Ungereimtheiten bei den Musketieren

  • Mir fällt grad nichts mehr ein, abgesehen von den Hausnummern, die es im 17.Jh. nicht gab, oder eben Jahreszahlen, die nicht stimmen können (der echte d´Artagnan wäre 1628 12 gewesen :rolleyes: ) - aber ichdenke, das war Dumas ja durchaus bewusst und er hat die Zahlen absichtlich etwas hingebogen. Hm, mir scheint aber, dass in VAA solche Unstimmigkeiten nicht existieren, oder täusch ich mich da? Ich wüsst grad von keiner - da hat die Zusammenarbeit anscheinend schon besser funktioniert. Wenn ich das richtig gelesen habe, waren die Musketiere eigentlich gar nicht so recht geplant, Dumas visierte viel mehr das Theater an. Es war eine Notlösung, um an Geld zu kommen, und die hatte einen unvorhergesehenen Erfolg - zum Glück :thumbup: Daraufhin wurde wohl die Zusammenarbeit und die Recherche detaillierter und effizienter ...

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Ich kann mich jetzt auch an nix Konkretes erinnern, bis auf die Seltsamkeiten im VdB, die wir in meinem Thread damals eh schon erörtert haben. Oh, ich vergaß: Aramis` Erklärung, sein Vater sei bei der Belagerung von Arras gefallen, was natürlich zeitlich nicht stimmen kann, weil diese erst im Jahre 1640 stattfand. Eine ähnliche Unmöglichkeit wie d`Artagnans Alter, die du vorhin erwähnt hast...


    Was mich beim Lesen auch gewundert hat, ist, dass Lord Winter den Freunden, die ihn vor den gefährlichen Machenschaften seiner Schwägerin gewarnt haben, auf Englisch antwortet (Thank you, be easy). Offenbar beherrscht er das Französische gut genug, wie sein Aufenthalt in Paris zeigt. Warum dann hier auf Englisch?

  • Hm, es ist kürzer? Aber auch gefährlicher, sie sind im Krieg und englische Korrespondenz ist Hochverrat :S

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  • sie sind im Krieg und englische Korrespondenz ist Hochverrat

    :S Ja, eben! Lord Winter muss das doch wissen! Und warum überhaupt etwas Schriftliches? Planchet hätte Winters Botschaft doch mündlich (und auf Französisch) ausrichten können? Ein Glück, dass niemand den Diener durchsuchte und mit dem Zettel erwischte, ehe Athos diesen verbrennen konnte...

  • Allerdings- Womit ich auch immer drauskomm, sind die vielen Namen von Mylady: Anne de Breuil, Charlotte Backson, Lady Clarick, Comtesse de la Fère (ok, das ist logisch), comtesse? de Winter ...

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  • die vielen Namen von Mylady

    :thumbup: :thumbup: :thumbup: Oh, vielen Dank, dass du das erwähnt hast! Myladys Namen sind tatsächlich eine Ungereimtheit:


    In meiner texte intégral-Ausgabe (Pocket-Verlag) heißt es im Kap. 31, Anglais et Francais (sorry für den fehlenden Cedille! :whistling: ):
    ...je vous présenterai à ma soeur, lady Clarick…Milady Clarick
    reçut gracieusement d’Artagnan. Hier heißt sie eindeutig Lady Clarick, ohne den Zusatz de Winter.


    In der online-Ausgabe von 1849 steht dagegen im selben Kapitel:
    Je vous présenterai à ma belle-soeur, lady Clarick de Winter…Milady de Winter reçut gracieusement d’Artagnan.

    Im Kap. 65, Le jugement, steht in meiner Textausgabe:

    Nous demandons, dit Athos, Charlotte Backson, qui s`est appelée d`abord la comtesse de La Fère, puis Lady de Winter, baronne de Sheffield....
    Anne de Breuil, comtesse de La Fère, milady de Winter, dit il….


    Hier taucht also sowohl Charlotte Backson als auch Anne de Breuil auf.



    In der online-Ausgabe von 1849 wurde Charlotte Backson eliminiert:



    Nous demandons, dit Athos, Anne de Breuil, qui s’est appelée d’abord la comtesse de La Fère, puis lady de Winter, baronne de Sheffield...
    Anne de Breuil, comtesse de La Fère, milady de Winter, dit-il,...


    :huh: Ganz schön verwirrend, da hast du recht!


  • In der Bouquins-Ausgabe fehlt auch Charlotte Backson (seltsamerweise ohne irgendwelchen Hinweis), aber in der Erklärung zu den Personen am Anfang steht: Milady se dit née de William Backson, gentilhomme gallois, mort en 1612, et d´Anne de Breuil, morte en 1615. Lady Clarick und Charlotte Backson scheinen falsche Namen gewesen zu sein, die sie sich selbst gegeben hat. Es gab auch eine echte Lady Clarick, die anscheinend in der Diamantspangenaffäre auftaucht, vermutlich wollte Dumas sie deshalb zumindest als Pseudonym erwähnen.

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  • Es gab auch eine echte Lady Clarick, die anscheinend in der Diamantspangenaffäre auftaucht,

    Das muss Lady Carlisle (La Rochefoucauld nennt sie la comtesse de Carlille) sein:
    https://en.wikipedia.org/wiki/Lucy_Hay,_Countess_of_Carlisle


    Es stellt sich in diesem Zusammenhang natürlich die Frage, ob Mylady die Namen ihrer Eltern nicht auch frei erfunden hat. Aber egal - anscheinend haben die späteren Ausgaben versucht, die Namensverwirrung ein bisschen zu entwirren...


    :D Amüsant übrigens, wie La Rochefoucauld Lord Buckingham in seinen Memoiren nennt: Le duc de Bouquinquan. Offensichtlich eine lautmalerischer Annäherungsversuch :D

  • Weiter gehts:


    In der englischen Übersetzung steht im Kapitel 28 THE RETURN


    "On arriving in Paris, d’Artagnan found a letter from M. de Treville, which informed him that, at his request, the king had promised that he should enter the company of the Musketeers."


    Aber es erfolgt nichts dergleichen. :huh:


    Und dann plötzlich im Kapitel 47 THE COUNCIL OF THE MUSKETEERS


    “Well, then, take him,” said the cardinal; “when four men are so much attached to one another, it is only fair that they should serve in the same company.”
    That same evening M. de Treville announced this good news to the three Musketeers and d’Artagnan, inviting all four to breakfast with him next morning.
    D’Artagnan was beside himself with joy. We know that the dream of his life had been to become a Musketeer. The three friends were likewise greatly delighted.


    Also wird d'Artagnan zwei mal Musketier? :rolleyes:

  • Also wird d'Artagnan zwei mal Musketier?

    :thumbsup: Scheint so! ;)


    8o Aber im Ernst, das ist ja hochinteressant! In der französischen online-Ausgabe von 1849 hat man die Stelle bereits umgeändert. Tréville kündigt in seinem Brief nicht d`Artagnans Ernennung zum Musketier an, sondern den Entschluss des Königs, am 1. Mai den Kriegszug nach La Rochelle zu beginnen:
    En arrivant à Paris, d’Artagnan trouva une lettre de M. de Tréville, qui le prévenait que l’intention bien arrêtée de Sa Majesté était d’ouvrir la campagne le 1er mai...



    In der englischen online-Ausgabe (Übersetzung von William Robson) wird die ursprüngliche Fassung beibehalten:
    On arriving in Paris, d'Artagnan found a letter from M. de Treville, which informed him that, at his request, the king had promised that he should enter the company of the Musketeers. (analog zu: En arrivant à Paris, d`Artagnan trouva une lettre de M. De Tréville qui le prévenait que, sur sa demande, le roi venait de lui accorder la faveur d`entrer dans les mousquetaires.)


    :D Haha, und in der deutschen Übersetzung von Bernd Hagenau, der sich auf die französische Edition von 1887 bezieht, versucht man, die Sache folgendermaßen zu umgehen:
    Bei seiner Rückkehr nach Paris fand d`Artagnan einen Brief von Monsieur de Tréville vor, in welchem ihm mitgeteilt wurde, der König habe ihm die Gnade erwiesen, ihm auf Monsieur de Trévilles Vorschlag hin die baldmöglichste Ernennung zum Musketier in Aussicht zu stellen. Na, wenn das kein Trost ist? :thumbsup:

  • Mir war bisher bloß klar, dass die Herausgeber und Übersetzer meistens Kürzungen vornehmen ( X( ), aber dass sie auch Stellen umschreiben, das war mir nicht bewusst. :whistling: Wieder was dazugelernt!

  • In der Bouquins-Ausgabe steht auch nur die Sache mit der Ernennung zum Musketier: En arrivant à Paris, d'Artagnan trouva une lettre de M. de Tréville, qui
    le prévenait que, sur sa demande, le roi venait de lui accorder la
    faveur d'entrer dans les mousquetaires. Und im Kapitel conseil: Eh bien ! prenez-le, dit le cardinal ; il n'est pas juste que, puisque
    ces quatre braves militaires s'aiment tant, ils ne servent pas dans la
    même compagnie.


    Le même soir, M. de Tréville annonça cette bonne nouvelle aux trois
    mousquetaires et à d'Artagnan, en les invitant tous les quatre à
    déjeuner le lendemain.


    D'Artagnan ne se possédait pas de joie. On le sait, le rêve de toute sa vie avait été d'être mousquetaire.




    Ist ja interessant, dass das in anderen Ausgaben was ganz anderes steht 8o - irgendwie dachte ich mir bei dieser Sache mit der Ernennung, dass der König ihn halt ernannt hat, aber da der Krieg ansteht, die Ernennung nicht gleich offiziell wird. Erst Richelieu als Heeresführer vor La Rochelle kann die Ernennung vor der Zeit, also vor dem Ende der Belagerung, durchsetzen ...

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)


  • Zoller hat seine eigene Version:
    Als d'Artagnan in Paris ankam, fand er einen Brief von Herr des Essarts, der ihn von dem festen Entschluß Sr. Majestät, am ersten Mai den Feldzug zu eröffnen, benachrichtigte und ihn darauf aufmerksam machte, daß er sich ungesäumt zu equipiren habe.


    Zoller zeigt Kenntnis der militärischen Gepflogenheiten. Er hat berücksichtigt, das ein entsprechender Brief an d'Artagnan nur von seinem direktem Vorgesetzten kommen kann. :thumbup:

  • Die Zoller Ausgabe steht ja komplett bei Gutenberg.de, das hab ich grad eben bemerkt 8o - aber dennoch find ich - auch wenn ich dir zustimme, dass Zoller durchaus Recht hat - es fragwürdig, den Originaltext zu ändern, ohne das kenntlich zu machen. Ich find´s ok, wenn der Originaltext als Fußnote angezeigt wird ...

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • 8o Ah, Zoller schiebt den Brief also Monsieur d`Essarts zu :D - ja, das ist logisch, dass es von Rechts wegen d`Artagnans Vorgesetzter sein müsste, der den jungen Mann über die bevorstehende Kampagne informiert.


    Bezüglich der Fußnoten - wie viele Ungereimtheiten gibt es denn noch? ;)


    In puncto Ernennung: Ich glaube mich zu erinnern, dass einer Ernennung zum Musketier der Dienst in einer anderen Kompanie vorangehen muss, plus eine herausragende Waffentat im Dienst des Königs, oder irre ich mich da? Hm, d`Artagnans Raufereien mit der Kardinalsgarde gefallen dem König zwar, aber würde er ihn dafür zum Musketier ernennen? Glaub ich nicht. Und die verwegene Rettung der Königin ist in Louis` Augen sicher kein Verdienst...

  • Bezüglich der Fußnoten - wie viele Ungereimtheiten gibt es denn noch?

    Sofort kommt die nächste:


    Bei der Ankunft d'Artagnans mit dem Brief an Buckingham in London wird Planchet im Kapitel 20 (Zoller) zum letzten mal erwähnt:


    Die Sicherheit, mit der d'Artagnan sein Verlangen ausdrückte, überzeugte Patrice, so hieß dieser Minister des Ministers. Er ließ zwei Pferde satteln und übernahm es, den jungen Gardisten zu begleiten. Planchet hatte man steif wie ein Rohr von seinem Rosse herabgehoben. Die Kräfte des armen Burschen waren völlig erschöpft. D'Artagnan schien von Eisen.


    Zurück nach Paris schein d'Artagnan alleine zu reisen, jedenfalls ist von Planchet nichts zu lesen.


    Aber als d'Artagnan im Kapitel 23 wieder in Paris ist:


    Er fand die Thüre zu seinem Gange halb offen, stieg die Treppe hinauf und klopfte auf eine zwischen ihm und seinem Lakaien abgemachte Weise sachte an. Planchet, den er zwei Stunden vorher mit dem Befehl, auf ihn zu warten, aus dem Stadthaus zurückgeschickt hatte, öffnete ihm.


    Wie ist Planchet da hingekommen? Hat Buckingham ihn per Post zugestellt? :rolleyes:

  • :thumbsup: Ja, per Expressboten :thumbsup:


    Hm, Planchet scheint dem/den Autor(en) also irgendwie im Weg gewesen zu sein...oder hat man schlicht auf ihn vergessen? Den Diener vorauszuschicken, was hätte das für einen Sinn?? D`Artagnan muss ja selber schleunigst zurück nach Paris, um die ferrets rechtzeitig abzuliefern. Oder hat er Planchet in der Eile unterwegs abgehängt, sodass dieser ein paar Stunden nach seinem Herrn nach Paris zurückkam?

    Troja stand in Flammen. Alles war im A**** (Homer, Ilias, 1. Versuch)

    Einmal editiert, zuletzt von Aramis ()

  • Ich schätze er hat ihn schlicht vergessen.
    Und dem englischen Übersetzer ist das aufgefallen.
    Da steht nämlich im Kapitel 23 THE RENDEZVOUS


    He found the door of his passage open, sprang up the stairs and knocked softly in a manner agreed upon between him and his lackey. Planchet*, whom he had sent home two hours before from the Hotel de Ville, telling him to sit up for him, opened the door for him.


    und in der Fussnote:


    *The reader may ask, “How came Planchet here?” when he was left “stiff as a rush” in London. In the intervening time Buckingham perhaps sent him to Paris, as he did the horses.

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