Historische Romane

  • Nehmen historische Romane bei euch auch einen gewissen Raum in eurer Bibliothek ein, oder lassen die euch eher kalt, im Vergleich mit Dumas` einschlägigen Werken auf diesem Gebiet?
    Es würde mich u.a. auch interessieren, ob jemand hier zufällig "Die Farbe blau" von Jörg Kastner gelesen hat - ist um 1660 in Amsterdam angesiedelt und beschäftigt sich krimimäßig mit einer Verschwörung katholischer Kreise gegen die niederländische Regierung, bei welcher auch der berühmte Maler Rembrandt eine Rolle spielt -

  • Aramis


    Ich lese fast hauptsächlich nur historische Romane. Die meisten leihe ich in der Bücherei aus, ich kaufe nur solche Romane, die wirklich gut gewesen sind, und die ich auch ein zweites Mal lesen würde. Viele Romane sind ja leider nur Durchschnitt, weil sie alle nach demselben Schema geschrieben sind, und die Charaktere keine Tiefe haben. Gute Romane schreiben unter anderem Tanja Kinkel und Rebecca Gablé. Ich freue mich immer, wenn ich in dem Genre Romane finde, die vom üblichen vorhersehbaren Schema abweichen, diese Romane kaufe ich mir dann auch.
    Was mich auch immer wieder erstaunt, ist, wie viele historische Romane es mittlerweile gibt....das müssen jetzt schon tausende sein...pro Monat kommen mindestens zwanzig bis dreißig, wenn nicht sogar noch mehr neue raus.
    "Die Farbe blau" kenne ich nicht..kannst du den Roman denn empfehlen?

  • @Alienor
    Was "Die Farbe blau" betrifft, bin ich hinsichtlich meiner Ansicht dazu ein wenig gespalten - der Schreibstil gefällt mir sehr gut, er ist total passend und zeitgemäß, und die Erzählperspektive in der Ich-Form (der Schüler Rembrandts, Cornelis Suythof, schildert die ganze Geschichte aus seiner Sicht )mag ich auch total, aber die Handlung kommt mir doch ein wenig überzogen vor - vor allem das sogenannte "Todesbild" Rembrandts, das mit einer blauen Farbe aus der Frucht eines tropischen Gewächses gemalt ist und die Leute in den Wahnsinn treibt, sodass sie Amok laufen und grässliche Morde begehen - das find ich schon ziemlich unrealistisch, abgesehen von der Verschwörungsgeschichte.
    Das Ganze ist aber, wie gesagt, toll geschrieben.

  • Aramis


    Ja, das ist ja wirklich etwas unrealistisch...dass die Farbe dieses Bildes Menschen dazu bringt Morde zu begehen, höchst unwahrscheinlich, so etwas könnte in Wirklichkeit nicht geschehen.
    Aber wenn es toll geschrieben ist, dann werde ich es mir mal in der Bücherei ausleihen und lesen. Weicht es denn vom üblichen Schema ab? Ich bevorzuge nämlich immer Romane, die sich nicht an das übliche Schema handeln und nicht so vorhersehbar sind, denn bei den meisten Romanen weiss man irgendwie schon wie sie ausgehen, bevor man hinten nachschaut, weil das Ende irgendwie bei vielen ähnlich ausfällt.

  • @Alienor
    Hast du vielleicht "1661" von Jégo gelesen? Das Buch würd mich sehr interessieren, aber ich hätt gern eine Meinung dazu gehört, bevor ich es kaufe und dann womöglich gleich wieder rausschmeiß -

  • Aramis


    Ja, ich habe das Buch dieses Jahr gelesen, und kann es dir nur empfehlen. Ich fand es vom Schreibstil her sehr gut, und auch das höfische Leben und die Intrigen, das alles wird sehr gut beschrieben. Zudem kommt einer der Musketiere, d´Artagnan, im Roman zweimal vor. In dem Roman geht es um das Geheimnis der Herkunft des Sonnenkönigs, der Roman ist nicht vorhersehbar, und wartet auch mit Überraschungen auf, wenn du willst, kann ich gerne mal ein oder zwei Seiten als Leseprobe für dich abtippen, damit du dir ein Bild davon machen kannst.

  • @Alienor
    Vielen Dank, die Leseprobe muss nicht sein, "Euer Wort genüget mir!" ;) Dann werd ich diesen Roman mal auf die Einkaufsliste setzen. Ich hab grad "Secretum" von Monaldi & Sorti in Arbeit, allerdings bin ich noch nicht weit genug gekommen (keine Zeit zum Lesen), um dazu ein Statement abgeben zu können. Es spielt jedenfalls um 1700 in Italien, und es geht um politische Manöver und Intrigen. Die Hauptfigur ist ein gewisser Atto Melani, Spion und Agent im Dienste Louis XIV. in Rom.

  • Aramis


    Kannst mir ja dann sagen, wie es dir gefallen hat, wenn du es gelesen hast. Ich hab den Roman damals für 3,99 in einem Buchladen gesehen, und der Titel 1661 hatte sofort mein Interesse geweckt. Monaldi &Sorti kenne ich, von denen gibt es bei uns in der Bücherei auch zwei Bücher, die ich bis jetzt noch nicht ausgeliehen hatte. Wenn du es irgendwann mal gelesen hast...kannst du mir dann sagen, ob es sich lohnt, das auszuleihen?

  • Ja, natürlich! Es ist ein sehr fetter, umfangreicher Wälzer, mal sehen, wie lange ich dafür brauch. "Die Farbe blau" ging sehr schnell, dafür hab ich einen Tag plus Abend gebraucht. "Secretum" scheint, soweit ich gelesen habe, auch sehr gut geschrieben zu sein, wieder mit einem Icherzähler als Perspektive der Handlung.

  • Aramis


    Also ich liebe ja solche dicken Wälzer...für mich kann ein historischer Roman gar nicht dick genug sein, 1.200 Seiten und mehr, das finde ich herrlich.
    Ich mag ja Romane, die in Form eines Icherzählers geschrieben sind, die sind häufig auch von besserer Qualität, die meisten Standartromane sind ja in der dritten Person erzählt.

  • Ich glaube, ein Roman in der Ich-Perspektive zu schreiben, verlangt vom Autor mehr an Einfühlungsvermögen, zumindest was seinen Protagonisten anbelangt. Wenn man in der
    3. Person erzählt, herrscht irgendwie mehr Distanz zur Handlung, und alles wirkt entsprechend kälter. Ich vermute mal, die 3. Person bevorzugen Autoren, die da nicht so tief eintauchen und sich selbst eher raushalten wollen, aus dem Geschehen - auch vom historischen Standpunkt aus, denke ich. Sie bleiben wohl eher der Gegenwart verhaftet, als der geschichtlichen Epoche, in der sich das Ganze abspielt. Vielleicht ist das jetzt eine zu harsche Ansicht meinerseits, aber es kommt mir so vor -

  • Aramis


    In der Ich-Perspektive hat der Autor es schwerer, wenn er mehrere Erzählstränge einbringen möchte. Ein Beispiel für eine sehr gute Ich-Erzählung ist Rebecca von Daphne du Maurier, wo die Erzählerin nie einen Namen bekommt. Die gesamte Handlung muß halt ohne Nebenhandlungen auskommen. Erklärungen für Geschehnisse sind dann manchmal nicht so leicht zu finden.


    Ich finde es in der 3.Person einfacher, den Protagonisten als eigenständige Persönlichkeit zu sehen.

    "Es heißt, jedermann soll seinen Preis haben, Gebieter. Manche dieser Preise sind jedoch zu hoch, als daß irgendwer sie zu entrichten vermöchte."
    "Und dein Preis ist so hoch?"
    "Hoch genug, daß niemand außer Euch ihn je zahlen könnte, mein König"

  • @Astrid Aramis


    Ja, die Ichperspektive ist extrem schwierig zu schreiben, daran wagen sich wohl nur wirklich geübte Autoren, das merkt man auch an der Qualität der Romane. Ich hatte auch schonmal versucht, eine Fanfic in der Ichform zu schreiben, das scheiterte aber eben daran, dass Nebenhandlungen nicht möglich waren, und man immer nur aus der Perspektive derselben Person schreiben konnte. Das ist schwieriger als man am Anfang denkt. Bei der dritten Person kann man dagegen die Gefühle verschiedener Charaktere beschreiben, und eine Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven erzählen.

  • Ich lese gerne Romane in der Ich-Perspektive, weil man da die Handlung nicht von einem sozusagen neutralen, sicheren Standpunkt aus mitverfolgt, sondern von der oft sehr subjektiven und voreingenommenen Warte des Icherzählers aus, der zugleich handelne Person im Geschehen ist. Eine spannende Sache, in gewissen Krimis, wenn der Icherzähler sich plötzlich als der gesuchte Mörder oder Verbrecher entpuppt, mit dem man sich unwillkürlich die ganze Zeit über identifiziert hat - shocking!

  • @Alienor
    Ich hab neulich "Secretum" von Monaldi & Sorti durchgepflügt, und ich muss sagen, ich bin schwerst beeindruckt von der hervorragenden Qualität dieses Romans. Die beiden Autoren demonstrieren ihre tiefe historische Kenntnis des 17.Jh. auf höchstem Niveau, in Verbindung mit einem sehr spannenden, strikt am damaligen Sprachgebrauch orientierten Erzählstil in der Ich-Form aus der Sicht des Hauptakteurs.
    Gegenstand des Romans sind u.a. die Machenschaften eines gewissen Abbé Atto Melani, einer realen historischen Persönlichkeit, ehemaliger Kastratensänger und Spion Ludwigs XIV., in Rom im Jahr 1700. Durch die Erzählperspektive aus der Sicht des Icherzählers entsteht eine ganze Reihe spannender Überraschungsmomente, und auch der Schluss lässt in diesem Punkt nichts zu wünschen übrig.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Monaldi_%26_Sorti
    http://de.wikipedia.org/wiki/Atto_Melani

    Troja stand in Flammen. Alles war im A**** (Homer, Ilias, 1. Versuch)

    2 Mal editiert, zuletzt von Aramis ()

  • Aramis


    Danke für den Tipp, das klingt ja wirklich gut, dann werd ich mir das Buch mal in der Bücherei ausleihen. :)
    Gerade Romane, die sich am damaligen Sprachgebrauch orientieren, sind ja leider äußerst selten, was wohl auch daran liegt, dass das für Autoren sehr schwer zu schreiben ist.
    Also ich hab jetzt richtig Lust darauf bekommen, dieses Buch zu lesen :)

  • Ich hab gestern "1661" von Jégo /Lépée durchgeackert, und die Geschichte gefiel mir sehr gut - nicht zuletzt deswegen, weil auch Molière drin vorkam! Der Plot ist sehr spannend erzählt, die Charaktere überzeugend geschildert - bloß der liebe Gabriel de Pontbriand hat mich, in seiner allzu glatten Positivheit, ein wenig genervt. Ein sehr gut geschriebener historischer Roman, in meinen Augen, wenn er auch, naturgemäß, an das hohe Niveau von Monaldi & Sorti nicht heranreicht.

  • Aramis


    Da muss ich ja echt mal Monaldi und Sorti lesen, damit ich die beiden Romane vergleichen kann.
    Also ich fand 1661 gut, es war bisher, abgesehen von den Musketieren, der beste im Barock spielende Roman, den ich gelesen habe.
    Du hast wirklich Recht, Gabriel de Pontbriand wirkte an manchen Stellen etwas zu unglaubwürdig, auch ich finde, der Charakter wirkte da allzu glatt.

  • @ Alienor
    Das ist halt immer das leidige Problem mit den sympathischen , jungen Hauptprotagonisten: Die Auroren wollen sie möglichst positiv zeichnen, damit der Leser sich mit ihnen identifizieren kann, und übersehen dabei, dass der Schuss oft nach hinten losgeht - sprich, die Hauptfigur geht einem in ihrer Edelhaftigkeit und Fehlerlosigkeit bloß auf die Nerven, beim Lesen. Aber das haben wir an anderer Stelle ja schon mal erörtert.
    Bei einer rein fiktiven Figur ist es auch weit schwieriger, glaube ich, einen guten, ausgewogenen Charakter zu formen - die historischen Persönlichkeiten im Roman, wie z.B. Fouquet oder Colbert, aber auch Louise und Olympia wirken viel lebendiger als der gute Gabriel - wahrscheinlich, weil sie eben wirklich gelebt haben und man sich als Autor nicht so einfach über ihre Biografie oder überlieferte Eigenschaften hinwegsetzen kann. Na, immerhin hat diese Realität ja in diesem Fall ein kitschiges Happy-End in Amerika verhindert - die historische Louise zusammen mit dem fiktiven Gabriel dorthin auswandern zu lassen, schien den Autoren wohl doch ein wenig zu stark -

  • Aramis


    Ja, das stimmt, bei historischen Figuren haben die Autoren doch gewisse Vorgaben, und können nicht so einfach was dazuerfinden oder so viel verändern.
    Dass Louise nicht mit Gabriel nach Amerika auswandern würde, habe ich mir von Anfang an gedacht, weil kein Autor so weit von der echten Historie abweicht.
    Das ist wirklich das Problem, dass die Autoren gerade die Hauptprotagonisten möglichst positiv zeichnen wollen, sie merken ja nicht, dass sie damit gerade das Gegenteil erreichen, weil man sich als Leser mit so aalglatten, fehlerlosen Charakteren einfach nicht identifizieren kann. Bei Gabriel hätte man dem Charakter auch etwas mehr Tiefe verleihen können, indem man ihn nicht allzu perfekt gestaltete.
    Aber trotzdem war es im großen und ganzen ein guter Roman, Louise gefiel mir in diesem Roman weitaus besser als im VdB, wo ich sie überhaupt nicht mochte.
    Ein kitschiges Happy End in Amerika hätte dem Roman sicher mehr geschadet als genützt.

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