Sexualmoral im 17. Jahrhundert

  • Die Frage kam mir gerade in einem anderen Thread: Wie sahen jetzt eigentlich die Moralvorstellungen im frühen 17. Jahrhundert aus. Von den Details, die mir über den Weg gelaufen sind, ergibt sich da ein sehr wiedersprüchliches Bild.


    Einerseits stand wohl auf Homosexualität formal nach wie vor Tod durch den Scheiterhaufen. Andererseits lief Heinrich III. mit seinen Freunden in Frauenkleidern durch den Louvre und James I. bezeichnete Buckingham in der Öffentlichkeit auch schon mal als seine Ehefrau.


    Das Zölibat existierte sowohl für Priester, als auch für Ordensleute, aber ein Bruch des Zölibats scheint für kirchliche Ränge ab Bischof keinerlei Konsequenzen gehabt zu haben, Äbte waren von den Vorschriften ihrer Orden in dieser Hinsicht von vornherein ausgenommen.


    Die Stammbäume der franz. Adelshäuser strotzen von Einträgen anerkannter, illegitimer Nachkommen.


    Promiskuität war im Hochadel bei Männern, aber offensichtlich auch bei Frauen, wenn nicht gesellschaftlich akzeptiert, so doch geduldet, und tat der Popularität der gefeierten Schönheiten keinen Abbruch. Meine Herzogin war da nur eine besonders berühmte Vertreterin, aber keineswegs allein.


    Es kommt mir vor, als hätte es eine unseren heutigen Moralvorstellungen recht ähnliche gelebte Sexualmoral gegeben - obwohl ich eigentlich davon ausgegangen wäre, daß damals eine sehr regide, theologisch geprägte Sexualmoral vorgeherrscht hätte.


    Verwirrte Grüße
    Linda

  • Hallo Linda,


    soweit ich weiß, kann man über das 17. Jh. da nur eines sagen - es *ist* widersprüchlich in höchstem Grade.


    Was wahr ist, ist, daß keine Moralvorstellungen wie im 19. Jahrhundert herrschten, das ja häufig spontan bei Gedanken an "früher" in unseren Köpfen hochkommt. Interessant finde ich in dem Zusammenhang z.B. die Aussagen in Madame de la Fayettes "La Princesse de Clèves", als es um die Erziehung der Heldin geht - es wird nämlich gesagt, daß ihre Mutter sie zwar mit dem Ziel erzieht, eine tugendhafte Frau aus ihr zu machen, sie zu dem Zweck aber gut über alle Liebesdinge aufklärt, und es wird als Irrglaube benannt, daß man junge Leute tugendhaft machen könne, indem man Informationen über derartiges von ihnen fernhält - d.h., der Gedanke an behütete viktorianische Dämchen mit keiner Ahnung von nichts sollte wirklich eher fernliegen.


    Als Ideal existierte jedoch durchaus eine weitaus strengere Moralvorstellungen als heute, auch, was rechtliche Dinge angeht - viele der Sachen, die Du aufgezählt hast, waren meines Wissens nach damals fast überall in Europa Straftatbestände, bzw. konnten auch kirchliche Sanktionen nach sich ziehen, was selbst im Hochadel passieren *konnte* (siehe den Fall Sophie Dorothee von Braunschweig-Lüneburg, bzw. Hannover), allerdings wohl weniger wahrscheinlich war als in Schichten, wo die (gegenseitige) soziale Kontrolle immer weitaus stärker war.


    Durch die Zugehörigkeit zum (Hoch-)Adel hatten die Leute, deren Verhalten Du erwähnst, schon eine privilegierte Stellung inne, die es ihnen erlaubte, sich gewisse Freiheiten herauszunehmen - und diejenigen, die etwas gegen so herausgehobene Persönlichkeiten hätten unternehmen können (sprich, Leute derselben Schicht oder noch höhergestellte, etwa der König) dürften es i.d.R. aus einem unausgesprochenen Konsens heraus geduldet haben, da neben der Privilegierung in dieser Schicht natürlich auch zugleich ein höherer Druck als anderswo herrschte, sich in anderer Hinsicht sozial konform zu verhalten - z.B. also "standesgemäß" zu heiraten, in eine verantwortungsvolle Stellung (Herrscher, Gutsherr, etc.) hineingeboren zu werden, einen Bischofs- oder Abtsposten zu übernehmen, oder, oder, oder.


    Na ja - nur meine ersten Überlegungen zu dem Thema. ;-)


    Viele Grüße


    Maike

  • Ich finde dieses Thread sehr interessant und lasse mich gern belehren, weil ich selbst eigentlich nichts dazu beitragen kann.... (ich habe ohnehin den Eindruck, dass hier einige historisch sehr gebildete Leute sind :D )
    Um weiter folgen zu können, häte ich nur eine Frage: Was ist 'Promiskuität'?



    Amber, verwirrte aber interessierte 12Klässlerin

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    ~ Mike Oldfield & Maggie Reilly

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