Die dunklen Facetten des VdB

  • Gute Frage - weil der Tod aus unserem Leben verschwunden ist? Alte Menschen sterben in Altersheimen, nicht mehr im KReis der Familie, Sterben ist ein Tabuthema, das man lange vor sich her schiebt und an das man nicht gern denkt. Da Schriftsteller ihre Leser nicht verprellen wollen, klammern sie das Scheitern bzw. das Sterben der Hauptdarsteller aus ...

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Ja, deine Erklärung klingt sehr einleuchtend, der Tod ist etwas, was man in der heutigen Gesellschaft ausklammert und in ganz spezielle Bereiche verbannt. Das war im 19.Jh. sicher anders. Ich hab irgendwo gelesen, dass Goethes Werther die Anregung für Raouls unglückliche Liebe zu Louise gewesen sein soll - gibt es dafür irgendeinen Beleg? Hm, Raoul wäre heute wohl nicht der vergötterte tragische junge Held, sondern die tragikomische Nebenfigur, die man zum Psychiater schleppt... :whistling:

  • :thumbsup: tragikomische Nebenfigur :thumbsup:


    Ich weiß nicht, ob Werther die Vorlage für Raoul war, Raoul erscheint mir eher wie ein Minnesänger, der alten Idealen hinterhertrauert. Mit ihm stirbt die Romantik und die bedingungslose Liebe, es geht in ein neues, gnadenloseres Zeitalter, in dem nur gilt, was der König sagt. Raoul folgt im Prinzip seinen ´Vätern´ in den Tod bzw. geht ihnen voraus, denn auch er entstammt einer Epoche, die es nicht mehr gibt. Parallelen zu Werther gibt es sicher, aber ich glaube nicht, dass Dumas das explizit so angelegt hat. Ich glaube, Werther wäre ihm zu schmalbrüstig gewesen :whistling:

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  • Werther wäre ihm zu schmalbrüstig gewesen


    ;) Zu bürgerlich, vermutlich. Ja, das Ideal des Rittertums und der Hohen Minne - die Romantik begeisterte sich ja für beides. So mussten Athos und Raoul also sterben, um mit ihrem Tod eine Epoche symbolisch zu beenden - folgten ihr nicht der Realismus und der Naturalismus? Brrr... :S


    Na, jedenfalls, wenn der VdB heute spielen würde, dann wäre Raoul vermutlich ein übersensibler junger Mann in einer Boyclique, den alle anderen ständig damit aufziehen, weil er sich so wahnsinnig in dieses gewisse Mädchen vergafft hat und ihretwegen sogar angefangen hat, zu kiffen, um seinen Liebesschmerz zu betäuben. Worauf, wie in solchen Fällen üblich, eine Entziehungskur samt psychologischer Betreuung folgt und die hübsche junge Psychologin/Ärztin/Krankenschwester auf den Plan tritt... :D

    Troja stand in Flammen. Alles war im A**** (Homer, Ilias, 1. Versuch)

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  • Entziehungskur samt psychologischer Betreuung folgt und die hübsche junge Psychologin/Ärztin/Krankenschwester auf den Plan tritt...

    :thumbsup: Das hätte ihm auch damals vielleicht geholfen ;) Rotwein anstatt Cannabis und mit Hilfe von Porthos die Spelunken von Paris unsicher machen ;)

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  • ;) Tja, dazu hat Raoul in Dumas`VdB leider keine Gelegenheit, oder? Ich gebe zu, ich hab seine tristen Wege dort nicht gerade treu und gewissenhaft verfolgt - gibt es irgendwo eine Szene, in der er mal was trinkt oder sonstwie den Genüssen des Lebens frönt? Oder ist sein ganzes Dasein von vorn bis hinten bloß mit Herzschmerz und tristesse angefüllt?

  • Er hätte durchaus Gelegenheit dazu gehabt, z.B. in England, wo sich ihm Mademoiselle de weißnichtmehr an den Hals wirft. Sie wird als nett und aufrichtig beschrieben, eine echte Alternative zu Louise, aber Raoul reagiert nicht, bzw. nicht wirklich. Wobei alle um ihn herum wissen, was in Frankreich vorgeht, aber keiner ihm was sagt, da hatte Athos mit seinen Vorwürfen schon recht:


    - M. de Bragelonne, dit Buckingham, est à la veille de faire une grave
    maladie, et il a besoin, plus que jamais, que l’on soigne son coeur.


    - Expliquez-vous, milord ? demanda vivement Raoul.


    - Non, peu à peu je m’expliquerais ; mais, si vous le désirez, je puis dire à miss Mary ce que vous ne pouvez entendre.


    - Milord, vous me mettez à la torture : milord, vous savez quelque chose.


    - Je sais que miss Mary Graffton est le plus charmant objet qu’un coeur malade puisse rencontrer sur son chemin.


    - Milord, je vous ai déjà dit que le vicomte de Bragelonne aimait ailleurs, fit la jeune fille.


    - Il a tort.


    - Vous le savez donc, monsieur le duc ? vous savez donc que j’ai tort ?


    - Oui.


    - Mais qui aime-t-il donc ? s’écria la jeune fille.


    - Il aime une femme indigne de lui, dit tranquillement Buckingham,
    avec ce flegme qu’un Anglais seul puise dans sa tête et dans son coeur.



    Miss Mary Graffton fit un cri qui, non moins que les paroles
    prononcées par Buckingham, appela sur les joues de Bragelonne la pâleur
    du saisissement et le frissonnement de la terreur.


    - Duc, s’écria-t-il, vous venez de prononcer de telles paroles que,
    sans tarder d’une seconde, j’en vais chercher l’explication à Paris.


    - Vous resterez ici, dit Buckingham.


    - Moi ?


    - Oui, vous.


    - Et comment cela ?


    - Parce que vous n’avez pas le droit de partir, et qu’on ne quitte
    pas le service d’un roi pour celui d’une femme, fût-elle digne d’être
    aimée comme l’est Mary Graffton.


    - Alors instruisez-moi.

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  • :S Also nix mit Wein, Weib und Gesang! Verdammt, Raoul hätte wirklich Porthos an seiner Seite gebraucht, anstatt diese ganzen Schmalspur-Casanovas! Aber den hat ja Aramis mit Beschlag belegt - unnötigerweise, muss man sagen! :wacko:


    Aber ich muss echt sagen, mir kommt Raoul (ich bitte vielmals um pardon!), wirklich nicht ganz dicht vor - dieses beständige Dahinleiden ist krankhaft. Psychopathisch, zwanghaft oder wie auch immer das heißt. Ja, seine Liebe oder was er darunter versteht (wohl mehr eine Obsession als eine wahre Zuneigung) macht ihn krank anstatt sein Leben zu bereichern. Oder vielmehr er ist bereits krankhaft vorgeprägt und wird durch sie endgültig in den Tod getrieben.

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  • :thumbsup: Genau :thumbsup: Denn als Porthos seiner endlich habhaft wird - oder umgekehrt - da passiert mal was, sie befreien Athos aus der Bastille bzw. kapern die Kutsche, wie echte Männer :whistling:

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  • Ja, da sind sie auch alle (bis auf Aramis) vereint, da klingt ihr altes tous pour un wieder an :rolleyes: - aber ansonsten ist, was dieses Motto betrifft, nicht mehr viel zwischen ihnen zu spüren, das ist für mich das Traurigste am ganzen VdB *seufz*....sie hätten wie früher eisern zusammenhalten und Raoul in ihren Bund einbeziehen müssen, dann wäre vielleicht alles anders gekommen...

  • Völlig richtig, das sieht man ja auch bei VAA - sobald sie sich darauf besinnen, dass sie ja vier sind, klappts ... sagen wir jetzt mal besser, weil das mit Charles ja trotzdem daneben ging :rolleyes:

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  • Dumas wollte sie einen nach dem andern sterben lassen, also musste er das Band des tous pour un zerreißen. Und das hat er konsequent bis zum bitteren Ende durchgezogen. Darum kommt auch keiner von den Freunden auf die Idee, ihre alte Einigkeit wiederherzustellen, alle irren auf ihren ominösen Wegen schicksalshaft dahin, und alles andere scheint wichtiger zu sein als ihre alte Freundschaft. Puh, das ist echt :pinch: ! Gerade im Alter halten einen doch solch tiefe Freundschaften am Leben! Aber laut Dumas sollten sie sterben wie im Altersheim, jeder für sich, einsam und allein ;(;(

  • @Kalou


    Starb Winnetou denn bei der neuen Verfilmung auch? Ich hab mir die gar nicht angeschaut, aus Angst, sie könnten es total verhunzen und dem Zeitgeist entsprechend durch ein Happy End ersetzen wie das heute immer gern gemacht wird.


    Aramis


    Nun, Raoul in den Bund der Musketiere einzubeziehen wäre wohl schwierig gewesen, weil der arme Kerl ja leider nur Louise im Kopf hatte, aber womöglich hatten Athos und seine drei Freunde den Jungen von siener fanatischen Liebe zu Louise abbringen können. Gute Idee für eine FF, viellleicht mach ich mal was in der Richtung irgendwann.

  • @Alienor


    :) Ein schönes neues Jahr!


    Hm, ich glaube, Raoul fühlt sich einfach furchtbar alleine mit seinem Problem. Zu wem hätte er gehen können, um sich auszusprechen? Seine Mutter wäre wohl die erste Anlaufstelle in Sachen Liebeskumemr, aber die Chevreuse ist alles, nur keine Mutter, im VdB X(

  • Aramis


    Dir auch einschönes neues Jahr. 8)


    Ja, zwischen der Chevreuse und Raoul gab es ja leider im Vdb gar keine Begegnung, fast als ob sie kein Interesse mehr an ihm hätte, als ich den Vdb las(vor Musketiere und vor VAA) wusste ich gar nicht, dass sie Raouls Mutter war, und ich erinnere mich, damals hier im Forum sogar die Frage gestellt zu haben ob Mylady RAouls Mutter war. :whistling:
    Erst hier im Forum erfuhr ich dann, wie Athos zu Raoul kam :whistling:
    Warum Dumas im Vdb keinerlei Begegnung zwischen Raoul und der Chevreuse eingebaut hat, werden wir wohl niemals erfahren. Ich vermute, dass Dumas die Beziehung von Mutter und Sohn einfach nicht für wichtig genug hielt, um sie im Vdb auszubauen.
    Ich finde das sehr schade, ich hätte es interessant gefunden sie im Vdb noch einmal aufeinandertreffen zu lassen, sie hätte ihm sicherlich gute Ratschläge geben, ihn aus dem Tief herausholen können.

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