Essen im 17. Jahrhundert

  • Ja, sicher war das keine garantiert sichere Überlebensstrategie, sich für etwaige Notzeiten fett zu fressen - aber offenbar haben es die Leute, ebenso wie die Tiere, gemacht. Aus heutiger Sicht natürlich völlig unnötig und höchst ungesund. Außerdem waren regelmäßiger Fleischkonsum oder luxuriöse Speisen im Barock nur den Reichen vorbehalten und damit sicher für ärmere Leute umso verlockender. Wenn man die überwältigende Opulenz barocker Kunst und Kultur so betrachtet, dann wärs ja wohl ein Wunder, wenn man damals gerade auf kulinarischem Gebiet spartanische Enthaltsamkeit gepredigt hätte - wobei mir schon wieder eine Idee kommt: Mord mit Hilfe eines Menüs, das die Eingeweide so dermaßen strapaziert und überbeansprucht, dass die Gourmets reihenweise dran krepieren - eine düstere Verschwörung des auf Veranlassung des Hofes vom König entlassenen Chefkochs in Versailles, der sich nun bitter am königlichen Hofstaat rächt, indem er ihnen tödliche Menüs frei Haus liefert - blöde Idee, ich weiß! :wacko:

  • Aramis


    Also ich find die Idee gut...und so wie du schreibst, könntest du da auch sicherlich wieder eine humoristische Note mit reinbringen.
    Gabs nicht auch mal einen Spielfilm über einen der Leibköche des Sonnenkönigs, Vatel oder wie der hieß? Den Film hab ich vor Jahren mal gesehen, weiss aber leider nicht mehr so viel davon.
    Und ich vermute mal, dass zumindest die ärmere Bevölkerung auf dem Land auch mal in den Genuss von Fleisch kam..Wildern in den königlichen Wäldern war damals an der Tagesordnung, und die Leute kannten bestimmt viele Tricks, um nicht erwischt zu werden. Aber für die armen Leute in der Stadt war es schon schwieriger an Fleisch zu kommen, denn mal eben ein Schwein oder ein Huhn auf dem Markt stehlen dürfte sehr schwierig gewesen sein. Ich kenne auch ein gutes Rezept, ist aber aus dem Mittelalter:


    Hackfleisch mit Maronen, Rosinen und Orangeat vermischen, das ganze noch gut mit Zimt würzen, dann kommt eine Blätterteighülle herum..das ist einfach zu machen und wirklich sehr lecker.

  • @Alienor
    Dein Rezept klingt sehr verlockend! Das muss ich ausprobieren! Ich krieg schon wieder Hunger, wenn ich mir diesen kulinarischen Genuss vorstelle - dabei bin ich heute sowieso zu einem sogenannten "Diner historique" eingeladen, das in einem Wiener Nobelhotel stattfinden soll - bin ja schon gespannt, wie das läuft. Die Zeit ist um ca. 1790 herum, also nicht gerade hochbarock.
    Die Wilderei war offenbar in früheren Zeiten in Österreich sowas wie ein Volkssport, vor allem in den gebirgigen Gegenden, wo es neben der Fleischbeschaffung auch eine männlichkeitsbeweisende Mutprobe darstellte - unsere alpenländischen Volkslieder wimmeln von Jäger- und Wilderer-Liedern - äußerst verdächtig! Und der berühmte, von einem Jäger ermordete bayrische Wilderer Jennerwein ist ja auch ein Kapitel für sich.

  • Aramis


    Du wirst sehen, es ist wirklich sehr lecker.
    Dann wünsch ich dir dort viel Spass, und lass dirs schmecken. Kannst ja hinterher mal hier erzählen, was es so zu essen gab auf dem Diner historique.
    Bei uns gabs auch viele Wilderer, weil es eine waldreiche Gegend ist, in der es nur so von Wild wimmelt...
    Jennerwein kenne ich, den Namen hab ich schonmal gehört, ich glaube, über den gibt es auch einen Spielfilm.

  • Also, um die Speisenfolge des gestern absolvierten "Diner historique" zu zitieren:


    Suppen:Topinambursuppe mit Zimmetschnitten
    Eine Suppe vom Brüb mit gebackenem Petersil im Salbeyteiglein


    1. Tracht: Karpfen in einer schwarzen Soß
    Kraut saures mit Wachteln gebraten
    Linsen mit Schnitzel vom rehfleisch
    Rindfleisch gewickeltes in der Umurkensoß
    1.Tracht - Assietten: Einmarinierte Reinanken mit wälscher Salat
    Paulanerwürst
    Schnecken in der Limonisoß
    Leber vom Schwarzwildbret gebacken
    Gansleber mit ausgelösten Müscherln
    Salat vom Rettig, Äpfeln und Zwiebeln
    2.Tracht: Schiel gut zugericht in Kaprisoß
    Enten in Bier gedünst in der Erbsensuppen
    Karbonadeln lämmerne im Schlafrock
    Schwarzwildbret in der Nagerlsoß
    2.Tracht - Assietten: Milchrahmnocken mit Krebsschweifeln
    Austern gebackene
    Caprisalat
    Schwämmenstrudel
    Kästenkraut
    Hetschepetschsalsen
    3.Tracht: Contenent
    Ein Aufgelaufenes von Obst
    Apfelknödel mit Salsen
    Bodin mit Schodo
    Rumelsulz
    Röselkrapfen


    Das war`s. ^^ Das Diner dauerte von (inklusive halbstündigem historischem Küchen-Vortrag zur Einführung) von 19 Uhr bis Mitternacht; hinterher brauchte ich, im wahrsten Sinne des Wortes, einen doppelten Cognac, um das alles körperlich wie geistig zu verdauen. Die Speisenfolge stammt aus dem 18.Jh., und mit den Speisennamen könnte man direkt ein Ratequiz verabstalten, was mit diesen exotischen Bezeichnungen wohl gemeint sein könnte -

    Troja stand in Flammen. Alles war im A**** (Homer, Ilias, 1. Versuch)

    3 Mal editiert, zuletzt von Aramis ()

  • Aramis


    Wow, das muss ja wirklich toll gewesen sein, beim Lesen all dieser leckeren Speisen läuft mir richtig das Wasser im Mund zusammen.
    Stimmt, einige Bezeichnungen erschließen sich mir nicht so ganz...was sind denn beispielsweise Hetschepetschsalsen? Ist ja ein richtiger Zungenbrecher..
    Kann gut verstehen, dass du danach einen Cognac gebraucht hast..also bei so einem leckeren Angebot kann man ganz sicher nicht widerstehen und ist hinterher voll bis obenhin. Ich vermute mal, dass im Barock und im Mittelalter wirklich so viele Gänge aufgetragen wurden.

  • Im Barock hatte so ein Menü 200 Gänge, wenn man dem Herrn Vortragenden glauben darf - aber auf wieviel Tage aufgeteilt, weiß ich leider nicht.
    Hetschepetschen sind Hagebutten - das Ganze ist eine sämige, süß-säuerliche Hagebuttensoße, die sehr gut zu Fleisch vom Wild passt, als super Alternative zu den ewigen Preiselbeeren -
    Worttechnisch interessant ist auch das Gericht "Bodin mit Schodo": Schodo ist die Eindeutschung vom französischen Chaudeau - also dieser Weinchaudeau aus Weißwein und Eischnee mit Zucker.

  • Aramis


    Wow...200 Gänge..selbst wenn das über mehrere Tage verteilt wurde, war das enorm....kein Wunder, dass viele Adelige im Barock sehr pfundig waren.
    Hagebuttensoße, das klingt auch ganz lecker, habe ich noch nie probiert. Hast du es denn geschafft, alles zu probieren, oder ging irgendwann einfach nichts mehr rein?

  • Der Chef des Hauses hat empfohlen, die Essmengen eher klein zu halten, wenn man bis zum Ende der 3. Tracht durchkommen wollte. Das war ein guter Rat, und ich hab ihn beherzigt. :D Sonst wärs echt Schwerstarbeit geworden! Was einem bei sowas außerdem zu schaffen macht, ist die traurigeTatsache, dass die Geschmacksnerven irgendwann total ermüdet und überfordert sind, angesichts der uferlosen Menge an verschiedensten Genüssen -

  • Aramis


    Kann ich mir gut vorstellen, in der heutigen Zeit ist man es ja nicht gewöhnt, so viele Gerichte an einem einzigen Tag essen zu müssen. Da werden die Geschmacksnerven vermutlich schon arg ge-und überfordert.
    Ich vermute mal, dass die Menschen im Barock bei dieser ganzen Fülle auch irgendwann den Geschmack der einzelnen Dinge gar nicht mehr wahrnahmen, und vermutlich auch damit überfodert waren.
    Und der Sonnenkönig hat ja üblicherweise, um bei solchen Diners Zeit zu sparen, mehrere verschiedene Suppen von seinen Dienern in eine Schale oder Schüssel vermengen lassen, um Zeit zu sparen, wobei ich mir den Geschmack von mehreren, miteinander vermischten Suppen einfach scheußlich vorstelle, und dann löffelte er diese dickliche Masse einfach in sich hinein.

  • Aus Zeitersparnis alles zusammenzumixen, wie Louis XIV., ist ja wohl ein übles Sakrileg an der Haute Cuisine - das erinnert mich jetzt an den Monty Python -Film "Der Sinn des Lebens", wo ein irrsinnig fetter Vielfraß sich in seinem bevorzugten Restaurant auch alle Speisen durcheinander in einem Kübel servieren lässt - und zu guter Letzt platzt der Kerl buchstäblich, weil das Pfefferminzblättchen, das ihm der Kellner hinterher heimtückisch aufdrängt, zuviel des Guten war -

  • Aramis


    Den Film muss ich mir wirklich mal anschauen, der scheint wirklich lustig zu sein. Die Monty Python Filme waren ja überhaupt genial, besonders gut fand ich "Das Leben des Brian" und "Die Ritter der Kokosnuss". Meiner Meinung nach ist es wirklich eine Kunst, aus der Arthussage so etwas Humorvolles zu machen.

  • Aramis


    Ja, das ist wirklich zu komisch, wie sie immer diese Kokosnüsse aneinanderklappern, und damit Geräusche von Pferden nachmachen, und dann so herumlaufen..und der König Arthus war auch überhaupt zu komisch. Wie viele Monty Python Filme gibt es überhaupt? Ich hab ja nur zwei gesehen.

  • Hm, es gibt meines Wissens den "Sinn des Lebens", "Die wunderbare Welt der Schwerkraft" - dann noch Filme, in denen einzelne Pythons mitspielen: "Münchhausen" (Die Lügengeschichten des Baron Münchhausen) oder "Jabberwocky" (Verarschung von mittelalterlichen Drachentöterfilmen) - die beiden hab ich mal gesehen. Aber davon gibts sicher noch mehr.

  • Dann habt ihr den "Kultfilm" schlechthin übersehen: The Life of Brian - Das Leben des Brian. Kurz gesagt, es geht um das Leben von Jesus und ist total Klasse gemacht. Und das Titellied dürfte ziemlich bekannt sein: Always Look on the Bright Side of Life. Angestimmt von einem fröhlichen Gekreuzigten.

    "Es heißt, jedermann soll seinen Preis haben, Gebieter. Manche dieser Preise sind jedoch zu hoch, als daß irgendwer sie zu entrichten vermöchte."
    "Und dein Preis ist so hoch?"
    "Hoch genug, daß niemand außer Euch ihn je zahlen könnte, mein König"

  • AstridB
    Alienor hat "Das Leben des Brian" in ihrem posting vom Dienstag, 08 Uhr:22, bereits erwähnt. Es gibt wohl keinen Monty-Python-Fan auf diesem Planeten, der diesen Film nicht kennt. Schade um die rausgeschnittenen Szenen übrigens, eine sehr angriffslustige Hitler-Persiflage: Eric Idle mit Hitlerbärtchen und Davidsstern am Stahlhelm. Doch dieses Eisen war den Produzenten dann wohl doch offensichtlich um einiges zu heiß -

  • Aramis


    Stimmt, ich glaube neben "die Ritter der Kokosnuss" ist "Das Leben des Brian" einer der bekanntesten Monty Phyton Filme. Diese rausgeschnittenen Szenen kenne ich gar nicht...anscheinend haben die Produzenten das wohl wirklich rausgeschnitten.
    Ich finds ja genial, die Bibel auf diese Weise zu parodieren, der Film ist echt genial. :thumbup:

  • Das Rezept hier hab ich kürzlich in einem Barock-Kochbuch gefunden:


    "Musquetierer - Brodt:
    Nimm ein halb pfund honig, selbiges schön geläutert, nägelein, zimmet, ingber, pfeffer, coriander, jedes ein loth, zwey muscatennüsse, und von zwey lemonien die schalen, diese stücke alle gröblicht geschnitten, und in das warme honig gethan, und ein wenig mit dem gewürtze sieden lassen, darnach nimm back-mehl, thue es unter das honig und gewürtze, maache einen festen teig an, knäte ihn wohl ab, lege ihn in eine torten-pfanne, laß ihn drei oder vier Stunden backen, oben mit mehrer gluth als unten."


    Hm, hört sich irgendwie ähnlich wie Lebkuchen an - aber vielleicht möchte es ja jemand ausprobieren -? :thumbsup:

  • Aramis


    Danke für das Rezept, das klingt wirklich interessant. Irgendwie hat das wirklich was von Lebkuchen..aber es ist gut möglich, dass solches Gewürzbrot damals, wegen der langen Haltbarkeit, als Verpflegung beim Militär diente, und daher der Name Musketierbrot stammte.
    Ich würde es ja schon gerne mal ausprobieren, aber ich verstehe das mit der Tortenpfanne nicht so ganz..meinen sie damit eine Tortenform? Drei bis vier Stunden backen..ich vermute mal, in der heutigen Zeit mit elektrischen Backöfen, dürfte die Backzeit kürzer sein. Auf jeden Fall klingt das lecker, und es wäre bestimmt interessant, das mal nachzubacken. nur manches verstehe ich nicht..was meinen sie mit Honig, selbiges schön geläutert?
    Hm..jetzt hab ich richtig Hunger gekriegt!

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