Lieblingscharaktere

  • Ja Silke, ich stimme Dir zu. Man kommt sich manchmal schon dumm vor, nicht wahr? Aber letzlich ist es ja klar, worum es in der Diskussion ging.. glaube ich.

  • Hallo Silke,


    tut mir leid, daß wir direkt auf Französisch zitiert und nicht weiter darüber nachgedacht haben, aber die frz. Ausgabe ist zumindest bei mir die einzige, die ich mit einem Griff aus vom Computerstuhl aus erreichen kann... ;-) (Und irgendwie kriegt man ja auch an der Uni eingebleut, am Besten immer aus dem Original zu zitieren).
    Wart mal, was habe ich denn zitiert...? *nachguck*
    Also: "Elle est en prison?" heißt "Sie ist im Gefängnis?", "assassins" sind "Mörder". Beide Zitate aus dem Gespräch Richelieus mit d'Artagnan am Ende der "Drei Musketiere". ;-)


    Maike

  • Ich möchte hier auch mal anmerken, daß ich ganz begeistert von Eurer kleinen Diskussion war. Ich freue mich, wenn auch mal anspruchvollere Themen zur Sprache kommen und Charaktere und Roman aus wissenschaftlichen Blickwinkeln analysiert werden. Gerade bei Dumas gibt es dahingehend eher wenig (zumindest im deutschsprachigen Bereich). Es war ein kleiner Genuß, die Diskussion zu verfolgen und ich hoffe, daß wir noch öfter in diesen Genuß kommen... ;-) Ich würde mich auch gern mal einmischen, aber bei Latein und Mittelalter kann ich nicht mehr wirklich mithalten. ;-) Ich kenne nur meine Musketiere recht gut... :oops: Hast Du schon eine Idee für ein neues Thema, kaloubet?

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    Je reviens de mon gré aux doulx lacqs qui me serrent.
    Meine Fotos | Mein Livejournal
    Fiaskofalke des St. Athos (Maike am 8.2.2005)
    "Wir sind die Germanisten. Widerstand ist zwecklos. Sie werden korrigiert." (Maike, ebenfalls am 8.2.2005)
    "Es trinkt der Mensch, es säuft das Pferd, bei Athos ist es umgekehrt." - Porthos, bei den Volksschauspielen Ötigheim am 24.7.2005
    Altjümpferliches Tupfi

  • tschuldige - das ist bei mir so eine dumme Misch-Maschangewohnheit, da ich in einer Ecke wohne, wo Deutsch und Französisch gemischt gesprochen werden. Ich werde deine völlig richtige Anmerkung beherzigen! Grüsse Kaloubet

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • oh, ich merke gerade, ich habe wieder zu schnell gelesen und die Hälfte der Beiträge überlesen :oops: - das Zitat, das ich verwendete: s'il me frappait en face (Dieu) et de cette façon, je le maudirais" heisst etwa: wenn er (Gott) mich solchermassen ins Gesicht schlagen würde, würde ich ihn verfluchen".
    Ich hätte zwei Fragen, die mir im Kopf rumgehen, gerne mal mit euch besprochen. Zum einen die Frage, worin diese negative Sicht der Frau, die ja in den drei Romanen zu finden ist, ihre Ursache hat - und bei dieser Frage würde ich gerne mal Dumas selbst bzw. das neunzehnte Jh. mit reinnehmen - zum anderen die Frage, wie es denn um die vielbeschriebene "Freundschaft" der drei bzw. vier Musketiere steht. Handelt es sich tatsächlich um Freundschaft oder eher um ein Zweckbündnis und wie wandelt sich die "Freundschaft" (ich glaube schon, dass an gewissen Stellen von Freundschaft gesprochen werden kann) im Laufe der Romane. Ich weiss natürlich jetzt nicht (habe es nicht überprüft), ob diese Fragen erstens euer Interesse finden (kann ich ja nicht prüfen ...) und zweitens nicht schon behandelt wurden und ihr euch gähnend zurücklehnt? - Grüsse Kaloubet

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Zum Thema "Freundschaft" bitte hier lang: http://www.artagnan.de/forum/viewtopic.php?t=272


    Bei den Frauen halte ich mich zurück, denn einmal finde ich das Bild gar nicht so negativ, (wenn steril jetzt einfach nur einseitig heißt) und zweitens habe ich keine Ahnung vom Bild der Frau im 19.Jh. Aber es würde mich interessieren, was es dazu zu sagen gibt: Mit Rücksicht auf die allein deutschsprachigen und noch die Pisa-belasteten Schulen besuchenden Mitglieder hier. ;-)

  • Hallo erstmal,


    ich bin noch neu hier und habe mich gleich mal meiner Lieblingsdebatte zugewandt. Vorher muss ich auch sagen, dass mein französisch eher Lückenhaft ist. (Bin Anglistikstudent :))
    Meine Lieblingsfigur ist unbestritten Athos. Vielleicht gerade weil er eine so tragische Figur ist. Mit den Idealen nach denen er lebt, passt er nicht mehr so richtig seine Zeit, sondern eher zurück ins 16te Jahrhundert, in die Zeit Franz I, die er ja gern und häufig zitiert.
    Was mach an ihm fasziniert ist die Stärke an diesen idealen festzuhalten, auch wenn die Welt sich nicht mehr wirklich um sie schert, seine Integrität und seine Treue. Er lässt in "Zwanzig Jahre danach" nicht zu dass Aramis und d'Artagang sich an die Kehle fahren, und er ist es der an die alte Freundschaft erinnert.
    Am wenigsten mag ich Aramis, er ist ein Opportunist ohne ende, ein Jesuit eben. Der Zweck heiligt die Mittel.
    Porthos finde ich mittelprächtig, er ist ein bißchen einfältig, während ich d'Artagang gut leiden kann. Ich finde er starb den Heldentod vor jener Festung in Holland. Und er starb den Heldentod weil er den Soldatentod starb. Sagt jetzt nicht ich bin verrückt. D'Artagang stirbt als Soldat in ehrenhafter Erfüllung seiner Pflicht, einer Pflicht die er nicht mehr tun müsste, er hatte zweimal die Chance aus dem Dienst zu gehen, einer Pflicht die er selbst gewählt hat und treu bis zum Schluss erfüllt, einer Pflicht gegenüber einem Herrscher der alles andere als ein ideal ist. Und er fällt im Augenblick seines Triumphes.


    Ach ja, bevor ich euch zu Tode langweile, noch eine Anmerkung: Einer der besten Charactere ist Richelieu. ich muss noch eine Menge zu ihm recherchieren, aber vielleicht schreibe ich eine Geschichte über ihn. Im Moment gibt es einfach nur eine Überlieferung die mich fasziniert: Als La rochelle sich ergab, hatten die Bürger schon seit geraumer Zeit erdrückenden Hunger zu ertragen gehabt. Ludwig XIII war sehr zufrieden damit, dass seine Feinde ordentlich litten. Richelieu hat damals lediglich gesagt "Wenn wir morgen in La Rochelle einziehen, will ich keine hungrigen Gesichter mehr sehen." Und genauso ist es passiert........

  • EIn Lieblingscharakter... Hilfe das ist echt eine gewissensfrage! Bis vor kurzem hatte ich da sehr eingefahrene vorstellungen und haette nicht unaehnlich wie andere auch gesagt, Athos. Und dann... nun man koennte sagen: Along came Maike und machte mir klar, dass ich einigen charakteren zu wenig Beachtung geschenkt hatte. Darum kann ich euch nur sagen wenich mag und wen ich nicht mag.
    Zu den Charakteren die ich mag gehoeren Athos, Rochefort, Treville und Richelieu, wenn ich auf den tod nicht leiden kann, sind Aramis (so ein heuchler!), Madame Bonancieux (wenn man mit dem Feuer spielt sollte man nicht im falschen Moment die Nerven verlieren), die Diener samt und sonders und ach ja, Mylady.

  • Da fallen mir innerhalb einer Woche erst eine wunderbare Drei-in-einem-Pappschuber-Ausgabe der Musketier-Trilogie in die Hände und kurz darauf diese Homepage ins Auge – wenn das kein Wink mit dem Zaunpfahl ist...


    Doch nun zum Thema. Mein Dumas-Liebling ist ganz klar


    ARAMIS auf der Nummer 1.
    Interessant, dass Aramis in fast jeder Rangliste entweder unter den ersten oder unter „denen, die ich garnicht leiden kann“ erwähnt wird. Ist nicht das schon ziemlich bezeichnend? Offensichtlich sind wir als „Kollektiv“ ebensowenig in der Lage, ihn zu „kategorisieren“ wie er sich selbst für Hüh oder Hott entscheiden kann. Das beweist immerhin schon mal, dass er kein Schubladen-Charakter ist; ihn kategorisch auf das Gleis „scheinheiliger Opportunist“ abzuschieben, wird ihm meiner Meinung nach nicht gerecht (Inwiefern ein jesuitischer Intrigant, der eine „Zwei-Mann-Rebellion“ gegen den König von Frankreich vom Zaum bricht, opportunistisch im Sinne von „mit-dem_Strom-schwimmerisch“ sein soll, ist mir ohnehin nicht so ganz klar.)
    Nun zum Vorwurf der Scheinheiligkeit.
    Keinem anderen der Musketiere können so viele Attribute zugeordnet werden, wie Aramis: Soldat, Abbé, Dichter, Liebhaber, Intrigant, Jesuitengeneral, Bischof... Bewundernswert, wie der Gute das überhaupt alles in einem einzigen Leben unterzubringen vermag, zumal er in allem, was er tut, zu den absoluten Top Ten zu zählen scheint: Dagegen ist ein Harvard-Professor mit sechs Doktortiteln ja rein garnichts! Wer soll denn solch eine Doppel-und-Dreifach-Karriere auf die Reihe bringen, ohne dass es dabei zu Überschneidungen kommt? Wenn jedenfalls Vielfältigkeit und Veränderung einen komplexen Charakter formen, gehört Aramis sicher nicht zu den langweiligsten der Dumas-Charaktere. Was ist es aber dann, was ihn scheinheilig erscheinen lässt? Die Strickleiter für Mme de Longueville? Die von einem einzigen Liebesbrief über den Haufen geworfene These (übrigens eine meiner Lieblingsstellen in der ganzen Trilogie;-))? Naja, Prinzipienethiker ist Aramis bestimmt nicht. Aber gerade aus unserer heutigen Sicht erscheint ein Mönch, der auf die Ora-et-Labora-Formel beschränkt ist, doch eher langweilig.
    Dass er dennoch eine Menge Fehler hat, macht ihn ja gerade interessant: Sein Egoismus treibt ihn an, sein Größenwahn lässt ihn abstürzen. Louis‘ Zwillingsbruder benutzt er, um an seiner Papstkarriere zu feilen – dennoch ist es mehr als Egoismus, der ihn sich nach dem Fehlschlag der Intrige, um dessen Schicksal sorgen lässt. Auch den gutgläubigen Porthos missbraucht er für seine Pläne – doch nicht ohne später vor Athos zu bereuen (ohne das das den Charakterfehler weniger zum Charakterfehler machen würde).
    Interessant finde ich auch, dass Aramis gerade dann zur „bedrohlichen Macht“ wird, wenn er den Degen – als Symbol für physische Macht - ablegt und sich für den Bischofsrock entscheidet. Ein schöner Parallelismus zu jener Paradoxie, die Aramis‘ gesamtes Wesen ausmacht.
    Aramis‘ Ehrgeiz finde ich ganz einfach bewundernswert. Von Nichts auf gleich vom Priesterseminar aufs Schlachtfeld, vom Schlachtfeld ins Bett einer ganzen Reihe von Herzöginnen, Comtessen und was-weiß-ich-alles, von dort aus per Strickleiter ins Jesuitenkloster... Der Mann kann zumindest am Ende seines Lebens behaupten, gelebt zu haben ;-)
    „Dumashistorisch“ gesehen ist Aramis meiner Meinung nach der wichtigste der Musketiere – insofern, meine ich, dass er „realhistorisch“ eine wichtige Rolle gespielt hätte, WENN die König-Wechsel-dich-Aktion erfolgreich verlaufen WÄRE: die gesamte Sonnenkönig-Episode gestrichen (oder auch nicht, je nach dem wie sich der falsche Ludwig entwickelt hätte), Fouquet statt Colbert... und möglicherweise vielleicht maybe ein dichtender Jesuitengeneral mit kriegerischer Vergangenheit auf dem Papststuhl... Amen.


    So, jetzt schnell noch zu meinen zweit- und drittliebsten Musketieren, bevor ich euch hier alle zu Tode langweile (wenn das nicht schon geschehen ist)


    ATHOS
    Zu ihm wurde ja eigentlich schon alles gesagt, was es zu sagen gibt. Seine Vorstellung in LaRochelle war großartig, noch lieber mochte ich die Wirtshaus-Sequenz (Wo war das noch mal? Amiens?). Seine Melancholie, seine geheimnisumwitterte Vergangenheit – das alles ließ ihn mir im ersten Buch ans Herz wachsen. Um so enttäuschter war ich von seiner geradlinigen Entwicklung zu einem Muster an Edelmut und Galanterie im zweiten und dritten Band, und wenn sie noch so logisch und nachvollziehbar verläuft (oder gerade deshalb?). als er dann starb, habe ich weinen müssen – allerdings weniger aus Ergriffenheit als aus Wut: Das hätte doch nun wirklich nicht sein müssen! Manchmal – wenn er zum Bsp. Grimaud für einen winzigen Verstoß gegen sein Schweigegelübte züchtigte wie für ein Kapitalverbrechen – hatte ich auch nicht Übel Lust ihm meine Meinung zu geigen – um so mehr, weil ich ihn als Charakter sehr schätze. Oh, und dann diese grauselige Schiffsbruch-Szene, als er Mordaunt aus dem Wasser fischen wollte... * schauder*


    D’ARTAGNAN
    Für seinen gascognischen Witz und seine Kaltschnäuzigkeit. Dafür, wie er mit seiner sehr eigenwilligen Art von Gehorsam es immer wieder schafft, seine Freunde vor Strick oder Bastille zu bewahren. („Der König tut, was ich sage.“ ;-)) Ohne d’Artagnan hätten sich die vier Musketiere wahrscheinlich nach Band 1 in alle Winde verstreut...

  • Also gelangweitl hast du NIEMANDEN. Es ist immer interessant die Meinung anderer Zu einem bestimmten Thema zu hören.
    Da ich nun nicht gerade ein Fan von Aramis bin, will ich vielleicht noch ein Wort sagen, wie ich zu meiner Meinung komme. 1. Er kann sich nie für einen Weg entscheiden und diesen dann auch mit Konsequenz gehen. Solange er Musketier ist, erklärt er dass eigentlich schon morgen Abbe werden will, und in zwanzig Jahre danach erklärt er (in der Szene bei Königin Henriette) dass er eigentlich gegen seinen Willen Abbe ist. Heuchler! 2. Zwei Mann Rebellion gegen den König u.ä. Aktionen, so interessant sie sein mögen, nicht Aramis ist es, der die schweren, manchmal tödlichen Konsequenzen trägt, die treffen im allgemeinen andere.


    Und eine Anmkerung zum älteren Athos: Ich fand es schön, dass er aus dem Chaos das sein Leben war, wieder einen Weg gefunden hat. Es zeigt, dass er nicht auf ewig der gebrochene Charakter bleibt sondern das was war überwindet.

  • Na, vielleicht liest dies hier ja eh niemand mehr, aber nachdem es mich schon mehrfach rausgehauen hat - PC *grrrr* - bleibe ich hartnäckig und versuche noch einmal eine Antwort zu posten ;-)
    Sacayawea: Ich stimme dir uneingeschränkt zu, dass Aramis ein sehr interessanter und faszinierender Charakter ist - ein Opportunist, ganz bestimmt, aber vielleicht der einzige moderne Charakter?
    @Teclador: Ich sehe d'Artagnans Tod nicht als Heldentod, sondern eher als das Ende einer gescheiterten Karriere. Auch wenn er den Marschallstab erlangt, aber wofür hat er ihn den letztendlich bekommen? Er hat sich und seine Ideale verraten, er hat seine Freunde nicht schützen können. Im Prinzip verhöhnt ihn doch diese letzte Anerkennung, denn er hat seine Ideale aufgegeben als er seinen ergrauten Kopf vor dem König beugte. Was ist aus dem stolzen und zu Beginn idealistischen Gascogner geworden? Eine Krämerseele, ein Routinier. Das klingt hart, aber ich verachte ihn nicht dafür, denn das ist der Lauf der Welt, der Abschied von den jugendlichen Idealen ... Und auch Athos' Leben sehe ich, auch in den beiden Folgebänden, nicht als ein gelungenes Leben an. Was bleibt ihm denn? Die Liebe zu seinem Sohn, der ihn enttäuscht? die Liebe zu Gott? Er erklärt, er habe ihn verloren. Das Königtum, zu dem er sich, in weiser Voraussicht einer kommenden Tragödie, bekennt? Er kündigt seinem König die Freundschaft und Gefolgschaft auf ... nein, ich finde auch in den Folgebänden ist sein Leben auch die Geschichte eines Scheiterns - oder die Geschichte eines Charakters, der in der merkantilen Zeit keinen Platz mehr hat - und genau das macht seine Person auch so faszinierend - in meinen Augen ;-) Im Gegensatz zu Aramis, der seinen Weg zu gehen versteht, aber dafür seine Seele verkauft.

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Hallo Kaloubet,


    ich werde versuchen deine Argumente nacheinander abzuarbeiten.


    1. D'Artagnan. Sicher er beugt sich der Autorität des neuen Königs (und den kann man sehen wie man will) aber ich sehe d'Artagnan nicht als jemanden der seine Ideale verraten hat. sicher er ist nicht mehr der idealistische 19 Jährige. Aber wie heißt es so schön? "Wer mit 20 kein Weltverbesserer ist hat kein Herz, wer mit 40 noch einer ist, hat keinen Verstand." D'Artagnan hat seine Freunde nicht schützen können, aber er hat sie auch nicht verraten, er hat versucht was möglich war.
    Er ist ein Soldat, - vielleicht ein Routiner - und er stirbt den Tod eines Soldaten, gerecht seinem Leben. Er müsste diese Pflicht nicht mehr erfüllen, er hätte gehen können. Er tut seine Pflicht dennoch.


    2. Athos


    Er ist ein Charakter der nicht in seine Zeit passt das macht ihn tragisch. (Er ist ein bißchen ein Byronscher Charakter und als solche definitv falsch in der Zeit).
    Sein späteres Leben nur als verloren anzusehen, halte ich für falsch. Ich glaube er ist über viele Jahre in Bragelonne recht glücklich gewesen. Sicher es endet tragisch aber ich würde nicht sein ganzes Leben als verschwendet ansehen. Er hat viel gegeben, ist anderen eine Beispiel gewesen, das bedeutet recht viel, finde ich.


    Teclador

  • Zitat

    Original von Teclador
    D'Artagnan. Sicher er beugt sich der Autorität des neuen Königs (und den kann man sehen wie man will) aber ich sehe d'Artagnan nicht als jemanden der seine Ideale verraten hat.


    Hervorhebung von mir. Ich muß mich hier Kaloubets Meinung anschließen - d'Artagnan verrät in gewisser Weise wirklich seine Ideale. Am Bezeichnendsten finde ich in dieser Hinsicht allerdings noch nicht einmal das dritte Buch, sondern den zweiten Band - es hat schon einen gewissen symbolischen Sinn, daß d'Artagnan am Ende Rochefort tötet. Abgesehen davon, daß seine schnoddrige Reaktion darauf ihn mir nicht gerade liebenswerter gemacht hat, ist die Tatsache an sich von Bedeutung, wenn man einmal vergleicht, wie Rochefort und d'Artagnan, die ja am Ende des ersten Bandes zusammengeführt werden, sich von da an weiter entwickeln.


    Anders als d'Artagnan verweigert Rochefort die Eingliederung in die Anfänge des absolutistischen Staats, der als auf einem absoluten Gehorsam, egal wie sinnlos, beruhend gezeichnet wird (der Begriff "Kadavergehorsam" kommt einem in dem Sinn, und gewiß ist es vor diesem Hintergrund kein Zufall, daß Aramis, der sich den ähnlich organisierten Jesuiten zuwendet, sich aber, anders als d'Artagnan, nicht unterwirft, sondern die Maschienerie für sich zu nutzen versucht, durchkommt) - folgerichtig wird er von d'Artagnan (wenn auch nicht völlig absichtlich, das wollen wir d'Artagnan mal zugutehalten) umgebracht.


    Auf die Gefahr hin, daß man mir jetzt vorwirft, mal wieder *meinen* Lieblingscharakter ins Spiel zu bringen - inwieweit d'Artagnan sich wirklich unterworfen und angepaßt hat, wird daran deutlich, wenn man seine Stellung und Rolle als Hauptmann mal mit der Trévilles vergleicht. Die beiden haben quasi den gleichen Posten inne (vernachlässigen wir jetzt mal die zwischenzeitliche Auflösung der Musketiere, die Hinzunahme einer weiteren Kompanie, etc.), nur mit einigen Jahrzehnten Abstand - und Tréville ist es, der d'Artagnan von seinem Vater zu Anfang als Vorbild hingestellt worden ist. Vergleicht man nun einmal, wie Tréville mit Louis XIII interagiert und wie dagegen d'Artagnan sich Louis XIV gegenüber verhält, ist da eine Welt Unterschied - und beide kommen aus den gleichen Ursprüngen. Tréville ist insofern (abgesehen davon, daß er mir sympathisch ist :lol: ) schon rein literarisch gesehen eine wichtige Kontrastfigur, deren Bedeutung vielleicht häufig gar nicht gesehen wird - aber was Tréville repräsentiert ist das, wo d'Artagnan irgendwann mal hin wollte. Und wo ist er letztlich gelandet...?


    ~ Maike

  • Zitat

    Und wo ist er letztlich gelandet...?


    Hehe... rat doch mal, wo er gelandet ist. :twisted:
    Ok, so eine Frage darf man nicht in meiner Gegenwart stellen, es sei denn, man hofft auf ein fieses, besitzergreifendes Grinsen. Davon abgesehen scheint das irgendwie zu stimmen, was Du da schreibst. Traurig, traurig... Aber ganz so schlimm finde ich das eigentlich gar nicht - und irgendwie weiß ich ohnehin nicht, worüber ihr gerade diskutiert. So einen flachen Charakter hat Dumas doch gar nicht geschaffen, denn soweit ich mich erinnern kann, ist d'Artagnan zwischenzeitlich sehr enttäuscht von seinem König und denkt darüber nach, den Dienst zu quittieren - in einer Mischung aus alten Idealen und Enttäuschung darüber, immer noch nicht befördert worden zu sein (Erster Teil des "Vicomte").


    Maren

  • Flacher Charakter? Nein, das wollte ich mit meinen Argumenten auch nicht sagen, im Gegenteil. Ein flacher Charakter wäre für mich einer, der sich erstens nicht ändert und zweitens keine eigene Meinung hat - und das trifft ja zum Glück auf unseren Gascogner nicht zu. Er ist, finde ich, sogar sehr interessant, denn in ihm kämpfen Opportunismus und Widersspruchsgeist (esprit rebelle), Materialismus und Idealismus einen fortwährenden Kampf. Sehr bezeichnend und amüsant finde ich die Stelle im VdB, als er mit Athos über seine Belohnung in der Monck-Affäre spricht. Athos, der zuerst selbst meint, vergessen zu werden, das aber nicht wichtig nimmt, da er seine Pflicht erfüllt hat (Charles II zu helfen) und d'Artagnan, der bei dem Abenteuer ja von vornerein auf Bereicherung spekuliert hat - und nun anscheinend leer ausgeht. Der Zwispalt am Ende, als er doch vorgeladen wird, die Prätention, den nobleren Athos zu studieren, um zu wissen, wie er sich verhalten soll und gleichzeitig die Erleichterung Planchet gegenüber - nein, ein flacher Charakter ist das nicht.
    @Teclador: ich möchte Athos nicht auf das Scheitern reduzieren, ich glaube auch, dass er in Bragelonne glückliche Jahre erleben darf. Und wie heiter ist die Affäre mit der Chevreuse ;-) Aber die tragische Dimension ist da, auch wenn er selbst diese wohl gar nicht so sehr empfindet - er trauert um seinen Sohn, so sehr, Gott zu verleugnen (diese Stelle finde ich grossartig!) , aber er ist in seiner Haltung durchaus stark - im Gegensatz zu Raoul ...

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Hallo,


    hier jetzt der Versuch eine ausfuehrlichen Antwort.


    1. D'Artagnan beugt sich dem Koenig nicht nur als Person denke ich, ich denke er beugt sich mehr der Idee, die der Koenig verkoerpert. Waehrend der Regentschaft ist er ja auch fuer den Koenig eingetreten. (Man erinnere sich an die Szene wo Louis ihn fragt, wer der Koenig ist und an die Antwort.) In einem gewissen Sinne bleibt er damit dem treu was er sein Leben lang gelebt hat, so schwer es uns vielleicht fallen mag diese Szene zu lesen.
    Den Vergleich mit Treville und Louis XIII halte ich fuer unangemessen weil a) Louis XIII noch nicht als ein so absolut zentralistischer Herrscher angesehen werden kann, dass sich ihm alles so nachordnete. Daher war es fuer Treville leichter ihm stark gegenueber zu treten. b) Das grundlegende Verhaeltnis von Louis XIII und Treville und Louis IXV und d'Artagnan ein anderes ist. Gerade sie besagt Szene die wir hier diskuttieren illustriert den unterschied der beiden Herrscher recht schoen.
    Und so sehr ich ein Fan von "Maennerstolz an koenigsthronen" bin, sehe ich d'Artagnan deswegen nicht gleich als Verraeter an seinen idealen. Er hat Frankreich lange gedient und er tut es weiter, auch wenn dieses Frankreich sich sehr veraendert hat. Und am Ende stirbt er dafuer.
    Was nun den guten Rocherfort angeht: d'Artagnan reagiert wie ein Mann dem in zwanzig Jahren Soldatenleben der Tod zu einem sehr vertrauten Gefaehrten geworden ist. Ich glaube nicht dass er ungeruehrt ist, aber er hat wahrscheinlich schon so viel mit dem Tod umgehen muessen dass es nicht mehr nach aussen dringt. Und was man auch noch sagen muss: Rochefort hat es selbst herausgefordert, er haette dieses letzte Gefecht nicht mit inszenieren muessen. Also kann man hier durchaus sagen: "Diejenigen die das Schwert nehmen werden durch ein Schwert umkommen."


    2. Athos


    Gleich zu Anfang: ich mag Athos, als den tragischen Charakter, der letztenendes nicht in seine Zeit passt, der an ideale glaubt die laengst verloren sind und der einen alten Schatten mit sich herumtraegt. (Die Affaire mit Madame de Chevreuse ist ein Ungluecksfall der Sonderklasse wie sich spaeter an seinem Sohn erweist)
    Raoul: reden wir nicht ueber das thema, ich denke ihr kennt meine Haltung zu dem Jungen gut genug.


    Aramis> ich habe meine Meinung schon mehrfach gesagt: ich mag ihn nicht. Jedenfalls nicht diese geschickte Art mit der sich immer wieder an alles anpasst oder die Konsequenzen seines tuns anderen ueberlaesst.


    Teclador


    Komm vor der Daemmerung zurueck

  • Insgesamt werden wir wahrscheinlich in der Bewertung der verschiedenen Personen nicht zu einem Konsens gelangen - am Ende entscheidet doch immer die persönliche Präferenz, die auch sehr die eigene Einschätzung bestimmter Dinge prägt.
    Deshalb nur noch eine kleine Anmerkung von meiner Seite:


    Doro, Du schriebst, die Situationen, die ich aufführe, seien nicht vergleichbar, weil

    Zitat

    Louis XIII noch nicht als ein so absolut zentralistischer Herrscher angesehen werden kann, dass sich ihm alles so nachordnete. Daher war es fuer Treville leichter ihm stark gegenueber zu treten


    Das ist in gewisser Weise wahr, und sehr früh im ersten Band der Musketier-Trilogie wird ja auch ein bereits auf die Zukunft blickender Vergleich zwischen der Zeit Louis XIII und der Louis XIV gezogen.
    Aber worauf ich hinauswill, ist folgendes: D'Artagnan ist nicht eine Art hilfloses Opfer des "Systems Louis XIV" - er gerät nicht als Unbeteiligter an den König und in die Unterwerfung. Ohne ihn verurteilen zu wollen - er hat sich einfangen lassen, schon relativ früh, im Grunde am Ende des ersten Buches, als er sich Richelieu zu Füßen wirft - und zwar nicht aus persönlicher Überzeugung für den Kardinal, sondern weil er - pardon! - bestochen worden ist. Denn d'Artagnan *ist* bestechlich, das ist das große Problem - er ist auf seine militärische Karriere so fixiert, daß ihr vorantreiben seine Ideale gelegentlich in den Hintergrund treten läßt. Wenn ich es mal brutal sagen darf - d'Artagnan dient nicht (nur) Frankreich, er dient auch und vor allem seinem Vorankommen. Versprich ihm eine Beförderung, und er wird bis zu einem gewissen Grade lenkbar.
    Damit ist er letztlich ein Paradebeispiel für das, was mit dem frz. Adel auf dem Weg in den Absolutismus hinein passiert - ein Weg weg vom Feudalsystem hin zu einem eher modernen "Karrieredenken". Insofern dient er zwar Frankreich rein technisch gesehen noch, doch nicht mehr dem Frankreich, für das er irgendwann einmal angetreten ist - wenn er das denn ist... Letztlich kippt das Ganze schon in Paris, wenn er sein Pferd verkauft (denn irgendwie scheint mir dieser Schritt gegen den Rat seines Vaters sehr symbolisch zu sein - er stellt von dem Moment an persönlichen Profit über eine Treuebindung, die irgendwo etwas "feudales" hat, treues altes Pferd, wie treuer alter Diener, treuer alter Vasall).
    Insofern hast Du vielleicht doch recht, Doro - wer von Anfang an nicht viele Ideale hat, kann sie auch schlecht verraten. :lol: [/quote]

  • Hallo Maike,


    Ich denke hier sind wir an einem Punkt angekommen: d'Artagnan IST eine Karrieresoldat. Fuer dieses Leben hat er sich entschieden und man kann das betrachten wie man will. (Ja ich weiss du wirst jetzt sagen, dass ich fuer Soeldnercharaktere zu viel uebrig habe)
    Was nun den alten Gaul angeht: Sein Vater gibt ihm einen sehr lebensuntuechtigen Rat mit auf den Weg und der junge Mann hingegen handelt sehr realistisch. (Was haette er mit dieser alten Maehre auch anfangen sollen.)
    Aber ich denke du hast recht, wir werden nicht zu einer gemeinschaftlichen Einschaetzungen gelangen.


    Teclador
    Komm vor der Daemmerung zurueck

  • Hallo!


    Eure Diskussion führt mich zu der Frage, von welchen Idealen ihr eigentlich sprecht. Mir sind nämlich ehrlich gesagt noch nie welche bei d'Artagnan aufgefallen, anders als bei Athos zum Beispiel... und ich finde die Abwesenheit von Idealen auch gar nicht so katastrophal. Ich würde "Ideale" lieber durch "Wünsche" ersetzen.
    Wenn zum Beispiel d'Artagnan im ersten Buch vor seiner Abreise Tréville als idealer Glücksritter vorgesetzt wird, dann ist es der Wunsch, dem nachzueifern, nicht aber ein Ideal, so zu werden (Wenn mir irgendwer folgen kann).
    Idealisten sind für mich, ehrlich gesagt, ein Gräuel. Die sind nämlich oftmals unheimlich verbohrt und nicht anpassungsfähig an eine neue Zeit oder an neue Ideen. Dann schon lieber eine Portion Egoismus und den Willen, etwas im Leben zu erreichen - auch, wenn das nicht immer so schnell klappt. Mit Anpassung meine ich allerdings nicht Wankelmut! Denn wenn's drauf ankommt, sollte man doch ein Ziel vor Augen haben oder etwas, an dem man festhalten kann (zum Beispiel an den Freunden?)


    Viele Grüße,
    Maren

  • Hallo ihrs,


    ich glaube, das ist es, was d'Artagnan so menschlich macht. Er hat zwar Ideale, als er jung ist, aber naja, wie Maren sagt, es sind wohl mehr so Wünsche oder Träume. Aber anders als die anderen Musketiere hat er ein richtiges Ziel, nämlich Marschall von Frankreich zu werden... Gut, am Anfang klingt das vielleicht nicht allzu deutlich an, aber er hat einige Ziele, die er erreichen möchte (und dazu würde er sich auch seiner Freunde bedienen, wie im ersten Band gesagt wird).
    Zwar ist mir der junge Mann als Erwachsener nicht gerade sympathisch, als er den armen Rochefort absticht (Wie war das? "Rochefort versuchte zu sprechen, doch das Blut erstickte seiner Stimme"? oder so ähnlich *schluchz*)... Und nun ja, er beugt sich dem König... was soll er denn sonst machen? Er hat eben eingesehen, dass Louis XIV. ein absolutistischer Herrscher ist, da bringt es ihm doch nichts, ewig auf seienr Meinung zu beharren. Natürlich ist es für niemanden schön, sich zu beugen, aber immerhin besser, als im Gefängnis zu sitzen und gar nichts mehr erreichen zu können.


    Und Athos? Ach, ich denke schon, dass er glücklich war. Dass sich sein Sohn mit der dämlichen Vallière ins Unglück bringt... Natürlich stirbt Athos daran, aber trotzdem war er doch mehrere Jahre glücklich, weil er seinen Sohn über alles geliebt hat. Und das sollte doch genügen.


    Ich frage mich, ob Aramis glücklich gewesen ist. Der sieht nur seine Karriere und das ist traurig, er scheint ja privat nicht so viel Freude zu haben, oder? Zu dumm, dass wir den dritten Teil nicht haben und den zweiten stark gekürzt.
    Aber er ist anpassungsfähig und kann ja tatsächlich mit der Zeit so mitgehen und erkennt auch, wann ihm ein Vorteil über den Weg läuft und versteht dies zu nutzen. Also ist er ein Realist, der anscheinend nicht allzu lange darüber nachdenkt: "Was wäre, WENN..."


    Viele Grüße
    Heike

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