Filmkritik „Die drei Musketiere“ 2023
Tja, da wäre sie nun, eine Neuverfilmung. Diesmal aus französischer Quelle.
„Hoffentlich huldigen sie dem Original, schließlich ist Dumas Frankreichs Lieblingsschriftsteller!“ dachte ich noch voller Vorfreude.
Nun ja…..
Ein wenig ernüchtert nach dem Kinobesuch stellte ich fest, dass dem Werk definitiv Epik fehlt, aber, wie meine Kinobegleitung meinte, „zumindest nicht so ein Schwachsinn wie mit dem Luftschiff“ gezeigt wurde.
Warum das als Mehrteiler geplante Werk im ersten Teil ausgerechnet „D’Artagnan“ heißt, ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, da überhaupt keine Charakterentwicklung stattfindet. Leider.
Die Eröffnungsszene lässt schaudern, muss sich doch der totgeglaubte Gascogner mit eigener Kraft aus einem Massengrab ausbuddeln und die Nahaufnahme, röchelnd, verdreckt und sabbernd, woraufhin dann der Titel „D’Artagnan“ eingeblendet wird, ist bestimmt keine Einführung, die des stolzen Gascogners der literarischen Vorlage gerecht wird. Puh!
Überdies hat Papa d’Artagnan wohl doch ein paar Moneten übrig gehabt und schickt den Sohn mit einem herrlichen spanischen Pferd nach Paris, allerdings mit ziemlich obskuren Klamotten – WAS ist dieser seltsame Hippie-Mantel aus Lederflicken???
In Meung, so es denn Meung ist, verliert d’Artagnan dann auch nicht das Empfehlungsschreiben, sondern hilft Damen in Nöten, um von selbigen beinahe erschossen zu werden. Prächtig.
In Paris angekommen, ist er dann immer noch so verdreckt wie nach der Wiederauferstehung aus dem Grab. Gab es auf dem Weg denn keinen Bach oder Teich, in den man hätte hüpfen können und/oder seine Kleidung wieder halbwegs präsentabel hätte herrichten können?
Der Trend zum „Grunge-Look“ zieht sich durch den gesamten Film, insbesondere bei den männlichen Darstellern. Kaum eine Barttracht erinnert ans 17. Jahrhundert, die Frisur schon gar nicht (außer bei König Louis) und man erkennt nicht, wo die Bartstoppeln aufhören und der Dreck anfängt. Auch die Klamotten widerstehen diesem Trend nicht: Aus ist’s mit Porthos prächtigem Wehrgehänge, stattdessen wird er von d’Artagnan nur angerempelt und steht mit nachlässig halb aufgeknöpfter Weste da. Das wäre dem literarischen Porthos gewiß nicht passiert. Selbst in der abschließenden Szene, als der König Athos begnadigt (um den er sich vorher einen feuchten Kehricht gekümmert hat) und d’Artagnan mit dem Degen den „Ritterschlag“ versetzt, ihn aber mit Worten lediglich zum Leutnant der Musketiere ernennt, trägt der König einen braunen Anzug, mit dem man den Gascogner wohl nach Paris hätte schicken können, aber nicht den König auf eine hochoffizielle Gunstbezeigung. Das war dann auch kein Ritterschlag, sondern eine wenig nachvollziehbare Beförderung, war d’Artagnan doch vorher noch nicht einmal offiziell Musketier. Und die Uniform konnte er auch noch nicht tragen. Uniform? Wir erinnern uns: Ein diffus dunkelblau-schwarzer Mantel mit ebenso dunklem Kreuz, aufgenäht am Oberarm. Dazu ein paar dunkle Knöpfe – fertig!
Für die Kardinalsgardisten das ganze Ensemble dann bitte in verwaschenem dunkelsten schwarz-braun-rot, so dass bei Nahkampfszenen mit unmöglichster Kameraführung keiner erkennt, wer da gegen wen kämpft und wer wen niedermetzelt. Habe ich mich schon über die lausige Qualität der Kampfszenen beklagt?
Da wird nur herumgemetzelt, Fausthiebe verteilt und möglichst rasch umeinander gewälzt, damit die Kamera jeglichen Focus verliert.
Sämtliche Charaktere laufen ohne Persönlichkeit herum, sie bleiben völlig zweidimensional.
Während der Gascogner (mal wieder) viel zu soft ist und ihm der Biss und die Pfiffigkeit des Originals fehlt, schafft es der Darsteller tatsächlich, mit beinahe nur zwei Gesichtsausdrücken den gesamten Film zu bestreiten: Das ernste Gesicht und der Blick des unschuldig-süßen Hundewelpen, der wahlweise bei den Damen oder bei Freunden, die grausige Geschichten aus ihrer Vergangenheit erzählen, zum Einsatz kommt. Der Begriff „Hundewelpe“ passt auch ausnehmend gut, da er wie ein solcher recht tapsig in brenzlige Situationen stolpert, deren Brisanz die literarische Vorlage frühzeitig erkannt hätte. Beispiel: Bei Buckinghams Maskenball schafft er es zwar, ein Kostüm zu entwenden und auf den Ball zu gelangen (die Maske ist irgendwas zwischen Schwein und Hund, soll wahrscheinlich ein Wolf sein, oh Graus, wobei wir wieder bei tapsigen Pfoten wären), mischt dann beim Versuch, zu Buckingham zu gelangen, die Wachen auf und steht kurz vor einer Festnahme. Seufz. Zweites Beispiel: Fällt bei dem Verfolgen einer Spur zum Beweis von Athos Unschuld beinahe einer Dame ins fleckige Dekolletée, welches diese ihm frivol unter die Nase hält, verabschiedet sich, schnüffelt plump in deren Haus herum und lässt sich von ihr anschießen. Erneut seufz wegen so viel Dummheit.
Immerhin kann er dann bei Constance, die natürlich mal wieder Mademoiselle (!) Bonacieux ist, auftauchen und sie bitten, ihn zu nähen, was sie natürlich gerne tut. Leider hält der Angebete sein Hemd stets züchtig vor der Brust, so dass weder die Zuschauer noch Constance allzuviel von seinen etwaigen Reizen sehen können. Trotzdem beklagt sie sich dauernd, er würde zu viel wackeln, was er abstreitet. Und nein, er hat wirklich nicht gewackelt, die blöde Kuh soll sich auf ihren abscheulichen Reiß-und-Zieh-Stich konzentrieren.
Auch sonst zeigen die Damen nicht allzu viel, wo es sich hinzuschauen lohnt. Keine üppigen Dekolletées und verschwenderische Roben. Selbst das Make-Up ist ihnen fast aberkannt worden. Wahrscheinlich war der Dreck für die Herren so teuer. Dementsprechend ist die Königin mehr als unscheinbar und in der deutschen Fassung mit einer Stimme synchronisiert, die an eine Schülerin der zwölften Klasse erinnert, die einen langweiligen Text im Unterricht vorlesen muss. So kann der Zuschauer auch nicht nachvollziehen, warum Buckingham gerade für diese langweilige Person in Liebe entbrannt sein soll. Tja, und Buckingham selbst, der ja einer der schönsten und mächtigsten Edelmänner seiner Zeit gewesen sein soll, ist hier nur ein schlecht rasierter Irgendwer, der über den Kanal gesegelt ist für ein Date.
Aber wenn schon die Königin langweilig ist, dann ist es auch ihre Wäschefrau, die von der lingerière zur Wäscherin degradiert wurde, die in ihrem Domizil offenbar die Laken des Palastes zum Trocknen hängen hat.
Und wo wir gerade bei weiblichen Reizen sind: Dieses Thema regt mich schon seit etlichen Filmen und Serien auf: Warum werden als Frauenleichen immer Frauen fast ohne Brust, aber mit meterlangen Nippeln verwendet??? Es ist einfach nur grausig! Fürchtet man, dann FSK 16 statt FSK 12 zu sein, wenn man normale Frauen statt abgehärmter Diätfetischistinnen nimmt?