Das Thema Krieg in Dumas Musketiertrilogie

  • Wenn ich in den Romanen lese, fällt mir immer wieder auf, wie unterschiedlich Dumas in den einzelnen Romanen mit dem Thema Krieg umgeht. So schreibt er im ersten Roman beispielsweise über die Belagerung von La Rochelle:


    Unterdessen führte die königliche Armee, frei von den Sorgen ihres einzigen und wirklichen Anführers, ein lustiges Leben, denn im Lager fehlte es weder an Speis noch an Geld. Alle Einheiten überboten sich gegenseitig an Draufgängertum und unbeschwerter Lebensfreude. Spione abfangen und aufknüpfen, verwegene Streifzüge auf dem Deich oder auf dem Wasser unternehmen, immer neue Tollheiten ersinnen und kaltblütig ausführen, das war der Zeitvertreib mit dem sich die Armee die Tage verkürzte, die nicht nur den ausgehungerten und angstgepeinigten Rochellern, sondern auch dem Kardinal, der ihnen unablässig zusetzte, so qualvoll lang erschien.


    Im Roman gibt es einige Szenen, wo der Krieg eher wie ein fröhlicher Ausflug erscheint, Dumas hat hier wohl bewusst die Schrecken des Krieges für den Leser nicht so deutlich gemacht, und das Soldatenleben vielleicht etwas fröhlicher dargestellt als es gewesen ist. Die ganze Härte dieses Lebens wird im Roman nirgendwo deutlich, weil es wohl auch nicht so recht zu den jungen, abenteuerlustigen, verwegenen Musketieren im Roman passt. Und ich muss zugeben, dass ich es gut finde, dass Dumas im Roman auf eine Darstellung der Schrecken des Krieges verzichtet hat..womöglich lag das auch daran, dass es in seinem Jahrhundert bereits Kriege gegeben hatte, und die Leser dann in Romanen nicht in voller Härte mit dem Thema Krieg konfrontiert werden wollten.


    Im letzten Roman, dem VdB, stellt Dumas dann aber, zumindest in einer Szene doch noch die Schrecken des Krieges dar, nämlich in jener, in der Athos von Raouls Tod träumt:


    Während des Kampfes hatte Athos keinen Menschen erkennen können, jetzt aber fand er es mit Toten bedeckt. Er schauderte, als er die blauweiße Uniform der Picarden erkannte, ihre langen Piken und Musketen, die die Lilie am Kolben tragen. Er sah klaffende Wunden, sah tote Pferde, führte seine eisige Hand an die Stirn und war erstaunt, sie nicht glühend zu finden. Ihm wurde klar, dass er nicht vom Fieber gepeinigt wurde, daß er als ruhiger Zuschauer das Schlachtfeld nach dem Gefecht überschaute, das die Expeditionsarmee bei Djidgelli gehabt hatte. Wer beschreibt die tödliche Angst mit der er die Reihen der Toten überschaute, um unter ihnen vielleicht Raoul zu finden. Während sein Blick über die Ebene hinwegschweifte, gewahrte er hinter dornigen Myrthensträuchern eine weiße Gestalt, die Offizierstracht trug. Der Unbekannte hielt einen zerbrochenen Degen in der Hand, näherte sich langsam, winkte stumm. Der Graf wollte aufschreien, aber seine Stimme versagte. Er hatte Raoul erkannt, Raoul der ihm mit einer Gebärde Schweigen auferlegte und zu folgen aufforderte. Es war dem Grafen, als ob er sich mühsam zwischen Heidekraut und Gestrüpp weiterschleppte. Er eilte den Abhang zum Hügel hinan, und jetzt erkannte Athos, der die Hand nach seinem geliebten Sohn ausstreckte, daß die Gestalt sich von der Erde löste, dass zwischen den Gipfeln des Hügels und Raouls Füßen bereits Sterne blinkten. Athos stieß einen furchtbaren Schrei aus.


    Diese beiden Szenen aus den Romanen zeigen zwei völlig unterschiedliche Bilder, die Dumas vom Krieg gezeichnet hat..auf der einen Seite abenteuerlustige junge Musketiere, denen der Krieg wie ein einziges aufregendes Abenteuer erscheint, auf der anderen Seite einen alternden Mann, der seinen einzigen Sohn im Krieg verliert.
    Ich frage mich immer, wie Dumas in seinen Romanen zwei so unterschiedliche Bilder des Krieges darstellen konnte...im letzten Roman ist das Bild auf den Krieg eher negativ, während es im ersten Roman noch beinahe heiter wirkt. Oder vielleicht ist es ja auch möglich, dass Dumas zwischen dem ersten und dritten Roman seine Sichtweise zum Thema Krieg verändert hat.

  • Es ist doch immer die Frage, was wollte er bezwecken? Ich glaube nicht, dass das unbedingt mit seiner persönlichen Meinung zutun hat, sondern ein Mittel des Autoren ist.


    Die Schlacht in Zwanzig Jahre danach ist ja auch anders dargestellt. Z.B.Athos der mit Abscheu in die Schacht zieht neben Aramis der sich berauscht und "Spaß" an der Aktion hat. Und das ist jetzt ja nur die persönliche Perspektive der er gewählt hat. Die Schlacht wurde immer eher als Schachspiel für den Adel und als Todeszone für das Fußvolk dargestellt und so war es ja auch.


    Vielleicht liegt es aber auch an den teilnehmern. Athos + Aramis, die Musketiere= starke Charakter also "lässige" Schlacht, Raoul= Schwacher Charakter also fatale Schlacht.


    Außerdem hatte Raoul ja auch Selbstmord Gedanken etc. also eine andere Herrangehensweise des Teilnhemers??

  • 2Times


    Die Schlacht im VAA hatte ich ja ganz vergessen..stimmt, da wirkte Aramis beinahe animalisch, während man Athos anmerkte, dass er sich in der Schlacht fehl am Platz fühlte.
    Vielleicht spiegeln diese Darstellungen des Krieges in Dumas Romanen wirklich nicht seine eigene Meinung wieder, sondern waren wirklich ein Mittel, dessen er sich für seine Romanhandlung in verschiedener Weise bedient hat.
    Das stimmt schon, Athos und Aramis waren starke Charaktere, und deswegen kommt die Kampfhandung bei ihnen wohl auch lässiger rüber...wobei Athos Aktionen, beispielsweise auf der Festung Saint Gervaise, schon etwas extrem Waghalsiges haben...und man sich durchaus fragen muss, ob er nicht absichtlich sein Leben so aufs Spiel setzte. Athos war ja manchmal auch ein schwacher Charakter, wenn diese Schwäche bei ihm auch nicht so extrem stark ausgeprägt war wie später bei seinem Sohn. Und für den armen Raoul konnte die Schlacht ja nur fatal enden, weil er ja schon ohne jeden Überlebenswillen hineinging. Womöglich hat Dumas sich das ja auch wirklich so gedacht...starker Charakter=lässige Schlacht und schwacher Charakter=fatale Schlacht mit bösem Ende.
    Dumas hat ja selbst auch Kampfhandlungen erlebt während einer Revolution, womöglich ist ja da auch manches von seinen Erfahrungen in den Roman eingeflossen.

  • Ich denke auch, dass es Dumas nicht vordergründig darum ging, seine persönliche Meinung zur Sinnhaftigkeit des Krieges in seine Romane einfließen zu lassen, sondern er benützte einzelne Kriegsszenen als Kulisse für das, was er erzählen wollte. So vermittelt die Aktion auf der Bastion St. Gervais ein anderes Bild als die kriegerischen Ereignisse in den VAA oder im VdB. Allerdings habe ich beim Lesen schon den Eindruck gewonnen, dass die Belagerung von La Rochelle, in Zusammenhang mit der Ära Richelieu, für Dumas ein herausragendes geschichtliches Ereignis darstellte.

  • Vielleicht sollten wir auch nicht übersehen, dass der kritische Blick auf den Krieg erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts üblich ist. Bzw. ist das inzwischen sogor eine Vorgabe, an die sich Autoren/innen, Filmemacher/innen etc. halten müssen. Der entscheidende Wendepunkt war vermutlich der Vietnamkrieg. Zwar gab es schon immer kritische Stimmen, aber daneben eben auch die Sicht des Kriegs als Abenteuer oder Bewährung, vor allem für junge Männer, oder eben als Prüfung.


    Als ich Schülerin war, habe ich diesen Übergang noch selbst erlebt, als wir die Barockzeit genommen haben. D'Artagnan und die Musketiere erleben noch die Anfänge dieser Zeit. Bei aller Kritik am Krieg als solchen, die sehr wohl vorkam, war es damals durchaus noch legal Heerführer, Feldherren, Herrscher etc. als "Heldenfiguren" zu sehen.


    Alexandre Dumas aus dem 19. Jahrhundert muss keingeswegs Pazifist oder Kriegsgegner gewesen sein. Aber selbst wenn er für zeitgenössische Kriege (bzw. die Kriegsführung) nichts übrig hatte, kann er Krieg, vor allem, wenn es sich um eine ganz andere Zeit handelt, durchaus als Abenteuer oder eine Zeit für Helden oder Ähnliches gesehen haben.
    Außerdem gehörte er zu jenen Autoren/innen, die auf den Erfolg bei ihrer Leserschaft angewiesen waren, weil sie damit eben ihren Lebensunterhalt verdienten. Das bedeutet, dass er sicher auf dessen Erwartungshaltung und Einstellungen Rücksicht genommen hat, auch wenn er vielleicht selbst anderer Meinung war.


    Was den Tod in der Schlacht betrifft, so galt er jedenfalls im 19. Jahrhundert noch durchaus als ehrenhafter Tod.
    Bei der Figur Raoul, der den Tod in der Schlacht sucht und findet, hat Dumas sich vielleicht für diese Variante entschieden, weil der junge Mann so Suizid begehen kann, ohne dass es unehrenhaft rüberkommt. (In dem er Athos Raouls Tod miterleben lässt, erreicht er außerdem, dass er auch dessen Tod heldenhaft rüberkommt.)

  • Erm
    Auch zur Zeit des 1. Weltkriegs gab es bereits kritische Stimmen, siehe Bertha v. Suttner. Ich glaube, mit dem Ausscheiden des Pferdes aus der Kriegführung infolge technischer Aufrüstung mittels Panzer, Kampfflugzeuge, Giftgas usw. verlor der Krieg auch sein romantisches, heldenhaftes Image. Über Jahrhunderte hinweg war der Ritter, Kürassier, schwere und leichte Reiter, Husar, Dragoner etc. tragender Bestandteil der Armeen und genoß entsprechend hohes Ansehen, weit höher als Infanterie und Artillerie. Dass polnische Lanzenreiter gegen Hitlers Panzerarmee in den Kampf zogen, mutet wie ein tragischer Nachruf auf das entschwundene Rittertum an -
    Auch der Heldentod im direkten Kampf Mann gegen Mann vermittelte ein weit romantischeres Bild als der anonyme Schlachtentod im Panzerfeuer, im Kugelhagel der Maschinengewehre oder im Minenfeld.

  • Es gab schon immer kritische Stimmen, also nicht erst seit Vietnam, das habe ich aber auch geschrieben.

    Vielleicht sollten wir auch nicht übersehen, dass der kritische Blick auf den Krieg erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts üblich ist. Bzw. ist das inzwischen sogor eine Vorgabe, an die sich Autoren/innen, Filmemacher/innen etc. halten müssen. Der entscheidende Wendepunkt war vermutlich der Vietnamkrieg. Zwar gab es schon immer kritische Stimmen, aber daneben eben auch die Sicht des Kriegs als Abenteuer oder Bewährung, vor allem für junge Männer, oder eben als Prüfung.
    ...

    Entscheidend ist für mich, dass seit Vietman, obwohl seit damals weitere Kriege geführt wurden und werden, grundsätzlich der Krieg als negativ gesehen wird (zumindest in der anglo-amerikanischen und europäischen Welt). Zuvor war Krieg nicht so eindeutig negativ, besonders wenn es sich um Kriege handelt, die in der Vergangenheit stattgefunden haben.

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