Das Wirrwarr der deutschen Übersetzungen: Welche Editionen kaufen?

  • Aber wenn es eine vollständige Übersetzung ist, ist das doch schon mal wunderbar, die meisten sind ja schrecklich gekürzt.


    Naja, ich spreche kein Französisch und kann gar nicht beurteilen wie die Qualität des Originals ist. Ausserdem habe ich das Gefühl, dass die diversen Übersetzungen verschieden Vorlagen benutzen, oder teilweise aus ältere Übersetzungen kopieren.


    Die "Musketiere" enthalten dadurch einige Ungereimtheiten. Nur zwei Beispiele:
    Auf der Reise nach England kommt d'Artagnen mit Planchet in London an. Auf seiner Rückreise ist von Planchet aber nicht die Rede, d'Artagnen schein alleine zu reisen. Wieder in Paris ist Planchet plötzlich wie aus dem Nichts wieder da. :D


    Der Freibrief, welcher der Kardinal an Milady ausstellt, wird im Buch zwei mal zitiert. Der Text ist identisch, aber das Datum verschieden. Hat Dumas nicht aufgepasst, oder die Übersetzer? :D

  • Oh, das kann auch an der Art und Weise liegen, wie Dumas manchmal arbeitete: Rasch und zügig, um das mal neutral zu formulieren :D - das Siècle wollte bedient werden (zumindest hab ich das mal so gelesen, ich hoffe, ich verunglimpfe da einen großen Autor nicht zu Unrecht). Aber auch in der Originalausgabe gibt es Seltsamkeiten, zum Beispiel Athos´ Ring, den seine Mutter einmal von seinem Vater, einmal von seiner Großmutter erhalten hat :whistling: Das mit d´Artagnan und Planchet müsste ich nachlesen, aber es kann gut sein, dass Dumas ihn bei der Rückreise nicht erwähnt ...und das Datum ist auch in der Originalausgabe unterschiedlich :rolleyes:

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Aber auch in der Originalausgabe gibt es Seltsamkeiten, ...


    ... die anscheinend der eine oder andere Übersetzter versucht hat zu korrigieren. :D


    Du hast Dumas im Original gelesen?
    Klasse! :thumbup:
    Das bringt mich auf eine Idee, die ein separates Thema verdient: "Ungereimtheiten bei den Musketieren"

  • "Ungereimtheiten bei den Musketieren"

    Ja, da hat´s einige. Schon mal ganz abgesehen davon, dass Dumas nicht wirklich das 17. Jahrhundert, sondern eher das 19. Jahrhundert schildert, so von den Gepflogenheiten her gesehen. Das 17. Jh. war derber und Hausnummern gab´s z.B. auch nicht :rolleyes: - aber man darf das nicht zu eng sehen, denn das war ja nicht sein Anliegen. Also nicht wirklich. er wollte die wichtigsten Ereignisse der französischen Geschichte berichten und das ist ihm gelungen. Auch wenn man ihn - zum Glück - nicht als Geschichtsbuch lesen darf ;)

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Schon mal ganz abgesehen davon, dass Dumas nicht wirklich das 17. Jahrhundert, sondern eher das 19. Jahrhundert schildert, so von den Gepflogenheiten her gesehen. Das 17. Jh. war derber und Hausnummern gab´s z.B. auch nicht


    Also versucht hat er es eigentlich. Wenn ich die aktiven überall mitmischenden Frauen aus den "Musketieren" vergleiche, mit den bleichen, seufzenden und duldenden Madames auf dem "Monte Christo", dann sehe ich schon ein Unterschied zwischen Dumas 17. und 19. Jahrhundert. :)

  • Oh, je, Monte Christo ... *grübel* Haydée und Mercedes und ... *arg*, wie hießen die anderen? :whistling: :whistling: :whistling: :whistling:Hm, mal überlegen, blass und erleidend? Haydée eindeutig, Mercedes auch, einverstanden. Aber die Gattin Danglars, die ihr Kind verscharrte? Eher nicht. Auch Héloise, die Giftmörderin, ist ziemlich aktiv, finde ich, und auch Valentine kommt ein wichtiger Part zu. Ich finde die Frauen vom Comte de Monte-Christo ziemlich wichtig und durchaus aktiv, fast wichtiger als in den Musketieren, denn ohne Mercedes und die geplatzte Liebesaffäre gäb es keine derartige Rache ...

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Ich finde die Frauen vom Comte de Monte-Christo ziemlich wichtig und durchaus aktiv, fast wichtiger als in den Musketieren, denn ohne Mercedes und die geplatzte Liebesaffäre gäb es keine derartige Rache ...

    Wichtig sind Frauen immer. An sie führt kein Weg vorbei. :D
    Ich sprach von Aktivität.
    Mercedes hat sich in ihr Schicksal gefügt, wie sie selbst zugibt. Leidend, aber fügsam.
    Zugegeben, die Giftmischerin ist ein aktiver Part, das ist aber die Ausnahme.
    Danglar's Frau aktiv? Nicht einmal als es um ihre Ehre oder Schande geht, also um Leben und Tod. Das Kind verscharrt der Herr Staatsanwalt, nicht sie. Im Alltag lässt sie ihren Mann mit den Tipps ihres Liebhabers an der Börse spekulieren, aktiv würde ich das nicht nennen.
    Oh, Gott, Valentine! Die seufzt ja am meisten von allen. Klar ist sie für das Sujet wichtig, aber sie ist mehr Objekt, als Subjekt.


    Kein Vergleich zu Constance, Mylady und selbst das Dienstmädchen Ketty.

  • Ich geb zu, der Comte ist mir nicht mehr ganz so parat :whistling: - und Mylady ist aktiv, das ist richtig :thumbup: äh, naja, der Smilie ist vllt nicht der richtige ;) . Auch bei Constance oder Ketty pflichte ich dir bei ... hmja, gut, halten wir fest: Die Frauen der Musketiere sind aktiver als die des Comte 8)

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Hmmm...vielleicht wollte man den zeitgenössischen Leserinnen des 19. Jh. erwünschte Eigenschaften wie Fügsamkeit und Geduld suggerieren, und die aktiven, widersetzlichen, sprich gefährlichen Frauen weit weg in die Vergangenheit des 17. Jh. verbannen? ;)

  • Vielleicht ist auch einfach der Kontext ein anderer? Die Damen des Comte müssen sich alle in bester Gesellschaft behaupten - also zumindest so tun als ob - wohingegen Constance und Ketty z.B. nur Dienerinnen sind ... ok, für Mylady gilt das nicht. Aber der Comte ist sicher dichter an Dumas´ eigener Zeit, deswegen dürfte in der Tat das Frauenbild eher dem Idealbild des 19. Jh. entsprechen.

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  • Huh - duldsam, leidend, passiv, seufzend, sich ihrem Schicksal fügend...brrr, was hat man mit den Frauen gemacht, die das nicht zustande brachten? :S

    Och, die haben so getan als ob, wenn's drauf ankam. :D
    Aber es stimmt, dass im 19. Jahrhundert in den besseren Kreisen die blasse, schwache, hilfsbedürftige Frau "in" war.
    Beim Proletariat und den Bauern sah es anders aus, dort mussten sie zupacken. Ist bei Zola beschrieben.

  • Ähm, ich befürchte, ich kann dir nichts ganz folgen? Meinst du, dass da zum ersten Mal die leidenden, blassen Damen aufkamen, weil sie ja nicht mehr mit anpacken mussten? Ja, einverstanden, ich würd´s aber auf das ganze Bürgertum ausweiten. Auch die Fabrikbesitzergattin brauchte nix mehr zu tun, und der Adel schon gar nicht ... wobei dieses ´Fassmichnichtan´ glaub ich eher eine bürgerliche Geschichte war. Der Adel leistete sich seine Skandale :whistling:

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Auch die Fabrikbesitzergattin brauchte nix mehr zu tun, und der Adel schon gar nicht ... wobei dieses ´Fassmichnichtan´ glaub ich eher eine bürgerliche Geschichte war. Der Adel leistete sich seine Skandale :whistling:

    Beim Adel trifft das nicht zu. Adel war hauptsächlich Landadel und da gab es eine Menge für die Damen zu tun. Die ganze Organisation der Landarbeit und anschliessende Lagerung haben natürlich die Meier geleistet, aber die musste auch jemand kontrollieren. Und wenn es Krieg gab und der Herr Baron im Feldzug, dann musste das eben die gnädige Frau erledigen. :)

  • Idealbild des 19. Jh.

    Um nochmal darauf zurückzukommen: Hm, ich fürchte, Rousseau hatte da spürbaren Einfluss :wacko: - in seinem berühmten Émile (5. Buch) beschreibt er das Idealbild der Frau:


    Ein vollkommenes Weib und ein vollkommener Mann sollen sich ebensowenig in bezug auf ihre geistigen Gaben als im Gesicht ähneln; und bei der Vollkommenheit kann ja von einem Mehr oder Weniger nicht die Rede sein.
    In der Vereinigung beider Geschlechter ist jedes für den gemeinsamen Zweck gleich tätig, aber freilich nicht in derselben Weise. Aus dieser Verschiedenheit ergibt sich der erste bestimmbare Unterschied beider Geschlechter in moralischer Beziehung. Das eine soll tätig und stark sein, das andere empfangend und schwach; bei dem einen muß notwendig Wille und Kraft herrschen, bei dem anderen zarte Nachgiebigkeit.
    Wenn man diesen Grundsatz anerkennt, so muß man auch weiter daraus folgern, daß das Weib besonders dazu geschaffen ist, dem Manne zu gefallen. Daß nun auch der Mann seinerseits dem Weibe gefallen müsse, ist jedoch nicht, so unmittelbar notwendig. Sein Verdienst beruht auf seiner Macht, er gefällt allein durch seine Kraft. Freilich gibt sich hierin noch nicht das Gesetz der Liebe zu erkennen, wohl aber das Gesetz der Natur, das älter ist als die Liebe selbst.
    Wenn die Frau die Bestimmung hat, dem Manne zu gefallen und sich ihm zu unterwerfen, so muß sie sich ihm angenehm machen, anstatt sich ihm feindlich gegenüberzustellen. In ihren Reizen besitzt sie eine eigentümliche Gewalt über ihn; durch sie soll sie den Mann zwingen, seiner Macht eingedenk zu sein und sie auszuüben. Das sicherste Mittel nun, diese Macht anzufeuern, besteht darin, sie durch Widerstand herauszufordern. Alsdann vereinigt sich mit der Begierde die Eigenliebe, und letztere triumphiert über den Sieg, den erstere für die sie davongetragen hat. Daraus gehen Angriff und Verteidigung, Kühnheit des einen und Schüchternheit des anderen Geschlechts, endlich auch Sittsamkeit und Scham hervor die Natur den Schwachen als Waffen verlieh, um den Starken durch sie zu unterwerfen.


    Die letzten Sätze über Macht der fraulichen Reize und die Waffen des schwachen Geschlechts find ich besonders bezeichnend...

    Troja stand in Flammen. Alles war im A**** (Homer, Ilias, 1. Versuch)

    2 Mal editiert, zuletzt von Aramis ()

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