Jetzt darf d’Artagnan also alleine nach England reiten, ohne Hilfe seiner Freunde. Dafür pennt er auch im Wald, was ja dem allgemeinen Hygienestatus entspricht. Hier taucht dann zum Glück Athos auf, aber gibt sich erst zu erkennen, nachdem er mit dem Gascogner ein übles Spiel gespielt hat und diesem und dem Zuschauer fast das Herz stehen geblieben ist ob des vermeintlichen nächtlichen Überfalls. Athos kommentiert entsprechend: „Und SO geht Ihr mit meinem Degen um?“ Na super, wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr!
In England angekommen, befindet sich Buckinghams Schloss natürlich auf den Klippen, damit man später den obligatorischen Galopp-Stunt ganz nah an der Klippenkante drehen kann. Und Milady scheint, wie auch in anderen Verfilmungen eine Affinität zu Klippen, bzw. zu Sprüngen in die Tiefe zu haben. Aber vorher braucht es noch einen Grund, dass Buckingham von Milady beklaut werden kann. Da die Königin ihm keine Nestelstifte oder Diamantnadeln mitgab, welches der ungebildete Zuschauer heutzutage sicher nicht kennt und angesichts der absolut schmucklosen männlichen Garderobe, braucht Buckingham einen Grund, um richtig „auf die Kacke zu hauen“, sprich, das Collier der Angebeteten auch als Mann tragen zu können. Daher also ein Maskenball, zu dem er mit viel Bling-Bling als Meeresgott Neptun erscheint. Hach, wie raffiniert!
Nachdem d’Artagnan endlich zu Buckingham vorgedrungen ist, hat sich Milady schon mit dem Collier aus dem Staub gemacht. Flott im Park noch Athos über den Weg gelaufen, aber kein Problem, sie schubst ihren Gatten einfach um und weg ist sie! Dann der Klippenstunt mit dem ihr nachreitenden d’Artagnan, dessen Pferd immer zum passenden Moment einen Trickreitersattel trägt und der Zuschauer wird informiert, dass sie in d’Artagnans Augen einen Funken erkenne, mittels dessen sie ihn verbrennen will. Nun ist der Zuschauer recht aufgeschmissen, da er selbst diesen Funken beim Gascogner überhaupt nicht entdeckt hat, nur, dass er manchmal mehr mit der Hose als mit dem Hirn denkt. Erneut seufz! Was wäre das für ein poetischer Kommentar, wenn er nur zutreffen würde und wir hier wirklich unseren heißblütigen Gascogner sehen könnten. Stattdessen……habe ich schon den niedlichen Hundewelpen erwähnt?
Zurück in Paris kommt es zum großen Showdown, äh, der letzten Action-Sequenz, die natürlich jeder Film braucht. Anlässlich der Heirat des königlichen Bruders, patrouillieren die Musketiere in der schlecht gefüllten Kirche in den Seitenschiffen und bekommen natürlich nix mit, wäre da nicht Athos, der sich im Menschengewimmel vor der Kirche aufhält und plötzlich eine Eingebung hat, dass sein Bruder ein Attentat bei der Trauung vorhat. Also nichts wie rein in die Kirche – kann man da übrigens während einer königlichen Hochzeit einfach so reinstürmen, ohne von Wachen aufgehalten zu werden, um dann im Mittelgang zu stehen und das Chorgestühl abzusuchen, was natürlich vorher noch keiner gemacht hat. Kurz bevor der Attentäter zum Schuss kommt, kann Athos die Gesellschaft warnen, es fliegen natürlich ordentlich die Fetzen und zuletzt bedankt sich der König bei Athos mit Begnadigung, bei d’Artagnan mit Beförderung. Der Rest bekommt nichts, noch nicht mal ein Dankeschön.
Warum Athos seinem Bruder in den Rücken fällt, wissen wir nicht, auch nicht, was die beiden voneinander denken. Immerhin taucht Milady im Abspann wieder auf, hat sie doch als erprobte Klippenspringerin selbiges Manöver überlebt.
Insgesamt wird alles, was bei Dumas aneckt, weiß gewaschen:
D’Artagnan liebt keine verheiratete Frau, sondern eine Mademoiselle, in einer unschuldigen Anhimmelei.
Bleibt zu hoffen, dass er nicht der Mann ohne Unterleib bleibt, und ob wir die Szenen mit Milady und Ketty noch serviert bekommen, ebenso seine Täuschung.
Athos hat seine Frau nicht gehängt, irgendwie scheint sie aber das Brandmarken verdient zu haben.
Aramis hat bisher keinerlei Liebschaft mit der Chevreuse und zeigt auch keine zwei Seiten des Musketier-Abbes.
Der König wird ein wenig tölpelhaft dargestellt, damit man der langweiligen Königin die Liebe zum gewöhnlichen Buckingham abnimmt.
Porthos hat keine Prokuristengattin, die er vor den Augen ihres schwächelnden Gatten umwirbt, um an ihr Geld zu kommen.
Der Kardinal hat nur ein paar Textpassagen, um ihn als Intrigant zu kennzeichnen. Allerdings bleibt er komplett ohne Tiefe. Vielleicht wird es noch besser.
Dann die Frage: Wer ist Benjamin? Was bewegt ihn und warum? Er könnte ein interessanter Charakter sein, wenn wir etwas mehr über ihn erfahren könnten.
Die größte Frage stellt sich am Ende des Films: Warum sind die Vier überhaupt befreundet? Keiner gibt irgendwann zu erkennen, dass die anderen ihm mehr als jeder andere Kamerad bedeuten. Dass man so schön zu viert mit den Kardinalsgardisten im Wald raufen kann, ist ja nun kein Grund.
Was ich klasse fand, waren die schönen Pferde, die immer sauber geputzt und teilweise eingeflochten waren (für die Männer hat es dann nicht mehr gereicht). Die Bilder an der Küste, meistens im Gegenlicht mit prächtigen Silhouetten vor Meer und Himmel haben mir sehr gefallen. Das Schiff war auch authentisch für das 17. Jahrhundert. Wenn durch Wege in Getreidefeldern geritten wurde, sah man zum Glück keine Fahrgassen bei den Drohnenaufnahmen.
Dies ist jetzt die bisher längste Filmkritik aus meiner Feder und sie fällt leider auch ungnädig aus. Ich glaube, ich bin etwas enttäuscht, da ich aufgrund unserer Gruppe hier sehr verwöhnt bin. Hier werden die einzelnen Personen genussvoll bis auf den Grund interpretiert, bis sie uns genauso vertraut sind wie wirkliche, lebendige Freunde. Und irgendwie stelle ich diesen Anspruch auch an einen Regisseur, dass er sich mit dem Stoff auseinandersetzt und den Charakteren gerecht wird, anstatt ein nettes Heldengeschichtchen mit ordentlichen Actionszenen zu drehen.
Ach ja: Kleine Anekdote am Rande: Als wir das Kino verließen (gerade mal ein Dutzend Leute haben die Abendvorstellung am ersten Tag besucht), standen zwei junge Frauen, Anfang bis Mitte Zwanzig im Flur und wir fragten, wie ihnen der Film gefallen hat. Sie fanden ihn gut. Auf deren Frage, wie wir ihn fanden, meinten wir, dass wir die Buchvorlage im Kopf hätten und so dauernd vergleichen würden. Darauf die eine: „Oh, da gibt es Bücher von? Wie toll!“ Ich hab sie dann etwas eingebremst, sie solle erst mal mit dem ersten anfangen – und keine Kinderbuchausgabe wählen…… Ich war komplett perplex, dass es in der Generation gar nicht mehr bekannt ist, dass die Vorlage ein Klassiker der Weltliteratur ist, von keinem Geringeren als dem Lieblingsschriftsteller der Franzosen!
Zu guter Letzt: Ein klein wenig versöhnt hat mich die Szene, in der d’Artagnan mit den drei Musketieren das erste Mal vor dem König steht und der König meint: „Junger Mann, Ihr erscheint mir ein wenig arrogant!“ Darauf d’Artagnan anfangs bissig, dann versöhnlicher: „Ist mein einziger Reichtum! Und ich stelle ihn in den Dienst Eurer Majestät!“
Mein Lieblingszitat des Films.