämpfen hatten.
Ich glaube, dass die vier Freunde im Grunde wussten, dass sie falsch gehandelt hatten, und nie ganz damit fertig wurden.
Über wen ich mich beim Lesen aber besonders aufrege, ist Lord Winter. Und das nicht etwa, weil er ja bei dieser nächtlichen Hinrichtung dabei war...ich denke, Lord Winter trägt die Schuld daran, dass die Freunde sich zwanzig Jahre später einem neuen, gefährlichen Gegner gegenübersahen. Ich habe mich beim Lesen des VAA oft gefragt, was für ein Mensch wohl aus Myladys rachsüchtigem Sohn geworden wäre, wenn Lord Winter nicht einem dreijährigen Kind, das gar nichts für die Taten seiner Mutter konnte, sämtliche Privilegien und den Geburtsnamen mit Hilfe des Königs genommen hätte. Lord Winter ist ein gutes Beispiel dafür, dass den Frauen im Roman so viel Macht über die Männer eingeräumt wird...aus Furcht vor der verstorbenen Mylady gibt er dem kleinen Jungen, der ja sein Neffe ist, gar keine Chance und verstößt ihn, obwohl er in den Musketieren noch gesagt hat, dass er seinen Bruder sehr geliebt hat. Im VAA sagt Mordaunt ja, dass er mehrmals zu seinem Onkel gekommen wäre und dieser ihn verleugnet hätte...und dabei hätte er, wenn er seinen Neffen aufgenommen und liebevoll aufgezogen hätte, sicherlich verhindern können was im VAA geschah. Lord Winters Handeln ist sicherlich keine Entschuldigung für Mordaunts schlimme Taten, aber ich denke mir, dass er wahrscheinlich ein anderer Mensch geworden wäre, wenn Lord Winter ihn in liebevoller Erinnerung an seinen verstorbenen Bruder aufgezogen hätte.
In gewisser Weise, und das ist auch eine bittere Ironie der Romane, hat Mylady, obwohl sie tot ist, ihr Leben lang eine tragische Macht über die bei der nächtlichen Hinrichtung anwesenden Männer. Wobei ich der Meinung bin, dass die vier Freunde in jener Nacht wohl wirklich große Angst vor ihr hatten und nicht glaubten, dass die Justiz sie wirklich verurteilt hätte. Wer weiß...Mylady hätte es vielleicht sogar noch geschafft, ihren Richter zu verführen. -
obwohl sie tot ist,
Das ist eben das Erschreckende, dass hier unsichtbare Kräfte am Werk sind, die bereits vom ursprünglichen Auslöser abgekoppelt sind und ein zerstörerisches Eigenleben entwickeln. Das ist, glaub ich, ein wesentlicher Bestandteil solcher Schicksalstragödien. Wenn mit der Beseitigung der ursprünglichen Ursache, als z.B. mit Myladys Tod, alles geritzt und vorbei wäre, dann wäre die ganze Geschichte um die Musketiere wohl um vieles kürzer. Aber diese Schicksalsmächte entfalten erst dann ihre volle Kraft, wenn sie irrational werden - siehe Mordaunt. Sein Auftauchen erfüllt die 4 Freunde mit namenlosem Schrecken, als würde nun alles wieder vor ihren Augen auferstehen, was sie bereits in der Vergangenheit begraben glaubten. Er ist in ihren Augen nicht bloß ein geistig verstörter junger Mann mit mörderischen Neigungen, nein, sein Status als Myladys Sohn lässt ihn "im Namen Gottes" kommen, als schicksalshafter Rächer seiner Mutter - old sins cast long shadows. Ja, Lord Winter ist ein gutes Beispiel, wie sich solch schicksalshaftes Verhängnis von einer Generation auf die nächste überträgt - er hätte die Chance gehabt, dieses circulus vitiosus zu unterbrechen, doch er tat es nicht, glaubte, damit Gerechtigkeit und Vergeltung für seinen ermordeten Bruder walten zu lassen und legte somit den Grundstein für seinen eigenen Untergang.
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Stimmt...als die vier Freunde Mylady vom Henker von Lillé hinrichten ließen, glaubten sie womöglich, dass damit alles enden und wieder Frieden in ihrem Leben einkehren würde...doch ihr Gewissen ließ ihnen keine Ruhe. Vor allem bei Athos merkt man das schlechte Gewissen im VAA in tragischer Weise...sein schlechtes Gewissen macht ihn blind für die Gefahr, in der er schwebt, als er Mordaunt aus dem Wasser ziehen will. Dabei muss er dann tragischerweise den jungen Mann in Notwehr ermorden, weil er sonst selbst hätte sterben müssen...doch auch das wird auf seinem Gewissen gelastet haben, obwohl er dafür gar nichts konnte, weil er keine Möglichkeit hatte, anders zu handeln. Im VAA wird mehrmals deutlich, dass Athos nicht will dass Mordaunt stirbt, dabei blendet er jedoch völlig aus, dass er selbst, seine Freunde und auch Raoul in Gefahr sind, so lange der junge Mann am Leben ist, da dieser sich so in seinen Hass und seine Rachsucht gesteigert hat, dass er mit keinerlei vernünftigen Argumenten zu erreichen wäre.
Wenn sie Mylady einem Richter übergeben hätten, wäre ihr Gewissen nicht belastet gewesen, und die Schatten der Vergangenheit hätten sie vielleicht nicht wieder eingeholt, da Mordaunt niemals erfahren hätte, wie seine Mutter starb, da der Henker von Lillé sie ja dann nicht im Auftrag der vier Freunde, sondern nur im Rahmen seines Dienstes als Henker gerichtet hätte. Oder ein anderer Henker hätte es getan, in Paris.
Sehr bezeichnend ist auch d´Artagnans Satz im VAA "bleibt nur zu hoffen, dass dieser hier keine Nachkommen hat, damit mit ihm alles endet."
Der Gascogner wurde vermutlich auch von seinem schlechten Gewissen gequält, ihm setzte die Hinrichtung von Mylady damals ja am meisten zu, und er wollte nicht durch Mordaunt immer wieder daran erinnert werden was damals geschah.
Lord Winter legte wirklich durch das Abweisen dieses Kindes den Grundstein für seinen eigenen Untergang...das ist besonders tragisch, da er selbst keine Familie hatte, und er und Mordaunt die letzten de Winters waren...mit ihnen starb das Geschlecht der de Winters aus. Dem Lord war gar nicht bewusst gewesen, dass sein verstorbener Bruder ihm sehr wohl ein Vermächtnis hinterlassen hatte...seinen Sohn.
Ich vermute irgendwie, dass Lord Winter womöglich glaubte, dass der kleine John Francis nicht der Sohn seines Bruders sein könnte. Das ist das Tragische, dass der Lord sich vor einem kleinen KInd fürchtete, weil er glaubte, es wäre genauso wie seine Mutter, und dieses Kind sich dann durch die abweisende Haltung seines Onkels genau so entwickelt.
Und auch Athos legt in gewisser tragischer Weise selbst den Grundstein für seinen späteren Untergang, indem er nicht mehr für sich selbst, sondern nur noch für seinen Sohn gelebt hat, er sagt ja im VAA zu d´Artagnan, dass er keine Kraft mehr hatte, für sich selbst zu leben und nur noch für Raoul lebte. Und irgendwie hat Raoul später das Verhaltensmuster seines Vaters übernommen und nur noch für Louise gelebt, und da Louise ihn nicht liebte musste das tragisch enden. Ich würde nicht sagen, dass Raoul ein schlechter Vater war, im Gegenteil, er war Raoul sicherlich ein sehr guter Vater, aber es war falsch von ihm, nur noch für seinen Sohn zu leben, denn Raoul hat, wenn auch unbewusst, genau dieses Verhalten später übernommen. -
Ich vermute irgendwie, dass Lord Winter womöglich glaubte, dass der kleine John Francis nicht der Sohn seines Bruders sein könnte
Ja, das erscheint mir auch plausibel - sonst hätte er den Jungen ja allein aus Liebe zu seinem Bruder bei sich aufnehmen müssen. Aber er hat sich offenbar nicht die Mühe gemacht, das genauer zu überprüfen.
Athos` Verhalten Raoul gegenüber ist von seinen eigenen traumatischen Erfahrungen als junger Mann geprägt - und eine solch furchtbare Enttäuschung wie Mylady wollte er seinem Sohn natürlich ersparen. Daher seine allergische Reaktion auf Louise. -
Womöglich hat er es ja auch überprüft und der kleine Mordaunt hatte das Pech, nur seiner Mutter ähnlich zu sehen und nichts vom Vater zu haben.
Und gerade weil er Mylady ähnlich sah, dürfte der Lord ihn abgelehnt haben, was sehr traurig ist, da John Francis höchstwahrscheinlich das Kind seines Bruders war. Ich glaube jedenfalls nicht, dass Mylady so leichtsinnig war, ihren reichen Gatten zu betrügen, im ländlichen England wäre das sicherlich schnell herausgekommen.
Ja, es ist verständlich, dass Athos seinen Sohn vor einer ähnlich schlimmen Erfahrung, wie er sie mit Mylady erlebte, schützen wollte, doch tragischerweise musste Raoul dann mit Louise eine große Enttäuschung erleben und es muss für Athos schlimm gewesen sein, Raoul so unter Liebeskummer leiden zu sehen und nichts tun zu können. Womöglich erkannte er da in Raoul sich selbst als jungen Mann wieder und fühlte sich dann umso hilfloser. Athos hatte wohl schon früh erkannt, dass Louise Raoul nicht liebte..ich meine, sie war als kleines Mädchen bestimmt geschmeichelt, dass so ein schöner junger Mann seine Zeit mit ihr verbrachte und sie so bewunderte und später, als sie älter war und sich in den König verliebte, fehlte ihr der Mut, Raoul die Wahrheit zu sagen.
Schon damals, als Athos Raoul nach Paris brachte, dürfte er geahnt haben, dass Louise ihm eines Tages zum Verhängnis werden könnte. Ich habe mich beim Lesen des ersten Romans auch immer gefragt, ob Athos leichtsinnige Aktion auf der Bastille von Saint Gervais, als er unter Lebensgefahr die provisorische, durchlöcherte Fahne barg, auch eine Art Selbstmordversuch war...dass Athos vielleicht hoffte, dabei ums Leben zu kommen. Zumindest mir erschien diese Aktion so...als ob er es einfach darauf ankommen ließe. Athos hätte sich ja nie bewusst für einen Selbstmord entschieden wie Raoul, aber diese waghalsige Aktion zeigt auch, dass er damals, im ersten Roman nicht allzu sehr am Leben hing. Ich frage mich da beim Lesen, warum setzt er sein Leben für eine durchlöcherte Fahne aufs Spiel? -
Laut Beschreibung in den VAA sah Mordaunt aus wie ein vrai Anglais - rotblond, mit graublauen Augen. Er kann Mylady also nicht zum Verwechseln ähnlich gesehen haben.
Ja, Athos war Louise gegenüber sicher äußerst feinfühlig, was ihre liebenden Gefühle betraf. Ihre mangelnde Liebe zu Raoul konnte sie vor ihm sicher nicht verbergen. Gut möglich, dass sie sich Raoul gegenüber zu Dank verpflichtet fühlte und sich scheute, mit einer offener Klarlegung ihrer Absichten seine Gefühle zu verletzen.
Die Fahne ist für Athos eine königliche Insignie. Das Königtum ist für ihn etwas Heiliges, und sein eigenes Leben zu opfern, um dem Königtum zum Sieg zu verhelfen, war wohl in seinen Augen nichts Ungewöhnliches. -
Stimmt, im VAA wird sein Aussehen ja beschrieben, an der Stelle, an der er bei Mazarin von einem Diener als typischer Engländer angekündigt wird. Der Diener beschreibt dem Kardinal ja da wie der Mann, der zu ihm möchte, aussieht. Wer weiß, vielleicht hatte er das rotblonde Haar ja von seinem Vater Lord Winter...doch unglücklicherweise waren ja so viele Engländer rotblond, dass das kein Indiz für dessen Vaterschaft war. Und die graublauen Augen hatten schon was von Mylady, da er Athos und Aramis in Boulogne sofort an diese erinnerte, was Augen und Minenspiel betraf. Es könnte natürlich auch sein, dass Lord Winter so feige war, dass er seinen Neffen gar nicht erst angeschaut hat. Aber ich vermute, dass er Lord Winter gar nicht ähnlich sah, denn wenn er ihm als Erwachsener geglichen hätte, hätte Lord Winter doch erkannt, dass es der Sohn seines geliebten Bruders ist. Und es gibt ja im VAA auch eine Stelle, an der er zu Mordaunt sagt:"Ihr seid nicht mein Neffe."
Das ist wirklich tragisch, dass Louise nicht den Mut hatte, Raoul die Wahrheit zu sagen. Ich frage mich aber, ob das überhaupt etwas geändert hätte, wenn sie es Raoul früh genug gesagt hätte...denn schon im VAA betrachtet er Louise bedenklicherweise als seine Zukünftige, da gibt es ja die Szene in Paris, als Athos ihm sagt, dass er ihn einer Frau vorstellen möchte(der Chevreuse) und Raoul ihn besorgt fragt, ob es um eine Heirat ginge, und dass er doch wisse, wie er zu Louise stehe. Womöglich hatte Raoul sich schon damals, als Louise noch ein Kind war, zu sehr in seine Liebe hineingesteigert und hätte den Selbstmord sogar noch viel früher begangen, wenn Louise ihm gesagt hätte, dass er für sie nur ein guter Freund ist.
Stimmt, da hast du schon Recht, es könnte sein, dass Athos die Fahne geholt hat, weil sie eine königliche Insignie war...das mag uns aus heutiger Sicht merkwürdig und sehr leichtsinnig erscheinen, aber damals war das Königtum ja für Athos noch etwas Heiliges, wovon er völlig überzeugt war. Aber es macht Athos auch sehr sympathisch, dass er dann im VdB die Liebe zu seinem Sohn über seine Königstreue stellt.
Am besten gibt ja die Szene in Saint Denis Athos Königstreue wieder, da sagt er ja zu Raoul, dass dieser, falls der König kein guter König ist, nicht dem König sondern der Monarchie im Allgemeinen dienen soll. Athos gehörte wirklich noch zu der Generation, für die das Königtum etwas Heiliges war, das es zu bewahren galt.
Ich vermute, dass Athos noch von seinem eigenen Vater so erzogen wurde, dass das Königtum etwas Heiliges war, dass es zu bewahren galt, und er deswegen diese Einstellung übernahm.
Und wenn man das Ende kennt, spürt man förmlich die bittere Ironie des Schicksals, als Athos Raoul in Saint Denis sagt, dass er glaubte, seine Zukunft würde besser werden als seine eigene und die seiner Freunde, weil er im Gegensatz zu ihnen einen König ohne Minister und nicht einen Minister ohne König haben würde. -
Hab da grad eine interessante Stelle gefunden:
Das Schicksalsdrama oder die Schicksalstragödie ist ein Dramentyp, der sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Nachfolge der altmodisch gewordenen aristokratischen Tragödie entwickelte.Seit der Zeit der Romantik erfreute sich das Schicksalsdrama besonderer Beliebtheit: Hier steht dem Helden das Schicksal nicht als göttlicher Wille, sondern vielmehr als schauriges oder gruseliges Geschehen gegenüber, das die Zuschauer wohl eher unterhalten als tragisch erschüttern sollte. Beispiele für romantische Schicksalsdramen sind etwa Zacharias Werners Der vierundzwanzigste Februar, Adolph Müllners Die Schuld oder Franz Grillparzers Die Ahnfrau. Nach Walter Benjamin ist das Schicksaldrama die „sogenannte Tragödie“[1] der literarischen Romantik. Anders als in der barocken Tragödie ist die Souveränität des Fürsten keine Ordnungsmacht mehr (wie in Der vierundzwanzigste Februar, wo auf die Französische Revolution Bezug genommen wird).Das Schicksalsdrama ist eine deutschsprachige Variante des Pariser und Londoner Melodrams, das in der Zeit der Französischen Revolution die ältere Tragödie mit adligen Figuren und politischer Symbolik ablöste und die populären Bühnen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts beherrschte. Im Unterschied zur antiken und klassisch-französischen Tragödie ist das Schicksal des Melodrams nicht mehr der unerforschliche Wille gnädiger Autoritäten, sondern das (beherrschbare) Naturgesetz.
Offenbar war die literarische Beschäftigung mit den Mächten des Schicksals und ihren Einflüssen zu Dumas`Zeit sehr en vogue. Auch Giuseppe Verdi schrieb bekanntlich eine Oper, ausdrücklich unter dem Titel La sforza del destino / Die Macht des Schicksals
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Ja, das ist wirklich eine sehr interessante Stelle, und es ist wirklich gut möglich, dass Dumas sich von solchen Schicksalstragödien inspirieren ließ. Viele Romane des 19. Jahrhunderts enden ja tragisch, selbst wenn ein Roman in dieser Zeit mal ein glückliches Ende nahm, gab es meistens einen bitteren Beigeschmack, wie beim Grafen von Monte Christo. Ich habe diesen Roman von Dumas neulich gelesen und war sehr überrascht, dass Albert nicht Edmond Dantes Sohn war und Dantes und Mercedes am Ende nicht zusammenkamen. (ich kannte ja nur die Verfilmungen).
Und ich habe mal irgendwo gelesen, dass Dumas sich für Raouls tragisches Schicksal durch Goethes "die Leiden des jungen Werther" inspirieren ließ, in der ein Mann Selbstmord beging, weil die Frau die er liebte seine Gefühle nicht erwiderte.
Die Musketierromane sind also in gewisser Weise wohl auch als eine Art Schicksalsdrama zu betrachten, da Dumas sich durch solche Dramen dazu inspirieren ließ. Allerdings kommen bei Dumas auch noch Elemente der aristokratischen Tragödie hinzu, es ist wohl eine Mischung als dem alten und dem neuen Dramenstil.
Hast du eigentlich auch die Romanreihe über die französische Revolution von Dumas gelesen? Die war auch sehr gut geschrieben und fällt auch eindeutig in die Kategorie "Schicksalstragödie."
Was ich mich bei Dumas schon immer gefragt habe...ob er das Ende schon im Kopf hatte, als er mit dem ersten Roman der Musketiere begann, oder ob sich das erst nach und nach beim Schreiben ergab. Aber das werden wir wohl nie erfahren, da es damals noch nicht wie heute üblich war, dass Autoren in Interviews ausführlich über die Entstehung ihrer Romane berichteten. -
Hm, ich glaube, dass sich Dumas`Figuren erst beim Schreiben weiterentwickelt haben, dass er also in den 3M nicht bereits das Ende vom VdB im Visier hatte - die 3M z.B. beginnen wie ein typischer Abenteuerroman, mit komödiantischen Elementen, und am Ende wandelt sich`s mit Athos & Mylady zur Schicksalstragödie -
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Ja, da könntest du Recht haben...womöglich war es bei Dumas wirklich so, dass er angefangen hat die Romane zu schreiben, ohne dabei bereits ein klares Ende vor Augen zu haben...und durch bestimmte Anregungen und Inspirationen wie die Lektüre von Goethes Werther beschloss Dumas dann, eine Schicksalstragöde daraus zu machen.
Vielleicht hat er auch, als er mit dem ersten Roman begann, Myladys Hinrichtung noch nicht im Kopf gehabt, und die Idee ergab sich erst nach und nach beim Schreiben.
Aber so traurig Dumas Ende im VdB auch sein mag, irgendwie passt es auch zur gesamten Geschichte...die vier Freunde sind im VdB ja die letzten einer vergangenen Epoche und wollen nicht so recht in die neue Ära des Sonnenkönigs passen, wenn es für alle vier ein Happy End gegeben hätte, hätte das auf die Leser auch unglaubwürdig gewirkt.
Mir tut es als Leserin zwar im Herzen weh, dass die vier nicht das Ende bekamen, dass sie verdient hätten, aber so war es einfach glaubwürdiger und der Epoche angemessener. Ich erinnere mich daran, in einem Sachbuch über den Sonnenkönig mal gelesen zu haben, dass alternde Adelige es an seinem Hof schwer hatten, weil sie noch die Ideale und Gedanken von Louis Vorgängern im Kopf hatten. Und man kann ja durchaus sagen, dass mit dem Sonnenkönig nicht nur ein neuer König auf den Thron kam, sondern auch die Zeit der Aufklärung begann. Die alten, seit dem Mittelalter von Vater zu Sohn immer weitergegebenen ritterlichen Ideale verloren in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung. Athos, am Ende der Renaissance geboren, (laut Dumas ist sein Geburtsjahr 1599), noch mit den alten Idealen einer längst vergangenen Epoche erzogen, konnte sich, genau wie sein Sohn, den er nach eben diesen uralten Idealen erzogen hatte, ihrer beider Tod bedeutete ja auch das Ende des Hauses de La Fére, und womöglich wollte Dumas ja genau dieses Ende einer Epoche und den Beginn einer neuen Zeit deutlich machen. Und auch Porthos und d´Artagnan müssen am Ende sterben, als einziger der vier Freunde bleibt Aramis übrig.
Für ihn ist das Ende einerseits traurig, andererseits positiver als für seine Freunde. Er muss mit der Tatsache leben, dass seine Freunde tot sind und er sie nie wiedersehen wird, der Gedanke an die alten Zeiten wird in ihm sicher so manches Mal Wehmut wecken. Am Ende des VdB kann er sogar wieder bei Hofe in Frankreich erscheinen und hat einen spanischen Adelstitel, ist ein Herzog.
Was für eine bittere Ironie...Aramis hat nun einen sehr bedeutenden Titel und vermutlich auch ein Vermögen, das ihm für den Rest seines Lebens finanzielle Sicherheit bietet, doch da er seine Freunde verloren hat, dürfte er sehr einsam gewesen sein.
Ich habe mir schon oft die Frage gestellt, wieso Dumas Aramis überleben ließ(er überlässt ja der Fantasie des Lesers wie lange Aramis noch gelebt hat).
Ob Dumas wohl eine besondere Sympathie für Aramis hegte und seinen Tod nicht schreiben konnte? Ich könnte Dumas da gut verstehen, mir persönlich wäre es beispielsweise niemals möglich, in einer FF Athos Tod zu schreiben. Meine persönliche Vermutung ist ja, dass Dumas Aramis als einen sehr ehrgeizigen Charakter, der Macht als sehr verlockend empfand, und alles dafür tat, um diese zu erlangen, betrachtete. Dass Aramis der einzige der vier war, der perfekt in diese neue Epoche passte, weil er von allen vieren den meisten Ehrgeiz und ein Streben nach Macht an den Tag legte, und Menschen die so geartet waren, brachten es in jener Zeit häufig weit. Aramis ist ein Mensch, dem es selbst nach einem großen Unglück, also seiner plötzlichen Flucht aus Frankreich, noch gelingt, das Beste daraus zu machen...er hat es geschafft, in Spanien einen hohen Adelstitel zu erlangen...ein Mensch, der auch bereit ist für seine Ambitionen viel zu riskieren
d´Artagnan dagegen war nicht so risikofreudig wie Aramis, er bringt, als er erfährt, dass der König einen Zwilling hat, Philippe in die Gefangenschaft, weil der König es befohlen hat. Als Leibwächter des Königs und Hauptmann der Musketiergarde hätte der Gascogner durchaus die Möglichkeit gehabt, Philippe nicht auszuliefern sondern selbst den Versuch zu starten, Louis gegen Philippe auszutauschen. Doch nicht einmal, als Philippe ihn vor ein paar wütenden Fischern rettet, kommt ihm diese Idee, er glaubt, den Treueschwur, den er Louis XIV geleistet hat, halten zu müssen. -
Ich habe mir schon oft die Frage gestellt, wieso Dumas Aramis überleben ließ
Vielleicht ist das seine Strafe für Porthos`Tod? Wer weiterlebt, muss sich zwangsläufig an seine Taten erinnern, kann nicht im Tod Vergessen finden. Aramis` Exil in Spanien erinnert mich ein bissl an den Fliegenden Holländer, den fluchbelasteten Seemann, der dazu verdammt ist, nicht sterben zu können, ewig heimatlos über die Meere zu segeln, und der verzweifelt Erlösung im Tod sucht.
Diese Risikofreudigkeit, die du erwähnst, setzt ein anderes, neuorientiertes Denken voraus - die Ichbezogenheit des Individuums, das bemüht ist, sich vom Kollektiv, von der breiten Masse abzuheben. Ich glaube, dass dieses Denken der philosophischen Strömung der Aufklärung verstärkt Hand in Hand geht. Das konservative, festgefügte Standesdenken, in dem der Einzelne als Person nicht besonders viel zählt, verliert dagegen spürbar an Autorität und an realer gesellschaftlicher Grundlage. -
Ja, das Gewissen wegen Porthos Tod wird ihn wohl ein Leben lang gequält haben, er wird sich immer gefragt haben, ob er noch die Möglichkeit gehabt hätte ihn zu retten. Und ihm muss klar gewesen sein, dass Porthos noch am Leben gewesen wäre, wenn er nicht diesen waghalsigen Plan, Philippe auf den Thron zu bringen, angezettelt hätte. Da ist der Vergleich mit dem fliegenden Holländer, der dazu verdammt ist, nicht sterben zu können, durchaus zutreffend. Womöglich erreichte Aramis ein hohes Alter und fragte sich in all den Jahren immer wieder, ob die Dinge nicht auch anders hätten enden können, dachte mit viel Wehmut an die Zeit bei den Musketieren zurück.
Ich denke von allen vier Freunden ist Aramis derjenige, der am meisten ein Individualist war, der sich von der breiten Masse abhob und auch den Mut hatte seinen eigenen Weg zu gehen. Schon in den Musketieren machte er ja seine Alleingänge, erzählte seinen Freunden viele Dinge über sein Privatleben nicht, und verabschiedete sich oft schon, wenn die anderen noch gemütlich beim Wein zusammensaßen.
Aramis hatte zwar seinen Platz im Freundschaftsbund der Vier, ging aber auch gerne seine eigenen Wege. Athos und d´Artagnan lebten ja doch eher noch nach dem alten Standesdenken, in dem das Königtum über allem erhaben ist, etwas Heiliges ist. In der Aufklärung zeigten sich bereits erste Tendenzen, die später zur Revolution in Frankreich führten...unter Louis XIV herrschte zwar noch ein absolutistischer Monarch, aber es waren Karrieren möglich, die es vorher nicht gegeben hatte: Viele, die am Hofe des Sonnenkönigs zu Rang und Namen kamen, stammten aus eher bescheidenen Verhältnissen, aus verarmtem Adel und machten dann aber ein Vermögen und erlangten hohe Posten, weil sie sich darauf verstanden, sich beim König einzuschmeicheln. Zudem stammte auch die dritte Frau des Sonnenkönigs, seine letzte Geliebte, nicht aus dem Hochadel, sondern war vorher das Kindermädchen der Kinder, die er mit der Montespan hatte. Die alten, jahrhundertelalten Strukturen begannen allmählich zu verwischen, und ein Freidenker wie Aramis konnte sich da gut anpassen. -
Aramis hatte zwar seinen Platz im Freundschaftsbund der Vier, ging aber auch gerne seine eigenen Wege
Das ist typisch katzenhaftes Verhalten. Katzen sind bekanntlich Individualisten.
Dass nicht Geburtsrechte und Standeszugehörigkeit den Wert eines Menschen bestimmen, sondern seine Intelligenz, sein Wissen, sein persönliches Verdienst und die von ihm erbrachte Leistung, ist ebenfalls aufklärerisches Gedankengut. Auf dieser Grundlage werden solche Aufstiege und Karrieren aus kleinbürgerlichen Verhältnissen verständlich.
Aramis symbolisiert diese Tendenz, kommt mir vor. Er stammt aus niederem Adel, arbeitet sich jedoch mit Hilfe seiner Fähigkeiten bis zum Jesuitengeneral und spanischem Granden empor. Der Preis, den er dafür zu zahlen hat, besteht darin, dass er der Reihe nach seine Freunde schicksalshaft verlieren muss, als ausgleichende Gerechtigkeit.
Aber dennoch vereint Dumas die Vier in seinem Schluss-Satz zum VdB:
Des quatre vaillants hommes, dont nous avons conté l`histoire, il ne restait plus qu`un seul corps. Dieu avait repris les
âmes. -
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