Ungereimtheiten bei den Musketieren

  • Ja, diese Erklärung scheint mir am einleuchtendsten, und ich find`s gut, dass der Übersetzer sie erwähnt. :thumbup:


    Was mich auch gewundert hat, sind die beiden verschiedenen Schreibstile der Chevreuse:
    Im Kap. 25, La maîtresse de Porthos, nimmt d`Artagnan (vermutlich von Aramis` Hauswirt/in? Bazin ist ja in Crevecoeur), einen parfümierten Brief an sich, der mit eleganter kleiner Handschrift an Aramis adressiert ist; doch im Kap. 48, Affaire de famille, ist der Brief, den die Chevreuse unter dem Namen Aglaé bez. Marie Michon an Aramis schreibt, zwecks Tarnung in unbeholfener Schrift samt Rechtschreibfehlern verfasst. Hier lässt die Chevreuse offenbar Vorsicht walten, Richelieus Spione wegen, aber warum tut sie das nicht auch zuvor? Fühlt sie sich nach dem gelungenen coup mit Buckinghams Besuch bei der Königin etwa dermaßen sicher, dass sie es wagt, Aramis einen unverstellten Liebesbrief zu schreiben, den sie noch dazu mit dem herzoglichen Siegel verschließt und in dem sie unvorsichtigerweise erwähnt, sie sei gezwungen gewesen, nach Tours zurückzukehren? Im Zuge der Affäre Buckingham hätte sie doch wahrhaftig allen Grund zu höchster Vorsicht und Diskretion gehabt!

    Troja stand in Flammen. Alles war im A**** (Homer, Ilias, 1. Versuch)

    Einmal editiert, zuletzt von Aramis ()

  • Beim ersten schreibt sie an den Geliebten, da will sie sie selbst sein, aller Gefahren zum Trotz? Irgendwie bringt es ja auch nichts, einen Brief voller Rechtschreibfehler zu verfassen, wenn schon das Schreiben allein kritisch ist. Beim zweiten ist sie halt Marie Michon und schreibt gemäß ihrer Rolle? Aber ich geb zu, dass mir das bisher nicht aufgefallen war :whistling:

    Wenn es morgens um sechs an meiner Tür läutet und ich kann sicher sein, dass es der Milchmann ist, dann weiß ich, dass ich in einer Demokratie lebe (W. Churchill)

  • Ich find`s halt seltsam, wenn Aramis vorgibt, in Briefkontakt mit einer Weißnäherin in Tours zu stehen, und dann ist da, wie d`Artagnan bemerkt, eine Herzogskrone auf dem Siegel zu erkennen :whistling:

  • Ich find`s halt seltsam, wenn Aramis vorgibt, in Briefkontakt mit einer Weißnäherin in Tours zu stehen, und dann ist da, wie d`Artagnan bemerkt, eine Herzogskrone auf dem Siegel zu erkennen :whistling:

    Hat Aramis zu diesem Zeitpunkt noch nicht behauptet.
    Dazu kommt, dass dies noch zu Friedenszeiten passiert. Da ist so ein Brief, selbst wenn er abgefangen wird eben nur ein Liebesbrief.
    Die Tarnung "Weissnäherin" erfolgt erst zu Kriegszeiten.

  • Die Tarnung "Weissnäherin" erfolgt erst zu Kriegszeiten.

    Hm, da hast du recht...dennoch ist es meiner Ansicht nach ziemlich unvorsichtig von der Chevreuse, gerade nach der Affäre Buckingham, während der sie sich heimlich in Paris aufhielt, Aramis unverstellt zu schreiben. Tja, die Liebe *seufz* :rolleyes: ... naja, jedenfalls können sie beide froh sein, dass der Kardinal in dieser Sache so überraschend kulant war.

  • wie d`Artagnan bemerkt, eine Herzogskrone auf dem Siegel zu erkennen :whistling:

    Das Siegel muss sein, sonst bemerkt d´Artagnan es ja nicht und denkt womöglich, sein Freund hätte was mit einer ... Weißnäherin? ;)

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  • sonst bemerkt d´Artagnan es ja nicht und denkt womöglich, sein Freund hätte was mit einer ... Weißnäherin?


    ;) Pfft, der tippt auf eine Zofe:
    Ah ! de quelque suivante éplorée, de quelque grisette au désespoir, de la fille de chambre de Mme de Chevreuse peut-être, qui aura été obligée de retourner à Tours avec sa maîtresse, et qui, pour se faire pimpante, aura pris du papier parfumé et aura cacheté sa lettre avec une couronne de duchesse.

  • A propos Ungereimtheit, mal ein kleiner Exkurs zum Film von 1932: Wieso ist plötzlich d´Artagnan in London mitsamt Planchet um Buckingham zu warnen? Hab ich da was übersehen? Sie schicken Planchet mit den Brief los und plötzlich ist da d´Artagnan, der Buckinghams Tod miterlebt?

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  • Weiter geht's:


    Nochmal in der Zoller Übersetzung Kapitel 19. Der Rath der Musketiere:


    »Wir könnten sie immerhin in die Gräben werfen,« sagte Porthos, »nachdem wir uns zuvor versichert, daß sie nichts in den Taschen haben.«
    »Allerdings,« versetzte Athos, »aber das ist ein Geschäft für Grimaud.«
    »Wohl,« sprach d'Artagnan, »so mag Grimaud sie hernach durchsuchen und in die Gräben werfen.«
    »Das sei ferne von uns,« rief Athos, »sie können uns nützlich sein.«


    Irgenwie nicht schlüssig. Zuerst meint Athos, dass Grimaud sich mit dem Entfernen der Leichen beschäftigen soll, um gleich darauf zu widersprechen. In der englischen Übersetzung von Pevear, scheint das jemanden gestört zu haben, denn:


    "But we could always throw them into the ditch," said Porthos, "after assuring ourselves that they have nothing in their pockets."
    "Yes," said Aramis, "Grimaud will take care of that."
    "Ah, well," said d'Artagnan, "then let Grimaud search them and throw them over the walls."
    "That we mustn't do," said Athos. "They may be of use to us."


    Hier ist die entsprechende Replik Aramis in den Mund gelegt worden. :D

  • Nein, das versteh ich jetzt anders: Athos findet, dass Grimaud ihnen die Taschen durchsuchen kann, aber sie in die Gräben werfen, das wäre ungeschickt. :) Deswegen stimmt er dem letzten Abschnitt von Porthos´ Satz zu, aber als d´Artagnan sie ´entsorgen´ will, erhebt er Einspruch 8)

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  • Deswegen stimmt er dem letzten Abschnitt von Porthos´ Satz zu, aber als d´Artagnan sie ´entsorgen´ will, erhebt er Einspruch

    :thumbup: Ja, das würd ich ebenfalls so verstehen.


    Ich frag mich grad, wo Zoller die Stelle mit Athos herhat, denn in meinen beiden französischen Ausgaben ist es Aramis, der diesen Satz über Grimaud sagt. Vielleicht hat Zoller das korrigiert und Athos statt Aramis eingesetzt, weil Grimaud ja Athos`Diener ist?

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  • Nein, das versteh ich jetzt anders: Athos findet, dass Grimaud ihnen die Taschen durchsuchen kann, aber sie in die Gräben werfen, das wäre ungeschickt. :) Deswegen stimmt er dem letzten Abschnitt von Porthos´ Satz zu, aber als d´Artagnan sie ´entsorgen´ will, erhebt er Einspruch 8)

    Naja, aber Porthos schlägt beides vor: durchsuchen und in die Gräben werfen. Wieso widerspricht ihm Athos nicht sofort? ?(

  • Wieso widerspricht ihm Athos nicht sofort?

    Eben weil in der französischen Ausgabe Aramis anstatt Athos sagt, das sei ein Geschäft für Grimaud. Zoller hat das offenbar korrigiert und Athos den Satz sagen lassen, vermutlich, weil Grimaud Athos` Diener ist.

  • Ich frag mich grad, wo Zoller die Stelle mit Athos herhat, denn in meinen beiden französischen Ausgaben ist es Aramis, der diesen Satz über Grimaud sagt.


    Tatsächlich?
    Na dass ist aber sehr interessant.
    Ich habe jetzt in die russische Übersetzung geschaut und dort sagt genau wie bei Zoller Athos diesen Satz:


    — А не лучше ли сбросить их в ров? — предложил Портос. — Но, конечно, не раньше, чем мы удостоверимся, что в карманах у них пусто.
    — Да, — проронил Атос, — это уже дело Гримо.
    — Так пусть Гримо их обыщет и перебросит через стены, — сказал д'Артаньян.
    — Ни в коем случае, — возразил Атос. — Они могут нам пригодиться.


    Bleibt nur die Variante, dass der russische Übersetzer nicht das Original, sondern Zollers Übersetzung als Vorlage hatte.


    Vielleicht hat Zoller das korrigiert und Athos statt Aramis eingesetzt, weil Grimaud ja Athos`Diener ist?


    Nun, das wäre eine logische Erklärung, er hat ja auch den Brief an d'Artagnan aus wahrscheinlich ähnlichen Motiven von d'Essard und nicht von Treville kommen lassen. :D

  • Bleibt nur die Variante, dass der russische Übersetzer nicht das Original, sondern Zollers Übersetzung als Vorlage hatte.

    Das scheint wohl tatsächlich der Fall zu sein, denn die Hagenau-Übersetzung hält sich ans französische Original und verwendet Aramis statt Athos. Wie siehts mit den englischen Übersetzungen aus? Aha, in der Robson-Übersetzung von 1853 ist es Athos anstatt Aramis. War da ebenfalls Zoller das Vorbild? 8)

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  • Interessant, wie die Übersetzer mit dem Originaltext umgehen und welche Eigenmächtigkeiten sie sich erlauben. Puh, nur gut für sie, dass sie keine Kopisten waren, die Beethovens Werke ins Reine zu schreiben hatten! Der hätt sie für jede geänderte Note in Grund und Boden gestampft! :evil:

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